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Popkultur

Fragen, die dieses Foto von Richard David Precht aufwirft

Wer hat ihm nur gesagt, die Frisur sei eine gute Idee?
Foto: Screenshot Twitter | RTL

Es gibt Momente im Leben, da entscheidet sich unsere Zukunft: die Abi-Prüfung, der Gang vor den Traualtar, die Geburt des ersten Kindes, die Vorrunde bei Wer wird Millionär. Wenn man Glück hat, geht man verändert aus solchen Momenten hervor.

Wenn man Pech hat, sortiert man die beliebtesten Helene-Fischer-Songs falsch und scheidet aus, bevor man je Günther Jauchs Atem gerochen hat. Letzteres ist so oder so ähnlich wohl Deutschlands Lieblingsphilosophen Richard David Precht passiert, als er 2003 an der Quiz-Show teilnahm. Und weil das Internet nie vergisst, verfolgt uns sein Foto gerade penetranter durch sämtliche Timelines als dich die Urlaubsfotos deines Ex-Freunds mit seiner neuen Freundin.

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Wir haben Fragen.


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Warum war er in der Quiz-Sendung?

Quiz-Sendungen sind ein Albtraum. Stellt euch das mal vor: Man sitzt den ganzen Tag in einem warmen Studio und sieht dabei zu, wie andere Leute Fragen über ungewöhnliche Tiere oder Fußballstars der 60er beantworten – in der Hoffnung, dass man danach vielleicht selbst drankommt. Und dann hält auch noch die Kamera voll drauf und die Scheinwerfer beleuchten gnadenlos jede kleinste Falte und jeden rötlichen Pickel. Kurz: Man kann in einer Quiz-Sendung nicht gut wegkommen.

Außer, man gewinnt die Million, natürlich. Warum hat Precht sich das damals angetan? War es schon damals der Geltungsdrang, wollte er sich auf diverse Talkshow-Auftritte zum Thema Bildung vorbereiten? Nein, laut Bild-Zeitung war es viel banaler: Er hatte 5.000 Euro Steuerschulden.

Wer hat ihm nur gesagt, die Frisur sei eine gute Idee?

Anscheinend muss man nicht erst einen Bestseller-Roman schreiben, um sich Feinde zu machen. Anders können wir uns die Frisur nicht erklären.

Gut, die frühen 2000er waren die Jahre von modischen Eskapaden wie Tangas, tiefsitzenden Jeans und dickem Kajallidstrich – aber dieser Emo-Haarschnitt wurde doch eigentlich erst ein paar Jahre später mit Fall Out Boy und Panic! At the Disco groß. Oh, vielleicht tun wir Precht auch vollkommen Unrecht und er war ein modischer Trendsetter? Mit Ende 30 kann man sich schon mal für blondierte Strähnen entscheiden. Oder Kragen tragen, die so lang sind wie deine Unterarme. In Rosa.

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Wer war sein Telefonjoker?

Man geht in diese Sendung und bringt mit: die Bereitschaft, sich zu blamieren, einen Studiogast und jemanden, den man im Fall der Fälle als Telefonjoker anrufen kann. Doch wen hatte Precht auf seiner Liste? Freunde, Kollegen, Menschen, die er auf Emocore-Konzerten im Kölner Club Underground getroffen hat? Und zu welchen Themen? Vielleicht muss man das Ausschlussverfahren anwenden (und danach den 50:50-Joker): Laut seiner Bibliographie mag er vor allem Philosophie, Tiere und sich selbst. Interessante Frage, die Prechts Teilnahme da beinahe aufgeworfen hätte: Kann man sich für den Telefon-Joker eigentlich selbst anrufen, oder platzt Günther Jauch dann das Gesicht?

Können wir einen Philosophen ernstnehmen, der bei Günther Jauch in der Vorrunde rausfliegt?

Klar kann man sich seine Karriere darauf aufbauen, neunmalklug zu jedem Thema daherzureden – dass das gut funktioniert, sieht man ja zum Beispiel an der Berufsgattung Journalist. Precht hat dem Ganzen noch einen aufgesetzt, indem er sich die Nische Philosophie suchte.

Philosophie: irgendwelche abstrakten Gedankengänge, die niemand nachvollziehen kann (oder will), ein bisschen so wie Nuklearphysik oder theoretische Mathematik. Nur, dass es null praktische Anwendung hat und man auch noch nach vier Maß Bier irgendwas erzählen und behaupten kann, das sei "philosophisch".

OK, wir merken gerade, wir haben die Frage falsch gestellt. Wahrscheinlich geht es eher darum, ob man Philosophen ernst nehmen kann. Punkt. Ein Vorrunden-Aus ist ja bekanntermaßen inzwischen eine deutsche Tugend.

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Warum haben die Götter Precht nicht gewinnen lassen?

Wenige Jahre nach seinem missglückten Besuch bei Wer wird Millionär veröffentlicht Precht seinen Bestseller Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?. Hätte er bei Günther Jauch gewonnen, wäre die Antwort auf beide Fragen schon viel früher "reich" gewesen.

Vielleicht hätte Precht sein Buch nie geschrieben. Vielleicht wäre er dann nie in all die Talkshows gegangen und hätte seine Meinung zu so ziemlich allem nie vertreten dürfen. Vielleicht hätte er die Millionen gut angelegt und das deutsche Facebook gegründet. Vielleicht ist all das in einem Paralleluniversum längst passiert. Vielleicht. Das Universum ist schließlich weit und unendlich, Zeit ist relativ, und unsere Umwelt macht uns zu denen, die wir sind. Aber die Vorstellung ist trotzdem schön.

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