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Popkultur

Der VICE Guide zum Überleben in Wien

Sieh ein, dass in dieser Stadt der Kellner König ist und verhalte dich entsprechend. Geh nicht aufs Donauinselfest. Wenn dir im Flex jemand etwas verkaufen will, kauf es nicht.
Vice Guide zum Überleben in Wien.
Grafik: VICE Media

Österreich ist gar nicht so einfach. Steirer hassen Kärntner und Kärntner Steirer, die meisten Oberösterreicher die Mühlviertler und überhaupt jeder die Wiener—und es gibt auch sonst nur wenige Dinge, die man auf ganz Österreich umlegen kann.

Die einen sehen aus wie Gämsen, die anderen ein bisschen wie Kartoffeln, wenn sie mehr schwitzen wie Schweine; es gibt die, die an Weihnachten Würstel essen und die, bei denen es Fisch sein muss; einer macht Reindling, der nächste kocht im Reindl; während der eine Paradeiser sagt, lacht ihn der andere dafür aus und kein Mensch weiß, was die Vorarlberger eigentlich reden.

Deswegen starten wir mit dem heutigen Tag einen Guide zum Überleben in den Landeshauptstädten. Irgendwann muss nämlich jeder mal durch St.Pölten fahren, in Eisenstadt tanken oder in Wien binnenausgewanderte Verwandte besuchen.

Den Beginn macht auch gleich die Hauptstadt, die wie gesagt im Rest von Österreich nur mäßig beliebt ist. Wien ist das Apple-Produkt unter den Österreichstädten: Viel zu teuer für das, was man bekommt, ein bisschen arrogant gegenüber allen anderen, aber sobald man selbst dazugehört, findet man es das Beste auf der Welt und will nie wieder ein schlechtes Wort darüber hören.

Von der U6, dem Bierkavalier und den bösen Dealern bei den Stationen hat man auch schon in der Provinz mal gehört—nur wie verhält man sich, um nicht tot in Floridsdorf von der U-Bahn-Security geborgen werden zu müssen? Wir sagen euch, wie ihr Wien und seine Einwohner überlebt:

  • Beachte beim Fahren in der U6 immer die Fahrtrichtung. Setze dich so hin, dass das Urin/die Kotze nicht zu dir, sondern von dir weg rinnt.
  • Wenn dein Pass gestohlen wird, kein Problem. Du musst dir keinen neuen Pass um viel Geld machen lassen, sondern kannst am Viktor-Adler-Markt einen kaufen.
  • Achte beim Pass-Kauf am Viktor-Adler-Markt darauf, dass dir das Foto zumindest ein bisschen ähnlich sieht.
  • Der beste Mensch der Stadt ist die Besitzerin des Café Malipop. Behandle sie dementsprechend.
  • Menschen, die Mozart-Kugeln mögen, sind auch die Menschen, die Sound of Music und Sissi gesehen und gemocht haben. Meide sie.
  • Geh nicht ins Loco, um Cocktails um einen Euro zu trinken.
  • Geh nicht ins Loco.
  • Wenn du Marcus Franz auf der Straße begegnest, rufe "Gender ist nicht naturgegeben!!!" Er wird sich so schnell er kann wieder zu seiner Familie zurückziehen.
  • Fahr zu Stoßzeiten nicht mit dem 13A.
  • Achtung! In der U6 wird man von jungen "Multikultis" angerempelt und fühlt sich danach "multikulti".
  • Achtung! Wenn du in die U6 einsteigst und nicht aufmerksam bist, kommst du vermutlich heroinsüchtig wieder heraus.
  • Steh nicht links auf der Rolltreppe.
  • Ausnahme: Wenn die Rolltreppe kaputt ist, was ständig passiert, kannst du stehen, wo du willst.
  • Sei nicht schockiert, wenn plötzlich mehrere schick gekleidete Menschen durch die Gegend laufen, die irrational viele Schnittwunden im Gesicht haben. Es ist wahrscheinlich der letzte Freitag im Januar.
  • Sag "mei", "passt scho", "schau ma moi" und "Schmafu". Niemand hier sagt Schmafu, aber es ist ein Wort, das mehr Leute sagen sollten.
  • Wer es schafft, am Wochenende vor 9:00 Uhr in einem Wiener Kaffeehaus zu sitzen, wird eine Parallelwelt aus Kettenrauchern, Witwe(r)n und den letzten Printkonsumenten kennenlernen.
  • Wenn du außerhalb des 4., 6. und 7. Bezirks etwas Vegetarisches bestellst, dann sind es entweder gebackene Champignons oder es ist mit Speck gewürzt.
  • Die Pizza am Praterstern ist die beste Pizza der Stadt—ab 23:00 Uhr und zwei Promille zumindest.
  • Steh wirklich nicht links auf der Rolltreppe!
  • Geh nicht im Brunnen am Karlsplatz baden. Halt auch nicht deine Füße rein. Wenn es so etwas wie Taubenaids gibt, dann schwimmt es dort herum.
  • Kauf Gerry vom Gürtel einen Augustin ab. Du wirst auch überleben, wenn du es nicht tust. Aber du wirst mit besseren Geschichten weiterleben, wenn du es doch tust.
  • Fang gar nicht erst an, dich über den Wind aufzuregen, wenn du dich nicht als Zugereister outen willst.
  • Geh nie nie nie in eines dieser Restaurants.
  • Frag den Bierkavalier, ob er mit dir auf ein Bier geht, bevor er dich fragen kann, weil er dann so verwirrt ist, dass er weder auf die Einladung eingeht, noch selbst fragt.
  • Kauf deine Sachen nicht am Naschmarkt, sondern am Brunnenmarkt.
  • Geh nicht um 5:00 Uhr morgens nach dem Fortgehen zum Naschmarkt-Flohmarkt. Du bist einer von wenigen Betrunkenen, die Verkäufer riechen das und werden dir einreden, dass du unbedingt einen Pelzmantel um 500 Euro brauchst. Der Rest der Käufer trägt Stirnlampen und würde töten für den richtigen Thonet-Kleiderständer. Es ist kein guter Ort.
  • Miete keine Altbauwohnung, wenn du (noch) nicht reich bist und keine Lust hast, dein gesamtes Einkommen in Heizkosten zu investieren.
  • Wenn du eine WG suchst, schau, dass zwischen den Zimmern keine Flügeltüren sind. Da kannst du gleich ein Loft nehmen und aus Vorhängen Wände bauen.
  • Rigipswände sind auch nicht besser.
  • Geh nie durch die kleinen verwinkelten Gassen des 1. Bezirks. Nichts hier ist rechtwinklig und du wirst nie wieder rausfinden.
  • Jeder, den du hier nach dem Weg fragen könntest, ist Tourist und genauso verloren wie du. Er oder sie hat höchstwahrscheinlich auch Sound of Music gesehen und gemocht. Du weißt, was zu tun ist.
  • Das Phil ist super, aber viel zu hell für Dates.
  • Geh samstags nicht auf die Mariahilfer Straße. Noch weniger an Samstagen vor Weihnachten.
  • Geh sonntags in keinen der wenigen Supermärkte, in denen man sonntags einkaufen kann.
  • Wenn du die Warnung nicht ernstgenommen hast und du trotzdem samstags auf die Mariahilferstraße oder sonntags in den Billa am Praterstern gehst, nimm Pfefferspray mit, um dir den Weg freizuräumen. Nicht weil dort gesellschaftliche Randschichten vertreten sind, sondern wegen anderen Leuten wie dir, von denen es hier viel zu viele gibt.
  • Geh nicht aufs Donaukanaltreiben. Tu es einfach nicht.
  • Die Qualität der Friseure wird hier an der Kreativität des Wortspiels mit Haar gemessen. Wer in Läden mit Namen wie "Haarmonie" geht, bekommt auch eine dementsprechende Frisur.
  • Wenn es stinkt wie Sau, dann bist du in der Nähe der Manner-Schnitten-Fabrik oder der Ottakringer Brauerei. Sag, dass du den Geruch liebst, um nicht aufzufallen.
  • Stell am letzten Freitag im Januar in der Innenstadt keinen Mülleimer auf—außer du willst ein halbes Jahr in U-Haft sitzen.
  • Bereite dich auf Wien und seine extremen Hitzeunterschiede vor, indem du abwechselnd deinen Kopf in Brand steckst und dann mit Eiswasser löschst.
  • Sieh ein, dass in dieser Stadt der Kellner König ist und verhalte dich dementsprechend.
  • Versichere deiner Oma regelmäßig, dass in Wien kein Bürgerkrieg herrscht und mach Fotos von schönen Orten, die du ihr einmal in der Woche zur Bestätigen schicken kannst.
  • Heb Fotos auch für die Zeiten auf, in denen tatsächlich Bürgerkrieg herrschen wird oder du dem Mädchen, das gerade Cocktails für einen Euro im Loco getrunken hat, in der U6 mit einer Hand die Haare hältst, während sie sich übergibt. Schnell ein Foto vom schön beleuchteten Schloss Schönbrunn an die Oma schicken und sagen, dass du schon für morgen was vorgekocht hast.
  • Wenn jemand nicht zu dir in den Aufzug steigt, wundere dich nicht. Die unangenehme Stille ist unerträglich und jeder versucht, sie zu vermeiden. Umgekehrt solltest du auch nicht in einen Aufzug steigen, in dem schon eine Person steht. Meide überhaupt andere Personen.
  • Immer wenn man zur 2er Straßenbahn kommt, fährt sie weg und man muss 12 Minuten warten.
  • Wenn du dich integrieren möchtest, beginne, dich über alles aufzuregen. Menschen, Wetter, dass die U-Bahn erst in vier Minuten kommt, dass man dort dann keinen Sitzplatz mehr bekommt oder nur einen, bei dem man gegen die Fahrtrichtung sitzt.
  • Geh nicht aufs Donauinselfest. Du musst es auch nicht "mal gesehen haben". Lass es.
  • Wirklich. Tu es einfach nicht.
  • Wenn du studierst und kein Geld hast, geh zu Deewan.
  • Lass bei Deewan nicht nur zwei Euro da, weil du kein Geld hast. Man kann hier zwar so viel bezahlen, wie man für richtig hält, aber niemand mag Menschen, die sich für zwei Euro ein Essen erschnorren. Außer du möchtest, dass man sich über dich aufregt. In dem Fall: Gut gemacht.
  • Wenn du Publizistik, Politikwissenschaft, Kultur- und Sozialanthropologie oder Theater-, Film- und Medienwissenschaft studierst, starte nebenher früh genug deine Karriere als Taxifahrer.
  • Lass dich zwei Tage als Kellner in einem der Cafés ausbeuten, die großspurig viel Geld versprechen, dich einen Tag gratis arbeiten lassen und danach umgerechnet zirka 3 Euro die Stunde zahlen. Spuck am Ende des zweiten Tags dem Chef in den Kaffee und kündige.
  • Such dir danach einen anderen Job und achte drauf, dass hier wenigstens vier Euro die Stunde bezahlt werden.
  • Wenn du verrauchte Orte nicht leiden kannst, meide bis 2018 jedes Wiener Beisl oder traditionelle Kaffeehaus. Mach dir nicht zu große Hoffnungen, dass sich das 2018 tatsächlich ändern wird. Schließlich liegt Wien in Österreich.
  • Versuche erst gar nicht, Dinge zu verändern.
  • Wenn du einen Titel hast, sag und schreib ihn überall dazu. Bei deiner Willessen-Bestellung, auf deine Billa Vorteilskarte, beim Bäcker. "Drei Semmeln für den Hofer B.SC. bitte." Wenn du einen Titel hast, ist es OK, wenn du in der dritten Person über dich redest.
  • Wenn dir vor dem Flex jemand etwas verkaufen will, kauf es nicht.
  • Wenn dir im Flex jemand etwas verkaufen will, kauf es nicht.
  • Sei nie zufrieden. Mit nichts (außer vielleicht deiner Melange).
  • Auch nicht mit dieser Liste.
  • Drücke diese Unzufriedenheit durch ständiges Kopfschütteln und leises Vor-dich-her-Murmeln aus.
  • Leise ist dabei sehr wichtig, weil Wiener es nicht mögen, wenn etwas zu laut ist. Sonst könnte man sich noch wie in einer Großstadt fühlen. Nichts ist dem Wiener mehr zuwider als das.