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Was kommt heraus, wenn man einen Handwerker mit einem Nerd kreuzt?

Den Helm von Iron Man oder das Schwert von Zelda—der bayerische YouTuber Nerdytimber baut sie sich einfach selbst.
Alle Fotos: Nerdy Timber

Als „Nerdy Timber" bastelt Paul Robben Schwerter und Schilder aus Videospielen wie The Legend of Zelda oder die Masken von Iron Man oder Kylo Ren nach. In liebevoller Kleinstarbeit wählt der gelernte Zimmerer Materialien aus, arbeitet aufwendige Details aus und dokumentiert dabei jeden der Arbeitsschritte auf seinem YouTube-Kanal.

Mit seinen nerdigen DIY-Videos gehört Paul Robben zu einer neuen Generation von YouTubern, denen es nicht nur darum geht, orientierungslose Teenies mit seichten Clips und harten Kaufempfehlungen zu versorgen, sondern so etwas wie einen Nutzen haben. Ein Interview über die Schlacht um Helms Klam, die Eigenschaften von Holz und die aussterbenden Handwerkerberufe.

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VICE: Erinnerst du dich, warum du eine Leidenschaft fürs Handwerk entwickelt hast?
Paul Robben Schwerter: Daran sind ganz klar meine Eltern schuld. Ich habe das Gymnasium nach der 11. Klasse abgebrochen, weil ich überhaupt keinen Spaß mehr an Schule und Lernen hatte. Also haben meine Mutter und mein Vater, der Schreinermeister ist, gemeint, dass ich doch eine Handwerkslehre machen könne. Ich wollte aber nicht das gleiche wie mein Vater machen und habe mich für eine Zimmererlehre entschieden. Nach einem Praktikum im Betrieb von Freunden von meinen Eltern habe ich dann 2009 meine Lehre angefangen. 2012 habe ich die Lehre als Innungssieger abgeschlossen.

Und nach der Arbeit hast du dann immer noch weitergemacht?
Ich habe immer schon gerne gebastelt. Das waren aber nicht solche Werkstücke wie heute, sondern eher Sachen, die wir auch schon in der Schule gebaut haben: Dachstuhlmodelle und dergleichen.

Und wie bist du dann auf die Idee gekommen, YouTube-Videos zu drehen?
Das war 2014. Bei den Zimmerern gibt es ja die Walz, also die Wanderjahre. Ich war aber nicht drei Jahre unterwegs, sondern bin ein Jahr lang in einen anderen, sehr großen, Betrieb in Auhausen gegangen—einfach weil ich auch mal noch etwas anderes kennenlernen wollte. Ich habe dann zweieinhalb Stunden von zu Hause entfernt gewohnt, hatte eine eigene Wohnung und nicht mit sonderlich vielen Leuten dort zu tun.

Also habe ich viel Zeit mit Computer- und Videospielen verbracht. Und im Spiel Legend of Zelda: A Link to the Past habe ich das Hylian Shield gesehen und gesagt: „Das will ich haben." Dann habe ich im Internet danach geschaut, aber nur Plastikmist gefunden—und wenn es aus Metall war, dann nur ein kleiner Schlüsselanhänger. Aber ich wollte halt schon ein Schild haben, das zu meiner Größe passt.

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Also habe ich das erste Schild gebaut und den Prozess auf Facebook dokumentiert. Die Resonanz darauf war so gut und hat mich so sehr gefreut, dass ich mehr wollte. Ich habe zu der Zeit auch viele YouTube-Kanäle verfolgt und mir gedacht, dass ich das doch selber mal probieren kann.

Ich habe mich dann mit einer GoPro gefilmt, das Material ein bisschen geschnitten und hochgeladen. Ich war mit der Qualität aber nicht so zufrieden und habe mir dann schnell eine neue Kamera und ein neues Mikrofon gekauft und meine Arbeit dokumentiert. Mir ist ganz wichtig, dass klar ist: Die Videos, die ich drehe, sind keine Tutorials, sondern Dokumentationen. Die Arbeitsweise ist zu gefährlich, als dass ich eine Anleitung für Leute geben möchte, die sich damit nicht auskennen. Wenn sich jemand damit auskennt, brauche ich ihm das ohnehin nicht zu erklären.

Gibt es außer dir noch andere Leute, die ähnliche Videos drehen?
Nein, so wie ich das mache—also aus Holz und mit einem rein handwerklichen Hintergrund—gibt es das nicht. In den USA gibt es den Kanal AWE Me und darauf die Serie Man at Arms, wo Waffen aus Metall nachgebaut werden. Michael Cthulhu baut auch Riesenschwerter.

Wo kommt denn dein Faible für Gegenstände aus dem Gaming- oder Comic-Bereich her?
Wer wäre nicht gerne bei der Schlacht um Helms Klamm dabei gewesen? Da hätte ich schon gerne mal nebendran gestanden—ob ich mitgekämpft hatte, ist noch mal ein ganz anderes Thema. [Lacht] Zum Abtauchen ist das Fantasy-Genre einfach das schönste—und wenn man solche Gegenstände sieht und merkt, dass man sie selbst bauen kann, ist das noch schöner.

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Sind die Sachen, die du baust, denn nur zum An-die-Wand-hängen gedacht oder finden sie im Rahmen eines Cosplays Verwendung?
Das meiste hänge ich nur auf oder stelle es zur Dekoration in mein Zimmer. Aber ich habe ein fertiges Cosplay zu The Legend of Zelda—da habe ich ja Schild und Schwert nachgebaut und es gibt dazu auch ein Kostüm mit grüner Tunika und weißer Strumpfhose.

Du hast mal erwähnt, dass du keine exakten Nachbauten anfertigst. Warum?
Ich möchte durch die verschiedenen Holzsorten und Maserungen Kontraste schaffen und dadurch Farbgebungen bekommen. Wenn ich jetzt eine Buche, die eher rötlich ist, nehme und mit einem fast pechschwarzen Nussbaum kombiniere, dann gibt das einfach ein tolles Bild.

In den YouTube-Kommentaren taucht immer wieder die Frage auf, ob du auch Auftragsarbeiten machst.
Ich muss da mal ein Video zu machen oder während einem neuen Projekt durchrechnen, was das Ganze im Hinblick auf den Arbeitsaufwand gekostet hat. Die Blunderbuss-Büchse könnte ich vermutlich für 3.500 Euro verkaufen—und das wäre noch billig. Dazu kommt dann auch noch das Material. Viele Leute haben keine Ahnung, was Handarbeit kostet, weil sie nur bei IKEA einkaufen. Das mache ich ja auch. Aber ein gescheites Möbelstück kostet einfach mehr. Die Arbeitszeit, die Verarbeitung, die Qualität der Materialien—das ist noch mal ein ganz anderes Thema als ein Billy-Regal. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ich verkaufe die Werkstücke ohnehin nicht, weil ich viel zu sehr an ihnen hänge.

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Du hast gerade schon das Thema Material angesprochen. Was ist denn das Schöne an Holz?
Holz ist warm und weich, während Metall kalt und hart ist—und Holz lässt sich einfacher bearbeiten. Ich möchte nicht sagen, dass es vielseitiger ist, aber es gefällt mir persönlich einfach besser und ich lege da gerne Hand an. Wenn ich stattdessen einen Metallklotz in die Hand nehmen würde, graut es mir davor, ihn zu bearbeiten.

Was ist dein Lieblingsholz?
Mit Esche arbeite ich besonders gern, weil sie flexibel und trotzdem robust ist und somit perfekt für Schwerter oder Bögen geeignet. Eiche ist vorteilhaft, wenn man eher rustikaler wirkende Waffen bauen will. Buche ist billig und lässt sich einfach lackieren oder schleifen und sieht, wenn man es ölt, gar nicht mal so schlecht aus. Pappel ist billig und lässt sich gut biegen. Und Nussbaum ist der perfekte Baum, um Kontraste zu schaffen, weil er dunkelbraun bis pechschwarz ist.

Wie laufen die Arbeiten an einem Werkstück denn eigentlich ab?
Zu allererst setze ich mich an den PC und designe die Pläne. Davor nehme ich mir ein Bild von dem Objekt, zeichne das mit Vektorlinien nach. Wenn es ein Objekt ist, das in seiner Dreidimensionalität nicht sonderlich kompliziert ist, erstelle ich davon eine um 90 Grad gekippte Ansicht. Die Tiefe überlege ich mir dann im Keller während der Arbeit. Ich fange mit einem Teil des Werkstücks an, auf den der Rest aufbaut. Die Skalierung entsteht aber auch schon am PC. Der Rest passiert dann wirklich während dem Arbeiten. Dann schnitze ich auch schon mal noch eine Verzierung oder dergleichen herein.

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Wie lang brauchst du im Schnitt für ein Werkstück?
Das ist schwierig zu sagen. Im Schnitt mache ich sechs bis neun Videos als Staffel zu einem Werkstück. Am Buster Sword habe ich 90 Stunden gesessen, an der Blunderbuss-Büchse 95 Stunden, am Mega Buster 65 Stunden und am Masterschwert 25. Beim ersten Hylian Shield waren es ungefähr 60 Stunden, beim zweiten dann schon nur noch 45.

Wann findest du dafür denn die Zeit?
An Sonntagen. Da hab ich nicht viel zu tun, gehe da morgens rein und komme abends wieder raus. Ich mache mir da auch gar keinen Stress—sonst wäre es ja kein Hobby mehr. Manchmal beende ich das Ganze auch erst Montagabend, aber danach geht es dann direkt in den Schnitt. Das dauert dann nochmal ungefähr sechs Stunden.

Gibt es ein Werkstück, das du dir für die Zukunft vorgenommen hast?
[Lacht] Ich würde gerne die Lust dazu finden, meinen Dalek fertigzubauen. Aber wenn das dieses Jahr nichts wird, fackel' ich ihn ab.

Du warst neulich beim Tag der offenen Tür deiner alten Schule, wo du mit den Kindern die Stirnbänder aus der Manga-Reihe Naruto nachgebaut hast. In dem dazugehörigen Vlog sagst du: „Wenn ich dann noch jemanden davon überzeugen kann, eine Handwerkslehre zu machen, dann ist das für mich das Größte." Warum?
Es gibt viele Handwerksberufe wie den des Schreiners, die vom Aussterben bedroht sind. Das liegt daran, dass wir leider immer sparen möchten und uns lieber irgendwelchen Mist kaufen, der in Massenproduktion hergestellt worden ist. Ganz hart trifft es zum Beispiel die Raumausstatter. Dort, aber auch in anderen Berufen, gibt es mittlerweile Meisterbetriebe, die nicht mehr ausbilden.

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Das geht mir nicht in den Kopf und ist in meinen Augen ein absolutes Unding. Aber gerade dadurch, dass wir gerade so einen Zufluss an Flüchtlingen haben, sehe ich da großes Potential, dass ein Haufen Facharbeiter nachkommt—damit meine ich auf gar keinen Fall Billigkräfte, die es aber durch Zeitarbeitsfirmen vermutlich leider auch geben wird. Das würde mich sehr freuen.

Denn das Hauptziel meines Kanals ist es, Leute dafür zu begeistern, ins Handwerk zu gehen und zu sehen, wie viel Spaß das Handwerken machen kann. Es gibt ja dieses Bild vom Handwerk: ein knochenharter Drecksjob, in dem man schlecht verdient—aber das stimmt nicht. Wenn man Spaß daran hat, dann soll man das machen und nicht auf seine Eltern hören, die einem nahelegen, dass man gefälligst studieren gehen soll. Viele junge Leute machen ihre Matura und wollen dann unbedingt studieren—aber warum denn? Man kann ja auch erst mal eine Lehre machen. Dann hat man eine Absicherung und kann, wenn es mit dem Studium nicht klappt, immer wieder in den Beruf zurückgehen. Egal ob du Bäcker, Maler, Schreiner oder Bürokauffrau bist.

Einerseits haben junge Leute keine Lust mehr, einen handwerklichen Beruf zu erlernen, andererseits steigt bei den Menschen das Interesse für das Selbst- und Handgemachte. Wie erklärst du dir das?
[Lacht] Gerade, so scheint es mir, will jeder Student ein Bett aus Paletten haben. Bei uns im Betrieb kommen ständig Leute vorbei und fragen, ob wir ein paar Paletten übrig haben. Ich glaube, der ökologische Gedanke zieht die Leute—gerade in den Großstädten—immer mehr in Richtung Handgemachtes. Man gibt nicht mehr nur gerne Geld für Bio-Lebensmittel aus, sondern ist eben auch bereit, mehr Geld für ein Möbelstück auszugeben oder interessiert sich für Craft-Bier.

Ein Freund von mir aus München hat mir gerade erzählt, dass es bei ihm in der Nähe eine Art Konzept-Schreinerei gibt. Das ist ein Komplex, in den du dich einmieten kannst. Dann bekommst du einen Spind und Zugang zu allen Werkzeugen, die dort stehen und kannst da selbst basteln—entweder alleine oder unter Anleitung von anderen Leuten. Das finde ich ziemlich cool, weil ich glaube, dass durch solche Dinge der Wert von handgemachten Dingen wieder steigt. Man muss den Leuten ja auch erst mal klarmachen, dass man solche Schwerter, wie ich sie baue, nicht für 100 Euro hinterhergeschmissen bekommt, sondern dass dort wirklich eine Menge Zeit und Arbeit drinsteckt—und das liegt mir wirklich am Herzen.