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Sex

Was bedeutet es, wenn du ohne Gras keinen Spaß an Sex hast?

Experten erklären, wann aus dem natürlichen Aphrodisiakum ein Krückstock wird.
Illustration: Anna DeFlorian

Willkommen zu On Edge, einer Serie über den Stress, mit dem wir uns gerade alle rumschlagen, und darüber, wie wir damit umgehen. Dieser Artikel ist zuerst bei Tonic erschienen. Folge Tonic bei Facebook.

Sex auf Gras ist super. Vorausgesetzt natürlich, dass du überhaupt auf Gras stehst. Sonst ist natürlich dringend davon abzuraten und generell ist Kiffen wie allen Drogen mit großer Vorsicht zu begegnen.

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Vernünftig und in Maßen angewandt ist Cannabis aber ein natürliches Aphrodisiakum. Kein Wunder, dass THC-haltiges Gleitgel in den USA so beliebt ist (lässt sich übrigens auch selbst herstellen). Aber auch ein einfacher Joint kann dich in Stimmung bringen, wenn du mit der richtigen Person (oder den richtigen Personen) zusammen bist.


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Aber wie fast alles Schöne im Leben hat auch bekiffter Sex seine Kehrseite: Was ist mit Menschen, die ohne Gras überhaupt keinen Spaß mehr im Bett haben? Auch wenn die von mir kontaktierten Psychologen und Sextherapeuten sagen, dass dieses Phänomen nicht besonders weit verbreitet sei – die Betroffenen haben mit weitreichenderen Problemen zu kämpfen. Lustlosigkeit ohne Cannabis sei da nur ein Symptom.

Aber erklären wir erst mal, warum Sex und Cannabis unter den richtigen Umständen so gut zueinander passen können. Die Sexratgeberin und Gründerin der 420-freundlichen Lifestyle-Marke CannaSexual Ashley Manta sagt, dass Marihuana dabei helfen könne, dich zu erden und dich präsenter bei deinem Partner oder deiner Partnerin fühlen zu lassen. Es kann Angstgefühle beruhigen, das Gedankenkarussell abbremsen und das körperliche Empfinden verstärken. Dabei eignet sich Cannabis gleichermaßen, um sich vor dem Sex näherzukommen oder beim Vorspiel mehr fallenzulassen. Jedenfalls solange die Dosis stimmt. "Für Menschen mit einem Penis ist es vorteilhafter, eine geringere Dosis zu nehmen, wer eine Vulva hat, hat beim Sex auch eine höhere Toleranzschwelle für Cannabis", erklärt Manta. "Ich rate Menschen, im Zweifelsfall lieber wenig zu nehmen, bevor aus glücklich, kuschelig und euphorisch unwohl, paranoid und verängstigt wird."

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Wenn du auf Cannabis angewiesen bist, um in Stimmung zu kommen, geht dein Problem wahrscheinlich weit darüber hinaus.

Es sei allerdings extrem wichtig, zwischen Cannabis als Werkzeug und Cannabis als Krücke zu unterscheiden, betont sie. Wenn jemand Sex ohne Cannabis nicht genießen könne, so Manta, "spiegelt das wahrscheinlich wider, was für ein Verhältnis diese Person zu ihrem Körper hat oder wie sicher sie sich mit ihrem Partner fühlt". Wenn du auf etwas angewiesen bist, um überhaupt erst in Stimmung zu kommen, dann geht dein Problem wahrscheinlich weit über Cannabis hinaus. Es kann ein Indikator für deine Beziehung zu deinem Partner, zu dir selbst, zu Cannabis oder allen drei auf einmal sein.

"Wenn du abhängig von Cannabis oder einer anderen Substanz bist, kann es passieren, dass du keine normale Alltagstätigkeit ohne den Gebrauch dieser Substanz mehr genießen kannst", sagt Amie Harwick, eine in Kalifornien lebende Ehe- und Familientherapeutin mit Schwerpunkt Sexualität. "In diesem speziellen Fall braucht die Person vielleicht Cannabis, um Sex genießen zu können, aber sie hat wahrscheinlich auch generell das Gefühl, nüchtern nicht unter Leute zu können. Das betrifft alle Lebensbereiche." Das Gleiche gelte auch für Alkohol.

Generelle Probleme mit Intimität, erlebte Traumata oder alles andere, was Menschen davon abhält, Sex genießen oder sich dabei wohlfühlen zu können, kämen ebenfalls als Ursache infrage, ergänzt Harwick.

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"Es gibt Menschen, denen es schwerfällt, sexuelle Intimität zu genießen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Für viele Betroffene ist der Konsum von Cannabis ein Versuch, diese Probleme zu lösen", erklärt Dr. Jordan Tishler, Internist und Cannabis-Experte bei der auf medizinisches Marihuana spezialisierten Praxis Inhale MD. Cannabis kann nämlich alle vier Phasen des Sex verstärken: Verlangen, Erregung, Orgasmus und Befriedigung. Verlangen und Erregung sind Schwankungen unterworfen und stehen bei Frauen oft im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus oder der Menopause. Bei Männern hängen sie eher mit der Laune zusammen. Allen Klischees zum Trotz gäben fast 30 Prozent aller Männer unabhängig vom Alter an, einen schwach ausgeprägten Sexualtrieb zu haben, erklärt Tishler. Gras kann da helfen und dich scharf machen. Und es kann sogar den Orgasmus verbessern. "Cannabis führt zu häufigeren und intensiveren Orgasmen", sagt er und beruft sich dabei auf die Erfahrungsberichte seiner Patienten. "Wenn der Orgasmus befriedigender ist oder mehr Spaß macht, wird auch mehr Oxytocin ausgeschüttet." Oxytocin ist das Liebes- oder Kuschelhormon, das auch bei der Geburt eine wichtige Rolle spielt.

Für Frauen mit Vaginismus bietet Cannabis die Möglichkeit, überhaupt Spaß an Sex zu empfinden.

Es gibt aber auch körperliche Gründe dafür, warum jemand ohne Cannabis keinen Sex genießen kann. Das trifft insbesondere auf Frauen zu, die unter Vaginismus leiden. Dieser kann allein schon das Einführen eines Tampons und erst recht Sex extrem schmerzhaft machen. Diesen Patientinnen rät die in Kalifornien lebende Ehe- und Familientherapeutin Moushumi Ghose, etwas Gras zu rauchen oder entsprechendes Gleitgel zu benutzen. Das würde es ihren Gedanken und Muskeln erlauben, sich zu entspannen. "Diese Frauen hatten vorher keinen Spaß an Sex", sagt Ghose. "Jetzt haben sie immerhin die Möglichkeit."

Und zu guter Letzt hängt natürlich alles von den Umständen ab. "Es kommt darauf an, wie die Individuen ihre Beziehung wahrnehmen. Wenn sie eine lockere Affäre haben, sagen sie vielleicht: 'Wir haben bloß Spaß, also lass uns kiffen und Sex haben'", erklärt Ghose. "Andererseits könnte ein Langzeitpärchen Cannabis verwenden, um etwas Abwechslung in das Sexleben zu bringen." Wie beide Partner zueinander stehen und welche Qualität ihre Beziehung hat, beeinflusst natürlich, wie gut der Sex ist – auch ohne Cannabis. Davon hängt auch ab, ob die Droge sich am Ende überhaupt als Werkzeug anbietet, um das Beste aus ihrer sexuellen Chemie rauszuholen.

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