Popkultur

'The Mandalorian' wirft uns zurück zum 90er-Fernseh-Trash

Serien wurden in den letzten Jahren immer besser. Dann kam 'The Mandalorian' und machte uns wieder zu anspruchslosen Kindern.
Der Mandalorian und Baby Yoda stehen an einer Mauer in der Serie The Mandalorian die uns zurück in die Zeit des 90er-Jahre-Tras holt
Foto: imago images | cinema publishers collection

Ihr konntet es einfach nicht ertragen. Wenn man dem Menschen zu viel Freiheit gibt, wird er zurück wollen in das muckelige Gefängnis der Gewohnheit. The Mandalorian wirft uns zurück in die 90er, nimmt uns die Errungenschaften moderner Erzählkunst und macht uns wieder zu infantilen Zuschauern ohne jeden Anspruch. 

Dabei waren wir auf einem guten Weg. Erst zeigte uns HBO mit den Sopranos oder The Wire, was tiefes, durchdachtes Fernsehen kann. Dann brachte uns Netflix das All-U-Can-Eat-Buffet der medialen Unterhaltung ans Bett. The Mandalorian nimmt uns all das wieder weg. Und wir lieben es, als wäre 1998 und wir dürften jeden Freitagabend vor dem knisternden Röhrengerät sitzen, das so wohlig kribbelt, wenn man ihm zu nah kommt.

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Serien in den 90ern waren endlose Wiederholung: Heldinnen und Helden, die zu Beginn einer Folge vor eine Aufgabe gestellt wurden, diese lösten und am Ende wieder da waren, wo sie begonnen hatten. Denkt an Friends, denkt an Xena, Baywatch oder die Power Rangers. Wichtig war, dass die Helden zu Beginn der nächsten Folge dieselben waren, damit das Publikum wusste, worum es geht, selbst wenn es mal eine Folge verpasst hatte. Auch der Mandalorian entwickelt sich nicht weiter, er ist der Hercules, der rote Ranger oder der Mitch Buchannon des modernen Fernsehens.

Auch er kriegt eine Quest pro Woche. So ziemlich jede Folge hat die gleiche Struktur. Plot gibt es kaum und wenn doch, ist er extrem vorhersehbar. Der kampferfahrene Söldner mit Rüstung und ohne Gesicht kommt in eine fremde Welt, in der er etwas Bestimmtes zu finden hofft. Bevor er aber bekommt, was er will, muss er noch diese eine Aufgabe erledigen, die irgendein Gatekeeper ihm aufträgt. Das Sandwurm-Monster sprengen, die Stadt von imperialen Truppen befreien oder einen Waffentransporter kapern. Am Ende zieht er weiter, unverletzt, ungebrochen, unverändert. 

Seinen Helm setzt der Protagonist dabei nie ab. Klingt erst mal edgy. Nur tut er das halt doch, wenn es besonders dramatisch wirken soll. Außerdem ist die Gesichtslosigkeit des Helden auch nur ein Symbol für die Grenzen seines Charakters. Dessen mangelnde Entwicklung würde durch den Zwang echten Schauspiels noch deutlicher. So wäre es auch völlig egal, wenn da ein Stuntman in der mandalorianischen Chrombüchse schwitzen und "Schauspieler" Pedro Pascal seinen Text gemütlich aus dem Bett einsprechen würde.

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Die Serie bleibt so simpel, dass sie sich direkt an Kinder zu richten scheint. Klar gibt es einige rauere Szenen, Selbstmord, aufgespießte Stormtrooper-Helme und besagte explodierende Würmer. Nehmen wir aber mal an, dass Eltern ihren Kindern das zumuten möchten, hätten die zumindest kein Problem damit, der Serie zu folgen. Es gibt die Guten und die Bösen und wer wer ist, sieht man schon beim ersten Blick auf die Figuren. Die Bösen sind so offensichtlich böse, dass ein Totenschädel auf schwarzer Militärkappe fast schon subtiler wäre.

Was man der Serie zugute halten muss, ist, wie stylisch die Charaktere designt sind. Es gibt sogar coole Frauenfiguren - auch wenn manche, wie die Trump-Supporterin Gina Carano, im Real Life gar nicht so cool sind. Nur ist recht offensichtlich, dass bei diesen Charakteren zuerst ihre Vermarktbarkeit bedacht wurde. Kinder werden tagsüber mit der Actionfigur des Mandalorianers Schlachten nachstellen und nachts mit Baby Yoda kuscheln wollen. Und stammt nicht auch die Idee, Optik über Inhalt zu stellen, auch aus den 90ern? Ich zumindest habe Baywatch damals nicht des Plots wegen geschaut

Star Wars-Fans werden die Serie verteidigen und sagen, dass das ganze Universum nie so komplex gezeigt worden ist. Sie feiern, dass überall Anspielungen zu finden sind auf Dinge, die noch kommen könnten oder an anderer Stelle bereits aufgetaucht sind. Und das ist wahnsinnig dumm. Wer die ganzen billig animierten Kinderserien nicht gesehen und die Fan-Fiction-Schund-Romane nicht gelesen hat, auf die sich die Serie so stolz bezieht, kann mit vielen der neuen Charaktere nichts anfangen. Die bleiben dann einfach flach. So ist eine orangefarbene Jedi-Frau mit weißen Streifen im Gesicht nämlich nur das: Eine Jedi wie alle Jedis, die man schon gesehen hat. Sie will das Gute, kämpft mit Lichtschwertern und sagt: "Möge die Macht mit dir sein." Das ist so erwartbar wie jeder einzelne Charakter der Friends-Clique, dafür aber immerhin weniger sexistisch. 

Die Serie erscheint einmal pro Woche. Das dient der Hype-Maschine Disneys dazu, dass alle wissen, worum es geht, wenn Star Wars-Nerds ihre Star Wars-Nerd-Kolumnen damit vollschreiben, wie toll die letzte Folge war und welche Verweise auf andere Kinderserien aus der Star Wars-Welt sie darin entdeckt haben. 

The Mandalorian ist unterkomplex, verzichtet auf Charakterentwicklung und kompensiert das durch bunte Effekte, cooles Design und süße Tiere. Ihr könnt The Mandalorian schon gucken. Aber die Serie unterschätzt euch.

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