Meine Mutter hat sich das Video zu "Ich schwöre" von Frauenarzt & Taktloss angesehen und bewertet

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Meine Mutter

Meine Mutter hat sich das Video zu "Ich schwöre" von Frauenarzt & Taktloss angesehen und bewertet

"Für mich ist das Musik zum zugedröhnt in der Ecke liegen und genießen."

Fotos: Screenshots von YouTube aus dem Video "Frauenarzt & Taktlo$$ - Ich schwöre" von Proletik

Mama ist die Beste. Selbst wenn sie uns mit 13 ein Bauchnabelpiercing verboten hat – am Ende müssen wir zugeben, dass sie halt meistens auch damit Recht hatte. Und weil sie die Beste ist und wir sehr großen Wert auf ihre Meinung legen, reden wir mit ihr über alles. In unserer Serie "Meine Mutter" eben auch über Deutschrap – auch wenn sie wenig bis gar keine Ahnung davon hat. Denn gerade das ist es ja, was ihre Meinung so interessant macht. Sie eröffnet uns bisher verborgen gebliebene Blickwinkel, Ideen und Schlussfolgerungen, auf die wir ohne sie weiß Gott nicht gekommen wären.

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Es passiert sehr selten. Etwa alle 375 Jahre schiebt sich der Mond vor die Sonne und sorgt so an einem bestimmten Ort für eine totale Sonnenfinsternis, die für einige Minuten den Tag verdunkelt. Urvölker betrachteten sie oft als göttliches Zeichen. Etwas ähnlich astronomisch Bemerkenswertes passiert im Moment auch im Deutschrap. Frauenarzt und Taktloss, beide ihres Zeichens so etwas wie die Sonne und der Mond des Westberliner Untergrunds, releasen ein Kollaboalbum: Gott.

Mit dem Video zu "Ich schwöre dir" hat die Eklipse sich nun in Gang gesetzt. Der Mond schiebt sich langsam vor die Sonne, bis dann am 26. Mai Gott den Tag zur Nacht werden lässt. Zeit, den ersten Vorboten von einer unabhängigen, nicht-abergläubischen Person auswerten zu lassen: meiner Mutter. Sind wir alle dem Untergang geweiht? Oder meint es Gott gut mit uns?

Noisey: Wir gucken heute ein Video von Frauenarzt und Taktloss an. Erinnerst du dich noch an Frauenarzt?
Mama: Ja, da habe ich ja schon einmal ein Video analysiert. Taktloss sagt mir aber auch was. Da warst du doch auf dem Konzert!

Ja stimmt. Das ist das erste Video aus ihrem gemeinsamen Album Gott.
Sie bezeichnen sich als Gott?

Ich glaube, das kann man so oder so deuten. Findest du das provokant?
Also John Lennon wurde damals extrem kritisiert, als er sagte, die Beatles seien berühmter als Jesus. Aber ich glaube, hier in Berlin oder im westeuropäischen Raum regt sich über sowas niemand mehr auf. Man muss ja immer gucken, was innerhalb der eigenen Community das Sakrileg ist. Wenn sie über sich sagen würden "Ich bin ein Mädchen", wäre das vielleicht sogar provokanter.

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[Wir starten das Video. Mama guckt sich hochkonzentriert das Video ohne Unterbrechungen an, wenn sie auch bei Taktloss' Part beginnt, ein wenig zu schmunzeln.]

Und wie ist dein erster Eindruck?
Also ich bin ja ein sehr optischer Mensch. Deswegen gehe ich erstmal auf das Visuelle und den Sound allgemein ein, aber weniger das Textliche. Was mich an dem Video schwer beeindruckt hat, ist dass die so niedlich geworden sind – trotz der Texte. Wie sich in den Sonnenbrillen die Herzchen spiegeln zum Beispiel. Man sagt ja, die Augen sind der Spiegel zur Seele. Da die beiden ja Sonnenbrillen tragen, ersetzen die Herzchen die Augen. Das ist ein sehr schönes Detail, das diese Spannung zwischen böser Junge und dieser verspielten Ästhetik bricht. Discokugel, weißer Anzug – das hat ja auch so etwas von Miami Vice. Alles sehr groovy. Ich bin sehr beeindruckt.

Es kommt dir also eher weich als hart vor, trotz der Lyrics und des Stripclubs?
Also ich denke, an die harten Lyrics hat man sich so sehr gewöhnt, dass man sie gar nicht mehr so wahrnimmt. So Worte wie "Fotze", "Hure" ist ja zur alltäglichen Sprache geworden. Außerdem finde ich das Frauenbild, auch wenn hier diese Worte häufig fallen und dort Stripperinnen mit überdimensionalen Brüsten im Video sind, nicht problematisch oder herabwürdigend, trotz Luden-Optik. Das sind doch alles starke Frauen in dem Video. Die sind selbstbewusst, aktiv, sie wirken nicht wie Opfer, die verängstigt in der Ecke sitzen. Die wirken wie Macherinnen. Sie erschießen ja auch am Ende die Männer.

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Wie haben die zwei verschiedenen Protagonisten, Frauenarzt und Taktloss, auf dich gewirkt?
Also Taktloss wirkt natürlich durch seine Perücke, diesen weißen Anzug und sein exzentrisches Auftreten lustiger, ja fast ein wenig wie eine Persiflage. Frauenarzt tritt eher altbekannt auf. Mit seiner Cap, der Sonnenbrille und den Sportklamotten bleibt er bei der Rap-Attitüde, während Taktloss da weiter geht. Aber das ist passend für den Song. Der eine singt ja eigentlich mit dieser hohen Stimme [sie meint Autotune], der andere rappt, wie man es kennt. Der eine sehr melodisch, auch bei seinem Rappart, der andere härter. Ich glaube, da wird auch Altes mit Neuem gemischt, oder?

Das kann man so sagen. Gefällt dir denn dieser musikalische Mix?
Ja, mir gefällt das gut. Für mich ist das Musik zum zugedröhnt in der Ecke liegen und genießen. Wenn man leicht einen sitzen hat und keine Termine, wie Harald Juhnke sagt. Das ist doch auch toll, dass man heute so viele verschiedene Stile mischen kann. Für mich hat das Elemente von beidem: HipHop und Pop. Genres finden nicht mehr so extrem getrennt statt wie früher. Das finde ich toll.

Hast du denn eine Lieblingsstelle oder eine Lieblingsline?
Also mir gefällt dieser Break von der ersten Strophe zum Refrain am besten. Das finde ich super. Eine Line jetzt nicht unbedingt, außer "Ich schwöre dir" habe ich mir da jetzt nichts gemerkt. Aber das wird ja auch so oft gesagt, da muss man ja schwerbehindert sein, um sich das nicht zu merken.

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Und beim Video? Hast du da eine Lieblingsstelle?
Ich mag den Freddy Krüger, den sie da einmal kurz einblenden. Den mit den Gesichtstattoos.

Das ist MC Bogy!
Und die Stelle, wo Taktloss den Kopf hoch hält.

Würdest du dir denn das Album anhören wollen?
Ja sehr gerne!

***

Ihr auch? Dann könnt ihr hier 'Gott' schon mal vorbestellen. Sonnenbrillen nicht vergessen! 

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