Alligatoah Interview mit Tapir
Foto: Rebecca Rütten

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das erste date mit

Das erste Date mit ... Alligatoah

"Man muss zwischendrin immer mal wieder was mit Sperma oder Penis sagen. Das ist das ganze Geheimnis." Wir waren mit Alligatoah Tapire füttern und haben über Polygamie, Geister und Selbsthass gesprochen.

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Eigentlich sind Alligatoren und Tapire natürliche Feinde. Aber welcher Anlass wäre besser geeignet, Fressfeinde in Liebe zusammenzuführen, als ein erstes Date? Also überwanden wir mit Alligatoah die Zäune der Feindschaft und des Berliner Zoos, um gemeinsam Tapire zu füttern. Alligatoah ist schließlich kein Standard-Rapper – weder als Solokünstler noch als Teil von Trailerpark. Nicht umsonst nennt er sich selbst den "Märchenerzähler des Rap". Also kam auch ein Standard-Date mit Kerzen und Fleischbällchen-Spaghetti nicht in Frage. Tapire und Leinsamen it is.

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Während wir Pablo und Maya Karotten und Apfelstückchen in die lächelndeln Mäulchen unter ihren Rüsseln schoben, philosophierten wir mit Alligatoah über Polygamie, Geister und den unausweichlichen Selbsthass eines jeden Texteschreibers. Im Hintergrund grunzten die Tapire den Soundtrack und für kurze Zeit war die Welt in Ordnung.

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Noisey: Hier bietet sich natürlich eine klassische Kennenlernfrage an. Was ist dein Lieblingstier?
Alligatoah: Das ist leicht: der Vogel Strauß.

Die haben ein tolles Balzverhalten. Ja, das stimmt. Ich finde sie vor allem einfach schön. Aber der Tapir ist auf jeden Fall hart underrated. Alpacas sind ja ziemlich gehypt im Moment. Vielleicht verhelfen wir ja dem Tapir zum nächsten großen Hype der Tierwelt.

Das wäre nur fair. Guck, wie cool er ist, er hat sogar ein Taschenmesser.
Und einen Iro! Ich bleibe trotzdem erstmal noch dem Vogel Strauß treu.

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Noch! Was ist deine Lieblingsfarbe?
Orange.

Oh nein, ich hasse Orange. Orange und Gelb.
Na, dann können wir das Date eigentlich gleich hier und jetzt beenden.

Bevor es so weit kommt, führen uns die Pfleger in den Stall der Tapire, oder wie Alligatoah sagt, “in den Tapir-Backstage”. Dort werden wir erstmal intensiv über die Ernährung des Tapirs (vegan) und über dessen außergewöhnlich langen und empfindlichen Darm aufgeklärt, bevor wir ins Gehege dürfen.

Das ist aber kein schönes Date-Thema.
Darm mit Charme. Ein sehr sympathisches Tier. Sieht man schon am Iro.
Pfleger: Das ist kein Iro, das ist ein Fettkamm.

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Wird immer besser.
Pfleger: Der Fettkamm schützt den Tapir vor den gezielten Halsbissen der Jaguare, ihrem größten Fressfeind. So werden bei einem Biss keine wichtigen Gefäße verletzt und die Tiere können noch fliehen.
Alligatoah: Wir sollten alle unsere Fettkämme mehr zu schätzen wissen. So ein Doppelkinn ist vielleicht auch eine Schutzfunktion gegen Halsbisse. Oder Enthauptung.

Sehr vorbildlich, diese Tapire. Ich kann es kaum erwarten, sie zu treffen.
Pfleger: Nur eine Warnung: So wie männliche Hunde das Bein heben, spritzen Tapirmännchen ihren Urin einfach nach hinten raus. Stellt euch also nicht direkt hinter Pablo, wenn ihr nicht angepinkelt werden wollt. Das macht der manchmal auch mit Absicht. Gibt ein paar weiße Flecken.

Das dürfte für jemanden, der Trailerpark-Shows spielt, ja kein Problem sein .
Es wäre zumindest mal was Neues, von einem Tapir angepisst zu werden.

Wir treten durch das Gatter, Pablo und Maya trotten direkt fröhlich mit den Rüsseln wedelnd auf uns zu. Allgemeine Entzückung und quietschende Geräusche entfleuchen sämtlichen Mündern, ob Tier oder Mensch. Eigentlich fast wie bei einer Trailerpark-Show. Die Kinder auf der anderen Seite des Geheges beobachten neidisch, wie wir die Tapire streicheln, die zunehmend aufdringlicher werden. Mit vollem Körpereinsatz müssen wir unseren Futter-Eimer vor den frechen Rüsseln verteidigen. Plötzlich entfährt einem Tapir ein kehliges Geräusch.

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Alligatoah: Ich glaube, der Tapir hat mich gerade angespuckt. [Er hebt eine vollgesabberte Hand hoch.]
Pfleger: Nein, das war nur ein Huster. Tapire erkälten sich im Herbst und Winter gerne mal, so wie wir.

Wusstest du, dass der Tapir einen sehr langen Penis hat?
Du willst nur, dass ich nachsehe, damit er mich anpinkelt!
Pfleger: Man könnte es das fünfte Bein nennen. Wenn er ausgeschaftet ist, können die Tapire sogar drauftreten.
Alligatoah: Wie so ein Teleskop-Penis. Ich bin baff. Ich könnte hier den ganzen Tag verbringen.

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Ich würde gerne mal einen Tag damit verbringen, dir beim Schreiben zuzusehen. Deine Texte sind ja wie ausgeklügelte kleine Kurzgeschichten. Nur in Reimform. Ich liebe es ja, Leuten beim Arbeiten zuzusehen.
Da hättest du aber nicht viel Spaß bei mir. Ein Tag würde da auch nicht reichen. Ich lasse Texte oft ganz lange liegen und mache gar nichts daran. Wenn sie dann genügend gereift sind und mir eine neue Idee kommt, setz ich mich wieder dran. Das ist auch gar kein so cooler Prozess.

Schreiben ist Leiden.
Schafft Leiden – eine Leidenschaft! Aber dafür ist es auch ein unglaubliches Hochgefühl, wenn man es dann geschafft hat.

Hast du noch so Momente, in denen du dir denkst: Was soll die Scheiße eigentlich?
Durchaus. So: "Fuck, was mach ich hier eigentlich? Wäre es nicht viel leichter, einen Beruf zu haben, wo Dinge einfach vorgegeben sind?"

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Was wäre denn so ein Flucht-Beruf für dich?
Das passt eigentlich nicht in die heutige Zeit, aber ich würde gerne Pyramiden in Ägypten bauen. Einfach mal Steine schleppen. So was richtig Stumpfes machen.

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Wo wir bei Arbeit sind: Stimmt es, dass du dir monatlich nur ein geringes Gehalt auszahlen lässt, von dem du bescheiden lebst?
Aha. Nein, das stimmt nicht. Woher kommt das denn?

Die Straße spricht.
Als der große Ruhm, die Aufmerksamkeit und damit auch der finanzielle Erfolg kam, habe ich sehr lange noch genauso gelebt wie vorher: als Hustler in Neukölln schwarzfahrend die Euros für die Nudelsuppe sparend. Das abzulegen, hat echt gedauert.

Du warst quasi der Anti-Lottogewinner.
Ja, quasi. Einerseits, weil ich es noch nicht so richtig geglaubt habe. Andererseits, weil ich nie auf mein Konto geguckt habe. Ich bin nicht so gut mit Zahlen.

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War Geld denn für dich je ein Ziel?
Ich habe das ja nicht geplant. Ich hatte eigentlich immer Musik gemacht, mit dem pochenden Hintergedanken im Kopf: "Scheiße, irgendwann musst du dir aber mal 'nen Job suchen, um dich über Wasser zu halten." Glücklicherweise ist es so gekommen, dass ich von der Musik leben kann. Geld war also eher praktisch für mich, kein Ziel, dem ich nachgejagt bin.

Hat es dich verändert?
Ich wünschte, Geld würde mich verändern. In dem Sinne, dass ich mal lernen würde, damit umzugehen. Ich kann immer noch nicht rechnen und ich bin immer noch ein schlechter Geschäftsmann.

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Ich habe noch ein zweites Gerücht: Stimmt es, dass es dein Traum ist, einmal in einer Mühle zu leben?
[Lacht] Woher weißt du das? Also ich würde es nicht als großen Traum bezeichnen. Aber wenn ich mal fest und lange woanders leben wollte, dann wäre 'ne Mühle ganz hoch im Ranking. Leuchtturm ist ein bisschen zu kitschig und zu sehr am Wasser. Hausboot fände ich auch toll. Da bin ich Kelly-Family-mäßig beeinflusst.

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Die haben auf einem Hausboot gelebt?
Ja, zu neunt oder wie viele das waren. Damit sind die dann durch die Gegend geschippert. Ich bin Kelly-Fan der ersten Stunde. Meine ältere Schwester hat mich da versaut.

Was ist dein Lieblingslied von ihnen?
Wahrscheinlich "Fell In Love With An Alien". [Lacht] Aber das Schöne an der Kelly Family war, dass die auch so öko- und hippiemäßig drauf waren – so wie ich auch aufgewachsen bin. Essen aus dem Biomarkt oder Reformhaus, nur Spielzeug aus Holz …

Statt Süßigkeiten diese staubigen Reiswaffeln?
Genau.

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Apropos Mühle: Meiner Oma ist in einer alten Mühle mal ein Geist begegnet.
So, so.

Meine Oma lügt nicht!
Natürlich lügt sie nicht. Vielleicht war es aber auch nur ein verkleideter Mann, den die als Touristen-Attraktion dort hinbestellt haben.

Das wäre doch die perfekte Exit-Strategie für dich: Geist-Spielen in deiner eigenen Mühle!
[Blickt verträumt lächelnd auf die grasenden Tapire] Ja! Ich verkleide mich ja auch so gern. Aber ich halte nicht so viel von Geistern, Hexen und Dämonen. Vielleicht ist das die Rebellion gegen mein spirituelles, alternatives Elternhaus.

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Woran glaubst du dann?
An die Musik!

Und natürlich auch an die Liebe. Auf Schlaftabletten, Rotwein V sind mit "Beinebrechen", "Meine Hoe", "Freie Liebe", und irgendwie auch "So gut wie neu" immerhin vier Lieder über die Liebe.
Eigentlich bist du bei unserem Date deswegen auch total im Vorteil. Du weißt schon, worauf du dich einlässt. Schlaftabletten, Rotwein V ist ja eine Reihe, auf der ich verschiedene Themen wieder aufgreife. Und Liebe ist nun mal das Thema, über das die meisten Songs geschrieben werden.

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Wie schafft man es, trotzdem nicht kitschig zu sein? Wobei deine Musik durchaus auch mit Kitsch spielt.
Es ist eigentlich ganz einfach: Man muss zwischendrin immer mal wieder was mit Sperma oder Penis sagen. Das ist das ganze Geheimnis.

Hier sind Kinder!
Pardon. [Etwas leiser] Das Wichtigste ist für mich, alle Seiten zu beleuchten. Dann kann man auch ein Thema wie beispielsweise Polygamie schön behandeln. Das ist ja an sich ein schönes Konzept und hat viele gute Seiten. Aber wenn man Leute darüber sprechen hört, dann reden die meisten von Licht und Energie und Wellen. Aber worum es dabei eben auch geht, sind Körperflüssigkeiten – Schweiß, Speichel und Sperma. Alle diese Emotionen gehören zusammen und dürfen alle in ein Lied passen. Daran zu erinnern, macht mir Spaß.

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Schweiß und Speichel – wer mag, auch Sperma – kann perfekt bei Alligatoahs "Wie Zuhause-Tour 2019" ausgetauscht werden. Denn wie in seinen Songs, gehören auch auf seinen Konzerten alle Emotionen zusammen. Hier die Dates:

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10.01.2019 | Frankfurt – Jahrhunderthalle
11.01.2019 | Saarbücken – Saarlandhalle
18.01.2019 | Wien – Gasometer
19.01.2019 | München – Zenith
24.01.2019 | Hannover – Swiss Life Hall
25.01.2019 | Bremen – ÖVB-Arena
26.01.2019 | Köln – Lanxess-Arena
27.01.2019 | Leipzig – Arena
02.02.2019 | Berlin – Max Schmeling Halle
03.02.2019 | Hamburg – Sporthalle

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