Drogen

Warum Berlin drogenpolitisch gerade die geilste Stadt ist

Auch wenn es nur langsam voran geht.
Der Berliner Fernsehturm aus einem weißen Pulver, das aussieht wie Kokain
Foto: Bernardo Martins

Aufregende Zeiten sind das gerade für Drogennutzerinnen und Freunde einer sinnvollen Gesundheitspolitik. Zumindest für jene, die in Berlin wohnen. Denn es gab diese Woche einige Meldungen, die den Anschein erwecken: In der Hauptstadt passiert was in Sachen Drogenpolitik.

Auch geringe Mengen Heroin und Kokain könnten bald als Eigenbedarf gelten

Zumindest fordert die drogenpolitische Sprecherin der Grünen in Berlin, Catherina Pieroth, das. Sie sagte dem Nachrichtenportal rbb24: "In Berlin haben wir die Möglichkeit, den Eigenbedarf für härtere Drogen wie Kokain oder Heroin bewusst zu regeln. Dieser könnte bei drei Gramm liegen."

Drei Gramm Koks als Eigenbedarf – das klingt nach Entkriminalisierung, nach Legalisierung, nach Freiheit. Aber, Achtung: Es könnte eine Falle sein.

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Eigenbedarf – vor allem die Kifferinnen unter euch kennen diesen sperrigen Begriff wahrscheinlich schon. Er bezieht sich auf den Paragraf 31a des Betäubungsmittelgesetzes. Da heißt es, dass die Staatsanwaltschaft ohne Zustimmung von Gerichten von der Strafverfolgung absehen kann, wenn die Täterin Drogen nur zum Eigengebrauch und in geringer Menge dabei hatte.


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Was genau diese geringe Menge ist, kann jedes Bundesland eigenständig festlegen. So kommt es, dass in Berlin ein ordentlicher Batzen von 15 Gramm Cannabis als Eigenbedarf gilt, in den meisten anderen aber nur sechs Gramm. Für andere Drogen gibt es in Berlin bisher keine Festlegung. Anders als in Schleswig-Holstein, wo etwa ganze drei Gramm Kokain als Eigenbedarf gelten.

Nun kommt der Fallstrick: Das heißt nicht, dass es erlaubt ist, in Berlin mit 15 Gramm Cannabis und in Kiel mit drei Gramm Koks herumzulaufen. Es ist weiterhin illegal und steht unter Strafe. Erwischt die Polizei jemanden mit Drogen, muss sie eine Strafanzeige stellen und kann die Person auch vernehmen. Sprich: Hustle mit der Polizei haben Drogennutzerinnen auch trotz Eigenbedarf.

Gebt das Koks frei!

Wie wahrscheinlich es ist, dass die Staatsanwaltschaft Verfahren fallen lässt, hängt ebenfalls von der Vorschrift im jeweiligen Bundesland ab. In Berlin ist die Regelung bisher so: Bei zehn Gramm Cannabis stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren in der Regel ein.

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Ob die Grünen-Politikerin Pieroth mit ihrer Idee durchkommt? Wahrscheinlich noch nicht in dieser Legislaturperiode. Der Koalitionspartner SPD will das nicht. "Für harte Drogen führen wir diese Diskussion nicht, das steht auch nicht im Koalitionsvertrag", sagte der gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion, Thomas Isenberg. "Mit der SPD gibt es da keine Priorität im Moment."

Berlins Oberster Drogenfahnder weiß, dass die Menschheit niemals drogenfrei sein wird

Olaf Schremm hat viel zu tun. Er leitet das Berliner Drogendezernat und kämpft vor allem gegen jene, die mit dem Drogenhandel Geld verdienen. Man könnte also erwarten, er ist einer von denen, die fordern, stärker gegen jede Art von Drogenkriminalität vorzugehen, um den Konsum auf null zu drücken. Aber nein.

"Man muss zur Kenntnis nehmen, dass eine Gesellschaft niemals drogenfrei sein kann. Der Mensch nimmt seit Tausenden von Jahren irgendwelche Rauschmittel, weil er sie toll findet", sagt er im Interview mit rbb24. Entsprechend könne die Polizei das Drogenproblem nicht in Gänze lösen.

Statt also härtere Repressionen fordert er bessere Prävention und mehr Einrichtungen zur Schadensminimierung, wie zum Beispiel Drogenkonsumräume. Und er sagt, er wünsche sich eine nicht so emotionale Diskussion bei der Frage der Legalisierung. So progressive Töne von einem Mann seiner Position – das müsste doch auch alle Repressions-Fans zum Umdenken bewegen.

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Die Stadt setzt immer mehr Maßnahmen zur Schadensminimierung ein … oder versucht es zumindest

Olaf Schremm weiß es, wir wissen es: Einige Menschen werden immer Drogen nehmen wollen. Eine gute Drogenpolitik muss also dafür sorgen, dass die Konsumierenden dabei so wenig Schäden wie möglich davontragen. Harm Reduction ist das Stichwort, Schadensminimierung.

Dazu gehört zum Beispiel das Drug-Checking. Drogenuserinnen können ihre Substanzen in drei Drogenhilfeeinrichtungen auf Qualität und schädliche Beimischungen testen lassen. Auf jeden Fall ein Grund, (in) Berlin zu feiern. Es ist nämlich das erste Drug-Checking-Projekt in ganz Deutschland.

Doof nur: Losgehen sollte es im September. Nun aber – wer hätte gedacht, dass sowas in Berlin möglich ist – verzögert sich das Projekt. Anfang 2020 soll es starten.

Zu sinnvollen Harm-Reduction-Maßnahmen gehören auch Drogenkonsumräume. Während sich einige Städte kategorisch dagegen verwehren, sie einzurichten, eröffnet im Sommer nächsten Jahres in Berlin immerhin schon der vierte. Das versprach die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann bei rbb24. Er wird in der Nähe des Kottbusser Tors eröffnen, einem Drogen-Hotspot.

In diesem Sinne: Weiter so, Berlin! Mögest du diesen Kurs weiter fahren, vielleicht noch eine Spur mutiger sein, Erfolg mit den Aktionen haben und der Bundesrepublik ein Vorbild sein.

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