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Da insbesondere Daily Soaps sehr nah am tatsächlichen Leben der Zuschauerschaft stattfinden und mit ihren Geschichten aus dem „echten Leben" schöpfen, stellt sich natürlich die Frage: Wie wahrscheinlich ist es wirklich, einem wildfremden Schönling über den Weg zu laufen, sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben und dann zu erfahren, dass er eigentlich mit einem verwandt ist? Ist Inzest wirklich ein zu verurteilendes Verbrechen, oder nicht viel mehr als ein ethisches Tabu? Dass es echte Liebe zwischen Geschwistern geben soll, erklärte uns vor kurzem bereits jemand, der eine (auch körperliche) Beziehung mit seiner Schwester führt. Der Deutsche Ethikrat empfahl 2014, einvernehmlichen Sex zwischen zwei erwachsenen Geschwistern nicht länger unter Strafe zu stellen.„Bei Inzest haben wir es so gut wie immer mit Opfern und Tätern zu tun. Inzest passiert nicht ‚ungewollt' oder ‚zufällig'", erklärt stattdessen Ulrike Dierkes. Sie ist Gründerin und Vorsitzende von M.E.L.I.N.A. Inzestkinder / Menschen aus VerGEWALTigung e.V., einem gemeinnützig anerkannten Verein für Inzestopfer. Und sie kennt die dunklen Seiten der innerfamiliären Liebe: Sie ist selbst aus einer inzestuösen Verbindung entstanden. Sie erzählt mir, dass ihre Mutter ab dem siebten Lebensjahr von ihrem Vater vergewaltigt, mit 13 dann von ihm schwanger wurde und sie zur Welt brachte. Frau Dierkes ist bei ihrem Vater und seiner Frau aufgewachsen und wusste bis zu ihrem elften Lebensjahr nicht, dass ihre „Schwester" gleichzeitig auch ihre wahre Mutter war. „Mein Umfeld wusste Bescheid. Kinder spüren sehr genau, wenn etwas nicht in Ordnung ist und auch meine Wahrnehmungen täuschten mich nicht. Ich hatte keine gute Familie und war ein einsames Kind, konnte aber nicht genau sagen, was es war, was mich so bedrückte. Ich wusste nur, da stimmt etwas nicht."
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Ich erfahre von ihr, dass laut Kriminalstatistik jedes 4. Mädchen und jeder 6. Junge in Deutschland Opfer von sexueller Gewalt ist. 75% der Übergriffe geschehen innerhalb der Familie. Die Dunkelziffer ist sogar höher. „In vielen Fällen werden Mädchen durch sexuellen Missbrauch frühreif. Wenn ein 11-oder 12-jähriges Mädchen plötzlich schwanger ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch das Verbrechen aufgedeckt wird. Missbrauch an Jungen, (auch durch eigene Mütter oder andere weibliche Verwandte) wird oft erst Jahrzehnte später aufgedeckt, wenn sie als Erwachsene darüber reden. Steigende Abtreibungsquote bei Schwangerschaften Minderjähriger sollte immer als möglicher Hinweis auf Missbrauch aufgegriffen werden. Inzestfälle haben verschiedene Geschichten. Ein Dunkelfeld ist zum Beispiel der Mutter-Sohn-Inzest, der leider selten aufgedeckt wird."M.E.L.I.N.A. e.V. erhält täglich zirka zwei Anfragen von Inzestbetroffenen und nicht selten haben diese sehr schwere Geschichten zu erzählen. „Ich erinnere mich an einen Bruder-Schwester-Inzestfall, bei dem der Bruder angeklagt wurde und nicht nur Aufmerksamkeit der Medien, sondern auch das Mitleid der Gesellschaft erregte. In der Öffentlichkeit wurde dieser Fall als ‚Liebesbeziehung' dargestellt, aber aus Akteneinsicht wusste ich, dass dies nicht der Fall war. Ich erfahre täglich schlimme Geschichten, die ich nicht so schnell vergesse. Besonders schlimm aber empfinde ich es, wenn durch Inzest gezeugte Inzestkinder für die vermeintliche ‚Liebe' ihrer verwandten Eltern oder Inzesttäter unter lebenslänglichen Beeinträchtigungen wie Inzestschäden leben und leiden müssen."Fördert die Pille danach wirklich Missbrauchsfälle in der Familie?
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Und auch die GZSZ-Zuschauer finden, dass die Autoren eine Grenze überschritten haben. Ich lese mir einige Facebook-Kommentare durch und „Einfach nur ekelhaft!" gehört noch zu den harmloseren. Die meisten Fans sind ziemlich empört und einige sogar froh darüber, dass Frederic (ACHTUNG, SPOILER!) schnell wieder von der Bildfläche verschwindet. Natürlich ist es wichtig, auch solchen tabuisierten Themen Raum zu geben, aber ob es der richtige Weg ist, das Ganze in eine dramatische Liebesgeschichte zu verpacken? Ganz abgesehen davon, dass es sich bei Inzest um eine Tat handelt, die in Deutschland strafrechtlich verfolgt wird: Die Erfahrungen, die Aktivisten und Aktivistinnen wie Frau Dierke machen zeigen, dass die Geschichte der großen, verbotenen Liebe in vielen Fällen nicht mehr ist als ein Vorwand. Eine Entschuldigung dafür, einen womöglich schwächeren, weil jüngeren Part zu missbrauchen. Das lässt sich vielleicht nicht so einfach in einer Soap abhandeln, ist aber ebenso Teil der Inzest-Realität in Deutschland.„Inzestverbrechen dürfen nicht verjähren, Opferentschädigung sollte im Strafverfahren höchste Priorität haben.", fordert Frau Dierke und rät allen Betroffenen sich professionelle therapeutische Hilfe zu holen, das Schweigen zu brechen und sich mit anderen Missbrauchsopfern stark zu machen. Wer Hilfe sucht, sich zum Thema eingehender informieren möchte oder den M.E.L.I.N.A. e.V. mit einer Spende unterstützen will, kann das hier tun.Folgt Natascha bei Twitter.