Ich verstehe Andreas Khols Wahlkampagne nicht
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Die längste Wahl der Welt

Ich verstehe Andreas Khols Wahlkampagne nicht

Khols seltsame Postings mit radikalen Christen zeigen, dass seine Kampagne nicht greift. Das ist kein Zufall. Er ist der richtige Kandidat zur falschen Zeit.

Was ÖVP-Kandidat Andreas Khol angeht, waren es ein paar seltsame Wochen. Man hatte ja schon fast vergessen, dass der nette, ältere, präsidential dreinschauende Mann einer der Architekten von Schwarz-Blau war, dem auch schon mal Sager über die „roten Gfrieser" im ORF rausrutschten. Khols Berater hatten ihn zu einem eher braven, großväterlichen Kandidaten gemacht, bei dem von einem Auftritt in der ZIB2 als einziges hängen blieb, dass er den Habitus von Bernie Sanders mag.

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In der letzten Woche verließ die Khol-Kampagne diese Linie mit ein paar sehr seltsamen Zügen. Es gab ein schwer missverständliches Shareable mit Polizisten, nachdem man neben Demokratie noch andere Dinge brauche, um die Freiheit zu sichern. Dann tauchten mehrere komische Facebook-Ads auf. Auf dem einen Bild spricht Khol ein entschiedenes „NEIN ZU CHRISTENVERFOLGUNG!" aus. Auf dem anderen steht er neben Gudrun Kugler—einer Wiener ÖVPlerin, die mit ihrem Kampf gegen die Homo-Ehe und ihrer Haltung zu Abtreibungen Schlagzeilen gemacht hat—und lobt sich selbst dafür, Ethikunterricht als Ersatz für Religionsunterricht verhindert zu haben.

Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Politiker zu Ostern familiär und religiös zeigen, zumal wenn sie in der ÖVP sind. Dass Khol Christenverfolgung thematisiert ist legitim, aber ein bisschen seltsam—das ist ein riesiges Problem in manchen Teilen der Welt, Österreich gehört eher nicht dazu. Aber in Verbindung mit dem Kugler-Sujet stellt sich der Eindruck ein, Khol würde die Hand nach den etwas radikaleren Christen ausstrecken.

Das ergibt wenig Sinn. Diese Gruppe ist vergleichsweise winzig, wählt ihn sowieso (Khol hat sich für einen Gottesbezug in der Verfassung ausgesprochen) und polarisiert. Die ein, zwei Prozent, die man dort zusätzlich gewinnen könnte, verliert man an anderer Stelle. Van der Bellen zeigt sich ja auch nicht mit Martin Balluch. Außerdem widersprechen die neuesten Volten der Kampagne der Grundidee von Andreas Khol als respektiertem Verfassungsjuristen und Großvater der Nation. Und wenn eine Kampagne plötzlich so herumlaviert, dann riecht das nach Panikreaktion.

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Khols Kampagne stand von Anfang an unter keinem guten Stern.

Die kommt nicht von ungefähr. Khol liegt in Umfragen weit zurück, irgendwo zwischen 10 bis 15 Prozent. Ja, laut des Fairnessabkommens dürfen Plakate erst seit Ende letzter Woche stehen, die Phase des Intensivwahlkampfs beginnt jetzt, die TV-Duelle liegen auch noch vor uns und die Zahl der Unentschlossenen ist auch noch hoch. Aber die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Damit es Khol in die Stichwahl schafft, müsste einiges passieren. Ich würde darauf kein Geld wetten. Andere auch nicht: Für Andreas Khol bekäme man aktuell für jeden eingesetzten Euro acht ausbezahlt.

Verglichen mit den USA sind Wahlkämpfe in Österreich relativ simpel. Das hat mit dem Grad an Professionalisierung zu tun, aber auch mit dem viel weniger komplexen Wahlsystem, wo es sehr grob gesagt wenig Unterschied macht, ob ich eine einzelne Stimme in Wien oder in Bludenz bekomme. Aber eine grundlegende Sache ist überall dieselbe: Eine Kampagne braucht eine Idee.

Das Team muss eine Positionierung festlegen. Wen kann und will ich ansprechen? Mit welchen Themen und in welcher Tonalität mach ich das? Wie groß ist die Zielgruppe, die mich theoretisch wählen könnte, und auf was kann ich damit spielen: Sieg, Stichwahl oder ein respektables Ergebnis? Das sind wichtige Überlegungen, die alle einen Einfluss haben, wie ich meinen Kandidaten positioniere. Bei Andreas Khol hat man leider nicht das Gefühl, als hätte man sich diese Fragen im Vorfeld ausreichend gestellt.

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Khols Wahlkampf stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Nachdem sich Pröll ewig und öffentlichkeitswirksam zierte und schließlich absagte, galt jeder Kandidat als zweite Wahl. Dann musste auch noch einen Monat später die Kampagnenleitung ausgetauscht werden, weil sich der bisherige Leiter Florian Krenkel von einer Operation erholen musste. Das ist die offizielle Version, es gibt durchaus auch andere.

Der neue Chef Thomas Kratky hat Wahlkämpfe für Klestil und Fischer bestritten, ist ein erfahrener Mann und hatte auch schon ein fertiges Konzept in der Hand. Der Schönheitsfehler: Dieses war eigentlich für SPÖ-Kandidat Hundstorfer gedacht, dessen Kampagne Kratky eigentlich managen wollte. Man hat dann das gemacht, was in der Kürze der Zeit möglich war: Eine relativ einfache und brave Kampagne. Khol als erfahrener, mutiger Staatsmann mit ÖVP-Hintergrund, dem doch hoffentlich jeder zutrauen würde, Krisen zu lenken und im Ausland aufzutreten.

Khol ist der richtige Kandidat. Aber es ist die falsche Zeit.

Vermutlich hätte das in fast allen Jahren zumindest für die sichere Stichwahl gereicht. Heuer schaut es schlecht aus. Van der Bellen als pseudo-unabhängiger Grüner ist auch für Teile des urbanen Bürgertums gut wählbar. Ebenso Griss, die noch dazu auf die Unterstützung der juristischen Klasse des Landes bauen kann und das Fehlen eines Parteiapparats zumindest teilweise durch eine Außenseiter-Positionierung kompensiert. Und dann gibt es noch Norbert Hofer, der die FPÖ-Proteststimmen bekommt, aber vom Habitus auch viel weniger abschreckend ist als es Barbara Rosenkranz 2010 war.

Vielleicht ist in dieser Konstellation einfach kein Platz für einen brav positionierten ÖVPler. Khol ist zweifellos respektabel. Aber er ist auch der richtige Kandidat zum falschen Zeitpunkt. Die Wahl zum Bundespräsidenten zeigt, dass die Dritte Republik immer näher rückt. Es geht sich für die (ehemaligen?) Volksparteien nicht mehr einfach so aus, wenn andere Kandidaten auch nur halbwegs gut sind. Ihr großer Parteiapparat kann noch immer vieles ausgleichen, aber allein die Chance, dass eine Stichwahl ohne ÖVP und SPÖ stattfinden könnte, ist eine Sensation. Klar, wir können über missglückte Facebook-Postings reden. Aber wenn Khol untergeht, dann wegen dieser tiefgreifenden Veränderungen. Nicht wegen Meldungen in einem Netzwerk, das seine Hauptzielgruppe wenig nutzt.

Bis zur Wahl ist es noch einen Monat hin, und realistischerweise weiß noch niemand Genaues. Van der Bellen hat sehr hohe Chancen auf Platz 1, danach ist sehr viel möglich. Wenn Lugner Hofer zwei bis drei Prozent klaut, könnte diesen das die Stichwahl kosten und Hundstorfer nutzen. Und ob Griss am Ende wirklich an den 20 Prozent kratzt, ist auch noch höchst fraglich. Interessanterweise ist aber gerade Khols Schwäche ein Unsicherheitsfaktor. Bleiben die Umfragen so wie jetzt, könnten sich Khol-Wähler aufgrund des Bandwagon-Effekts (ein Wichtigmacher-Wort, das eigentlich nur heißt: Wähler wählen ungern Verlierer) noch umentscheiden. Wohin sie dann wandern, weiß niemand. Aber heuer könnte das noch einmal wichtig sein.

Dem Autor auf Twitter folgen: @L4ndvogt