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Ist die britische Königsfamilie endgültig am Arsch? Wir haben eine Britin gefragt

War Harry nicht der Nazi-Prinz? Was haben die Royals jemals Gutes für euch getan? Wer zum Teufel ist Piers Morgan und warum hasst er Meghan Markle?
Auf einem Balkon steht die ganze königliche Familie, Meghan und Harry eher im Hintergrund
Foto: Imago | PPE

Seit einer Woche brennts so richtig bei den britischen Royals. Auf dem Laufenden zu bleiben, während man die langsame Implosion der Monarchie beobachtet, ist gar nicht so einfach.

In kurz: Prinz Harry und Meghan Markle haben zum ersten Mal erklärt, warum sie ins Exil in die USA gegangen sind. Die Vorwürfe sind ziemlich hart: Rassismus, Depressionen, Lügen und Heimlichkeiten. 

Harry nannte den Palast ein "giftiges Umfeld". Meghan überlegte während ihrer Schwangerschaft, sich das Leben zu nehmen. Jemand aus der Königsfamilie habe währenddessen über Baby Archies mögliche Hautfarbe spekuliert. Und dann war da noch ein frustrierter, weißer TV-Moderator, der nach seiner seltsamen Obsession mit Meghan gefeuert wurde.

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Damit ihr nicht wie wir jeden einzelnen Boulevardartikel zum Thema abgrasen müsst, um diese komplizierte Matrix halbwegs zu entwirren, haben wir unserer britischen VICE-Kollegin Helen Thomas die drängendsten Fragen gestellt.

VICE: War Harry nicht der Nazi-Prinz?
Helen Thomas:
Irgendwie komisch, mit Deutschen über dieses Thema zu reden, aber ja, Prinz Harry hat sich für eine schicke Kostümparty mal als Nazi verkleidet.

Ist die Queen der Bösewicht in dieser Story?
Eigentlich haben Meghan und Harry nur Gutes über sie gesagt. Meghan hat zum Beispiel erzählt, dass die alte Dame auf dem Rücksitz eines Autos eine Decke mit ihr geteilt hat und allgemein immer super drauf ist. Außerdem haben die beiden abseits der Kameras betont, dass es nicht die Queen und ihr Mann waren, die die rassistischen Kommentare bezüglich der Hautfarbe ihres Babys gemacht haben.


VICE-Video: Der furchteinflößendste Schuldeneintreiber Großbritanniens


Man weiß nicht genau, wer diese Kommentare abgelassen hat, aber die Internetgemeinde scheint sich ziemlich sicher zu sein, dass es Harrys Vater, also Prinz Charles war. Zur aktuellen Beziehung zu seinem Vater sagte Harry nur, dass es da "viel Arbeit" gebe.

Ist Meghan die neue Diana?
Meghan und Diana sind beide absolut wundervolle Frauen, sie haben die Steifheit und die Kälte des Palasts offenbart. In ihrem Interview mit Oprah hat Meghan verraten, dass sie während ihrer Zeit in der königlichen Familie oft an Suizid gedacht hat. 1995 gab Diana ein ähnliches Enthüllungsinterview, in dem sie offen ihre psychischen Gesundheitsprobleme – inklusive Bulimie und postnatalen Depressionen – ansprach. 

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Sowohl Meghan als auch Diana hatten nicht das Gefühl, die nötige Hilfe und Unterstützung von Seiten der königlichen Familie zu erhalten. Gewisse Parallelen sind also nicht von der Hand zu weisen.

Ist es kein Grund zu feiern, eine schwarze Prinzessin zu haben?
Doch, natürlich. Aber ein Großteil der britischen Medien hat entschieden, dass das eine schlechte Sache war.

Warum sollten uns die Royals überhaupt interessieren?Berechtigte Frage. Ich glaube, der britischen Bevölkerung ist die königliche Familie aus zwei Gründen wichtig. Erstens wird sie zum Teil mit öffentlichen Geldern finanziert und ist das Gesicht des Establishments. Und zweitens ist sie unglaublich reich und lebt in riesigen Anwesen – ähnlich wie die Kardashians. Soll heißen: Die Royals sind Promis, und Briten lieben Promis. So wie Deutsche Wurst und Techno lieben, glaube ich.

Würdest du empfehlen, dass wir in Deutschland die Monarchie wieder einführen?
Nein. Obwohl die Royals bei uns genug spannenden Stoff für vier exzellente Staffeln von The Crown geliefert haben. Und es ist auch ganz schön, dass hier Leute, die keiner politischen Partei angehören, Auszeichnungen verleihen und neue öffentliche Gebäude einweihen können.

Aber ihr habt in Deutschland doch einen Bundespräsidenten? Ich habe mir gerade den Wikipedia-Eintrag zu diesem Amt angeschaut, der würde sich ohne seine politische Macht doch dafür eignen? Oder ihr nehmt jemanden, der unterhaltsamer ist. Heidi Klum zum Beispiel.

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Macht es euch wütend, Steuern für eine alte Familie zu zahlen, die eigentlich nur lahm in Schlössern rumsitzt? 
Die Leute, die diesen Zustand aktiv ändern wollen, sind leider hoffnungslos in der Unterzahl. Ich persönlich bin auch kein Fan der Monarchie, aber gerade gibt es hier wirklich dringendere Probleme, etwa die Klimakrise oder diesen nutzlosen, rassistischen Egomanen, der unser Land regiert.

Was die Steuern angeht: Ja, wir zahlen quasi für die königliche Familie, aber das ist nur eine ihrer vielen Einkommensquellen. Die Royals besitzen beispielsweise auch viel Geld, das sie in private Anwesen angelegt haben, und zahlen selbst Steuern. 2019 haben die Royals jeden Briten und jede Britin ungefähr 1,24 Pfund in Steuern gekostet. Eigentlich sind es nur rund 70 Pence, aber derzeit wird der Buckingham Palace renoviert.

Gibt es jetzt mehr Menschen, die die Monarchie endlich abschaffen wollen?
Ich glaube, in der jüngeren Generation ist eine anti-monarchistische Einstellung weiter verbreitet. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass trotzdem nur 17 Prozent der Briten glauben, dass das Land ohne die Monarchie besser dran wäre. Das ist zwar ein kleiner Anstieg von den 15 Prozent im Jahr 2018, aber immer noch recht wenig. Hier in Großbritannien lässt man lieber alles beim Alten, deshalb wählen auch so viele Leute weiter Fast-Faschisten, die den Bedürftigen das Geld wegnehmen.

Warum verteidigen die Briten die königliche Familie auch noch nach Jahrzehnten voller Skandale?
Es heißt einfach immer: "Die Royals bringen uns durch den Tourismus so viel Geld, dass sie sich quasi von selbst finanzieren!" Das Problem bei diesem Argument: Das meistbesuchte Land der Welt ist Frankreich – und dort haben sie die königliche Familie damals geköpft und den Palast in ein Museum verwandelt. Vielleicht sollten wir das Gleiche tun. Obwohl ich ja eine riesige Bäckereifiliale im Buckingham Palace besser fände.

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Abgesehen von pompösen Hochzeiten und dekorativen Souvenir-Kaffeetassen: Was haben die Royals jemals Gutes für euch getan?
An dieser Stelle muss ich auch mal ein gutes Wort über die königliche Familie verlieren, denn die Royals haben ja auch gewisse Aufgaben: Sie kümmern sich um Staatsgäste, Botschafter und wichtige öffentliche Personen, sie zeichnen Leute aus, die im Sport, in der wohltätigen Arbeit oder im Entertainment-Bereich Großes geleistet haben und sie setzen sich auch selbst viel für wohltätige Zwecke ein. Über 3.000 Wohltätigkeitsorganisationen führen ein Mitglied der königlichen Familie als Schirmherr oder Schirmherrin an. Viele der Mitglieder haben auch selbst Wohltätigkeitsorganisationen gegründet. Ein Artikel aus dem Jahr 2012 besagt, dass Charitys mit der Queen als Schirmherrin in einem Jahr 1,4 Milliarden Pfund an Spenden gesammelt haben. Der Think Tank Giving Evidence hat 2020 jedoch herausgefunden, dass 74 Prozent der britischen Wohltätigkeitsorganisationen mit königlichen Schirmherren 2019 kein einziges Mal von ihnen öffentlich beworben wurden.

Außerdem bringt es nur etwas, einen königlichen Schirmherren für Status und Ansehen vor die eigene Wohltätigkeitsorganisation zu spannen, wenn dieser Royal in der Öffentlichkeit steht, beliebt ist und keine Probleme mitbringt. Vergleichen wir hier mal Diana und Prinz Andrew. Diana war extrem beliebt, hatte einen hohen Bekanntheitsgrad und brachte keine Probleme mit. Sie nutzte ihre Position, um eine Brücke zwischen dem Establishment und der normalen Bevölkerung zu schlagen. Sie umarmte AIDS-Patienten und Leprakranke, um der Welt zu zeigen, dass man diese Menschen nicht fürchten muss. Prinz Andrew hingegen ist – obwohl er ein komplett blaublütiges Mitglied der königlichen Familie ist – extrem unsympathisch und problematisch. Die meisten Wohltätigkeitsorganisationen würden wohl nicht mal mehr im Traum an eine Zusammenarbeit mit ihm denken.

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Wer zum Teufel ist Piers Morgan und warum hasst er Meghan Markle?
Ich sage es mal so: Piers Morgan ist eine Bettwanze, die britischen Medien sind die Matratze, in der er lebt, und die Einschaltquoten sind das Blut, an dem er sich nährt. Angefangen hat er als Journalist für verschiedene Revolverblätter, später war er der Herausgeber der Boulevardzeitung News of the World und arbeitete während des Telefonhack-Skandals für die Daily Mirror. Er hat bei Britain's Got Talent als Juror fungiert und schleimte sich bei jeder Gelegenheit bei Donald Trump ein – bis der bei der Präsidentschaftswahl 2020 den Kürzeren zog. Morgans aktuellster Job war Moderator bei Good Morning Britain, einer der beliebtesten Morgenshows im britischen Fernsehen. Aber eigentlich ist er da immer nur seiner Co-Moderatorin Susanna Reid und den Gästen ins Wort gefallen.

Was man bei Piers Morgan wissen muss: Er braucht immer ein Thema, über das er sich aufregen und mit anderen Leuten streiten kann. Das bringt gute Einschaltquoten. Und die Produzenten schlachten Morgans krude Ansichten dann gnadenlos aus. Einmal war dieses Thema zum Beispiel Transmenschen. Zuletzt hat sich Morgan auf Meghan und Harry eingeschossen, er bezeichnete die beiden als die "verwöhntesten Gören überhaupt" und pushte die natürlich haltlose Verschwörungstheorie, dass der Austritt aus der königlichen Familie von der bösen amerikanischen Hexe Meghan eingefädelt worden sei. Als dann das Oprah-Interview ausgestrahlt wurde, war Morgan richtig sauer:

Er sagte, dass er Meghan kein Wort glaube, und warf ihr vor, die ganze Geschichte mit der ausbleibenden Hilfe von Seite der königlichen Familie nur erfunden zu haben. Das alles gipfelte darin, dass Morgan – nachdem ein Morgenshow-Gast erwähnte, dass Meghan ihn seit ihrer Beziehung mit Harry "ghostet" (das behauptet Morgan) – wie ein wütendes Kleinkind aus dem Fernsehstudio stapfte. Es folgte ein Shitstorm und Morgan verkündete, die Sendung nicht mehr zu moderieren. Später schrieb er noch einen Tweet über Redefreiheit und verglich sich mit Winston Churchill. Sehr witzig.

Wird Alex Beresford, der smarte Wetteransager, der Piers Morgan live im Fernsehen angeprangert hat, jetzt befördert?
Ich drücke die Daumen.

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