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verhüllungsverbot

Sinnlosestes Gesetz der Woche: Bald dürfen Beamtinnen und Soldatinnen ihr Gesicht nicht mehr verschleiern

Warum der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das wohl niemanden betrifft.
Imago | ZUMA Press

Die Anzahl von Soldatinnen in Burkas und vollverschleierten Beamtinnen dürfte sehr, sehr überschaubar sein. Wir würden sogar wetten: Noch nie hat ein Bundestagsabgeordenter so eine Frau gesehen. Trotzdem hat der Bundestag gestern das Verschleierungsverbot im öffentlichen Dienst abgenickt, der Bundesrat muss das nur noch bestätigen.

Das Gesetz schreibt vor, dass Beamtinnen und Soldatinnen ihr Gesicht bei der Arbeit nicht mehr verhüllen dürfen. Der Gesetzentwurf von CDU und SPD erklärt das so: Eine religiös oder weltanschaulich motivierte Verhüllung widerspreche der Neutralitätspflicht von staatlichen Funktionsträgern. Ein zweiter Punkt des Gesetzes regelt, dass Frauen Niqab oder Burka ablegen müssen, wenn ihre Identität festgestellt werden muss: zum Beispiel beim Abgleich von Passfotos auf dem Amt oder bei Ausweiskontrollen am Flughafen.

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Linke und Grüne nannten das Verhüllungsverbot von Beamtinnen und Soldatinnen Symbolpolitik: Vollverschleierte Soldatinnen oder Beamtinnen gebe es faktisch nicht.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken, sagt zu VICE: "Es liegt es auf der Hand, dass sich das Gesetz gegen vollverschleierte Muslimas richtet. Diese werden hier als Problem an den Pranger gestellt – aber völlig zu Unrecht: Erstens trägt nur eine kleine Minderheit muslimischer Frauen die Burka, zweitens habe ich noch nie davon gehört, dass diese ausgerechnet im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Dieses Problem existiert einfach nicht. Das einzige, was dieses Gesetz bringt, ist, das gesellschaftliche Klima weiter zu vergiften."

Ein Gesetz, so sinnvoll wie ein Flugverbot für Haie oder ein Geburtsverbot für Männer – wo ist hier der Sinn? Die Vermutung liegt nahe, dass die SPD und CDU/CSU für das Gesetz stimmten, weil sie um "besorgte Bürger" buhlen. Im September ist Bundestagswahl, die AfD steht in Umfragen zwischen sieben und zehn Prozent.

Die Burka-Debatte wird seit Jahren kontrovers geführt. Letztes Jahr konnten sich die Unions-Innenminister der Länder in einem Forderungskatalog zur inneren Sicherheit nicht auf einen Konsens einigen. So sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl noch im August letzen Jahres: Eine Vollverschleierung widerspreche zwar dem Grundsatz, dass man sich in einer offenen Gesellschaft ins Gesicht gucken könne, eine gesetzliche Regelung würde man aber nicht anstreben. Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner fordert seit Ende 2014 ein komplettes Verbot. Ihre Begründung: "Die Burka-Vollverschleierung steht für mich nicht für religiöse Vielfalt, sondern für ein abwertendes Frauenbild."

Was auf Bundesebene nun per Gesetz beschlossen wird, gilt in Hessen seit Februar 2011: ein Burka-Verbot im öffentlichen Dienst. Und auch in Bayern entschied ein Verwaltungsgericht, dass Schulen Niqab und Burka verbieten dürfen.

Für wie viele Betroffene ist das neue Verbot denn nun relevant? Als der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu im Dezember 2015 von der Bundesregierug die Zahl der Burkaträgerinnen in Detschland erfragte, erhielt er die Antwort: "Der Regierung liegen keine Erkenntnisse über die Anzahl der Burka-Trägerinnen vor." Der Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad wird immer wieder damit zitiert, dass es 300 Frauen seien – eine Schätzung.

Und jetzt überlegt mal, sollte 300 überhaupt stimmen, wie viele davon könnten Soldatinnen oder Beamtinnen sein. Eben.

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