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Festival

Ritournelle will nicht nur Raver ins Theater locken

Am Samstag kommen Caribou, Pantha du Prince und Roman Flügel in die Bochumer Jahrhunderthalle, hier bekommst du die wichtigsten Infos zum Vorglühen.

Hochkultur ist schon ein ziemlich beschissenes Wort. Und Popkultur erst. Aber was willst du machen, irgendwie mussten die Leute früher ja mitbekommen, ob sie ihren Drink jetzt mit Krawatte oder in Turnschuhen schlürfen sollten. Tobias Staab, der Booker und Kurator von Ritournelle, kennt dieses Problem nicht. Er war schon immer so angezogen, dass er in den Ravekeller genauso leicht reingekommen ist wie ins Theater. Schließlich musste der Theaterwissenschaftler und DJ zu Münchner Zeiten seinen Studenten tagsüber das Gegenwartstheater erklären und nachts die Ekstase, da kann man sich nicht ständig umziehen. Und genau so sieht das von ihm zusammengestellte Festival am Samstag aus. Er nimmt die Coolness von manchmal zu seichtem Pop und packt die Virtuosität von manchmal zu anstrengender Hochkultur dazu.

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Neben Caribou werden am Samstag bei Ritournelle unter anderem Pantha du Prince, Notwist und Roman Flügel spielen. Ja, richtig, alles an einem Abend. Deshalb habe ich Tobias Staab angerufen und gefragt, wie er das gemacht hat.

THUMP: Hallo Tobias, was ist Ritournelle und warum ist es so gut?
Tobias Staab: Ursprünglich war Ritournelle der Name einer Festivalnacht für avancierte elektronische Popmusik in den Münchner Kammerspielen. Die Idee war, einen Raum für Musik zu schaffen, die sonst nicht vorkommt. Entweder, weil die Acts zu klein sind und in Clubs keinen kommerziellen Erfolg versprechen, oder weil die Projekte von elektronischen Musikern so groß sind, als dass Clubs dafür nicht den richtigen Rahmen bieten können.

Das geht nur, wenn es Zuschüsse von Stadt oder Staat dafür gibt?
Das Grundkonzept von Ritournelle war eigentlich immer, etwas zu schaffen, das ohne Fördermittel nicht möglich wäre. Bei der Ruhrtriennale haben wir natürlich schon ein Line-Up mit prominenten Acts, aber das ist als Einladung gedacht an die Menschen im Ruhrgebiet, bei der Ruhrtriennale vorbeizuschauen, auch wenn sie ansonsten nicht so viel mit anderen Kunstdisziplinen zu tun haben. Künstler wie Caribou ziehen schon Publikum, aber hier ist die Situation eben, dass solche Künstler normalerweise nicht im Ruhrgebiet spielen.

Was wollt ihr damit erreichen, dass ihr diese Künstler jetzt nach Bochum holt?
Wir wollen Leute gewinnen, die normalerweise nicht ins Theater oder in Hochkulturveranstaltungen gehen.

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… also den Raver ins Theater locken?
Nicht nur. Wir wollen die verschiedenen Kulturen vermischen, verbinden. Wenn so eine Veranstaltung in den Münchner Kammerspielen oder jetzt bei der Ruhrtriennale stattfindet, kommen neben Clubgängern auch Theaterleute, Tänzer, Choreographen und Künstler, die normalerweise vielleicht gar nicht auf ein solches Festival gegangen wären. Es wird also zu einem seltsamen Ort der Begegnung. Es ist die Mischung, die den Flow dieser Veranstaltung ausmacht.

Entsteht dieser Flow wirklich? Was denkt ein Raver, wenn neben ihm jemand Discofox tanzt?
Haha, also niemand hat bei Ritournelle versucht, Discofox zu tanzen, aber ja, es kommen auch die älteren Leute auf die Tanzfläche und lockern ihre Krawatten, und das ist wirklich schön, zu sehen. Beim Closing-Set von DJ Koze war alles zwischen 20 und 60 auf dem Dancefloor—und was sie vereint, ist das gemeinsame Interesse für gute Musik. Dadurch schaffen wir Verbindungen, die sonst nicht entstehen.

Besonders gute Musik kommt ja schon seit 25 Jahren von City-Slang. Wie hast du die Labelmacher dazu bekommen, ihr Jubiläum in Bochum zu feiern?
Ja, aus meiner Sicht ist City Slang zur Zeit das wichtigste Indie-Pop-Label, das Deutschland so zu bieten hat. In jeder erdenklichen Richtung guter Popmusik findet sich etwas bei City Slang—und unser Headliner Caribou ist eine der wichtigsten Pop-Bands. Caribou vereinen viele musikalische Ansätze aktueller Popmusik, die ich interessant finde. Deshalb bin ich auf das Label zugegangen. Ich wollte Caribou im Ritournelle-Programm haben.

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Irgendwann haben die Leute vom Label in diesen Gesprächen dann fallen gelassen, dass City Slang in diesem Jahr 25 Jahre wird und wir haben die Idee entwickelt, diesen Geburtstag auf einem eigenen City Slang-Floor in der Bochumer Jahrhunderthalle zu feiern.

Das Ruhrgebiet und vielleicht der ganze Westen werden ja kulturell gerade abgehängt, alles zieht nach Berlin. Könnt oder wollt ihr mit der Ruhrtriennale da überhaupt dagegenhalten?
Ich mag Berlin sehr, bin da wahnsinnig gerne und freue mich über die kulturelle Dichte, die es in dieser Stadt gibt. Ich sehe auch, dass wahrscheinlich schon seit 25 Jahren eine immer größere Konzentration in Richtung Berlin stattfindet. Aber deshalb sollte man natürlich nicht den Rest in Deutschland abschreiben. Mit der Ruhrtriennale haben wir hier aber ein zentrales Kunst-Festival im Westen Deutschlands und ich hoffe schon, einen kleinen Beitrag dazu leisten zu können, dass der Westen nicht vergessen wird. Und es gibt hier immer noch viele Leute, die einen sehr guten Musikgeschmack haben. Nimm nur mal die Labelmacher von Denovali, die machen außerordentlich spannende Musik und auch die Crew vom Goethebunker leistet Großes hier.

Alles klar, vielen Dank für das Gespräch und bis Samstag!

Ritournelle startet am Samstag, 14. August um 18 Uhr in der Jahrhunderthalle Bochum, THUMP präsentiert.

Hier kannst du jetzt noch Tickets bestellen.

Running Order

25 Jahre City Slang Stage
21.00 Uhr: HeCTA live
22.10 Uhr: The Notwist live
23.55 Uhr: Caribou live

Goethebunker Outdoor Floor
18:00 Uhr Simon Hildebrandt
19:30 Uhr Ahmet Sisman
21:00 Uhr Barnt
23:00 Uhr Pantha Du Prince live
00:00 Uhr Roman Flügel
02:00 Uhr Rødhåd
04:00 Uhr Quartier Midi