Was uns die Entwicklung englischer Trikotsponsoren über die Premier League sagt
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Kommerzialisierung

Was uns die Entwicklung englischer Trikotsponsoren über die Premier League sagt

Wenn früher Werbung für Opernmusik, Jojos und Küchen englische Trikots schmückten, sind es heute Wettunternehmen und ausländische Flug— und Finanzgesellschaften. Doch es gibt auch Hoffnung.

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Die Antwort—wie nur echte Hardcore-Fußball-Geeks wissen werden—lautet, dass sie in den 90ern die Trikots von Premier-League-Clubs schmückten. Wer jetzt noch weiß, dass es sich dabei um Leeds United, Man City, Everton, Leicester, Wimbledon und Middlesbrough handelt, ist der ungekrönte King of Geeks für uns.

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Wenn ihr bei solchen Namen automatisch von Nostalgie befallen werdet und an alte Brit-Haudegen wie Curtis Fleming oder Danny Cadamarteri denken müsst, dann steht ihr damit nicht alleine da. Ein Blick in die Vergangenheit macht außerdem deutlich, wie sehr sich die Trikotsponsoren-Landschaft auf der Insel in den letzten Jahren verändert hat—und wie viel das über die Entwicklung im englischen Fußball (Stichwort Kommerzialisierung) aussagt.

So sah das Everton-Trikot noch in den 90ern aus. | Foto: PA Images

Die besten englischen Vereine hatten schon immer einen Hang zu internationalen Sponsoren. Ab der Saison 1979/80 machte der japanische Mischkonzern Hitachi Werbung auf der Brust des FC Liverpool. Es war gleichzeitig der erste Sponsorenvertrag im englischen Fußball überhaupt (wenn man mal vom kurzlebigen Versuch des FC Kettering Town absieht). Im Gegensatz dazu hatten die Trikotsponsoren der weniger elitären Erstligavereine in den meisten Fällen einen klaren lokalen Bezug. Nicht selten haben sich Autohäuser aus der Region zu Geldgebern aufgeschwungen. Middlesbroughs erster Sponsor hieß Datsun Cleveland und Portsmouth schloss mit South Coast Fiat einen Deal ab. Dass es noch unprätentiöser zugehen konnte, zeigen die Beispiele Sheffield Wednesday und Bradford, die als Trikotsponsor ein Küchenstudio (Crosby Kitchens) und einen Jo-Jo-Großhändler hatten (M.E. Norman Toy City).

Als man dann das Jahr 1992 schrieb und die erste englische Liga den lukrativen Meilensteinen-Entschluss fasste, sich von der Football League loszueisen, entschieden sich mehr und mehr Vereine für weniger lokale Unternehmen. Gleichzeitig kamen in der ersten Saison der neu gegründeten Premier League noch 13 Trikotsponsoren aus Großbritannien. Heute sind es hingegen gerade mal vier—und davon haben einige auch noch einen faden Beigeschmack.

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Acht dieser Unternehmen stammten direkt aus der Gegend ihres Vereins, so etwa der Eisenwarenhersteller Draper Tools (Southampton), der Londoner Radiosender LBC (Wimbledon) oder der Computerhersteller Sanderson (Sheffield Wednesday). Sehr urig auch Sheffield United, die bis 1995 ein Jahrzehnt lang mit einem regionalen Holzhändler zusammenarbeiteten—und mit Alan Cork einen Spieler hatten, der selbst wie einer aussah.

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Daran sollte sich glücklicherweise auch in den ersten Jahren nach Gründung der Premier League nicht viel ändern. Ipswich Town, zum Beispiel, schloss einen langfristigen Vertrag mit einem örtlichen Chemieunternehmen (Fisons) ab, bevor sie mit dem Bierbrauer Greene King gemeinsame Sache machten. Außerdem war es auch die Zusammenarbeit mit einem lokalen Trikotsponsor, die für eine der denkwürdigsten Trikots in der Geschichte des englischen Fußballs gesorgt hat. Die Rede ist von Goodyear, den berühmten Reifenhersteller aus Wolverhampton, der das Trikot der Wolves in der Saison 1992/93 mit raffinierten Reifenabdrücken schmücken ließ. Leider wurde das interessante Design nach gerade mal einem Jahr wieder eingestampft.

Wolves-Legende Steve Bull mit dem etwas anderen Trikot | Foto: PA Images

Eine der schrägsten Sponsoring-Kooperationen war die zwischen QPR and Classic FM. Was, klassische Musik und Fußball? Wie soll das denn zusammenpassen? Gar nicht, so einfach, und verwirrend, ist das. Die Partnerschaft—ohne Frage das Produkt falsch ausgewerteter Fokusgruppen-Interviews—war überraschenderweise nur von kurzer Dauer, hat der Welt aber zumindest ein herrliches Foto des in die Jahre gekommenen Ray Wilkins hinterlassen—samt zurückgegangenem Haaransatz und als Werbetafel für den Lieblingssender der Briten in Sachen schlafinduzierender Orchesterorgien.

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Trotzdem, das waren noch Zeiten. Die Liste der heutigen Trikotsponsoren hat rein gar nichts mehr mit den sympathischen Anfängen der Premier League zu tun—und stellt den Fußball zudem in ein ganz anderes Licht. Während es wohl kaum überraschen würde, wenn die Verkaufszahlen für Sharp-Fernseher im Ballungsraum Manchester in den 90ern ordentlich zugelegt haben (Sharp war von 1983 bis 2000 Sponsor), kann man—ohne ein Prophet zu sein—davon ausgehen, dass es unter United-Fans nur sehr wenig Chevrolet-Neukunden gegeben hat, seit die Red Devils mit dem Premium-Autohersteller eine Partnerschaft eingegangen sind. Eine Partnerschaft, die ihnen jährlich 47 Mio. Pfund garantiert.

Es ist übrigens nicht so, dass nur die Großen im englischen Fußball große Sponsorenfische an der Angel haben. Nehmen wir etwa Swansea City, ein Verein, der noch vor 12 Jahren fast in die 5. Liga abgestiegen wäre. Mittlerweile haben sie eine lukrative Partnerschaft mit dem Hongkonger Finanzkonsortium GWFX am Laufen, deren kryptische Website von Altersvorsorge über Devisenumtausch bis zum Handel mit Edelmetallen so ziemlich alles anbietet.

Ein Blick auf die aktuellen Sponsoren der Premier League offenbart zudem eine weitere, kritisch zu betrachtende Entwicklung im englischen Fußball: die eng umschlungene Verbindung mit Wettunternehmen. Ein Drittel aller EPL-Clubs trägt auf seinen Trikots bereits das Logo von Online-Glücksspielanbietern (Freunde sauberer Bilanzierung wird es vielleicht noch interessieren, dass fünf von diesen sieben Firmen ihren Sitz in Gibraltar, auf Malta oder den Philippinen haben). Heutzutage scheinen Premier-League-Fußball und Wettseiten so gut zusammenzupassen wie Arsch auf Eimer.

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Und gleich nach den Wettunternehmen kommen die Fluggesellschaften. Genauer gesagt Emirates und Etihad Airways: Die beiden staatsnahen Unternehmen aus den ölreichen Vereinigten Arabischen Emiraten haben mit zum Teil fragwürdigen Arbeitsbedingungen nicht nur bei Human Rights Watch zu kritischer Berichterstattung geführt. Ihr finanzielles Ausstrecken in die Premier League ist dabei nur Teil eines groß aufgezogenen staatlichen Projektes, das zum Ziel hat, geopolitische Allianzen zu schmieden, indem man im Westen bei namhaften Unternehmen einsteigt.

West Ham United gehört mittlerweile zur Wett-Brigade | Foto: PA Images

Man muss als englischer Fußballfan aber gar nicht in Richtung Ausland schauen, um ethisch dubiose EPL-Sponsoren aufzuzeigen: Einer der vier heimischen Sponsoren ist nämlich Wonga, ein viel kritisiertes Kurzzeitkredit-Unternehmen mit einem jährlichen Zinssatz von 1509%.

Es gibt übrigens auch zwei echt lokale Trikotsponsoren in der Premier League, doch auch sie kommen mit einem gewissen Aber im Gepäck. Da wäre einerseits Bet365, die das Trikot von Stoke City schmücken. Das Geschmäckle bei dem Deal trägt den Namen Peter Coates, denn der ist sowohl Vorstandschef des Wettunternehmens als auch des Vereins. Und was das Elektronikunternehmen Veho—den Sponsor von Southampton—betrifft, ist anzumerken, dass das Unternehmen zwar seinen Hauptsitz in Southampton hat, gleichzeitig aber auch Geschäftsstellen in Singapur, Dubai, New York und Hongkong besitzt. Lokal ansässig ja, aber trotzdem Lichtjahre von früheren Sponsoren wie Cristal Tiles bzw. Draper Tools entfernt.

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Natürlich sind die Lehren, die man aus dieser Vorher-Nachher-Blickweise ziehen kann, im Grunde genommen nichts Neues. Die Premier League wurde in den letzten zwanzig Jahren konsequent und nachhaltig zu einer Gelddruck- und XXL-Vermarktungsmaschine sowie einem Global Player par excellence ausgebaut. Gleichzeitig steht die Geschichte des Trikotsponsorings im englischen Fußball für einen Aspekt, an dem diese Entwicklung besonders gut und eindringlich deutlich gemacht werden kann.

Die heutigen Trikotsponsoren sind schlicht und einfach Spiegelbild einer Liga, die zu einer internationalen Attraktion geworden sind. Eine Attraktion, die dafür gesorgt hat, dass mittlerweile auch kleinere EPL-Vereine deutlich höhere Werbeeinnahmen erzielen können.

Aston Villa, hier nach einem ihrer seltenen Tore, hat als Sponsor einen Finanzsoftware-Anbieter | Foto: PA Images

Ein Beispiel dafür ist West Ham, die Mitte der 90er gerade mal 100.000 Pfund von ihrem damaligen Trikotsponsor Dagenham Motors erhalten haben. Dank Betway sind es heute sechs Millionen Pfund, macht Faktor 60. Darum spielen mittlerweile auch Spieler wie Dimitri Payet bei den Hammers.

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Es gibt aber die Hoffnung, nächstes Jahr wieder einen richtigen Old-School-Trikotsponsor in der Premier League begrüßen zu können. Denn Hull City, momentan in der zweitklassigen Championship auf Platz vier stehend, sieht deutlich wiedererstarkt aus und gehört zu den Aufstiegsfavoriten. Das wäre doch was, wenn wir im Jahr 2016 neben unzähligen Wettanbieter-Trikotsponsoren Werbung für einen pittoresken Zoo und Themenpark namens Flamingo Land erblicken könnten. Lasst uns fleißig die Daumen drücken.