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Ehemaliger Ärzte-Bassist—„The Incredible Hagen“ ist gestorben

Hagen Liebing war Musikjournalist, Autor und zwei Jahre lang Bassist der Die Ärzte

​​Die Ärzte sind ein popkulturelles Phänomen, sie sind der „eine Gott", sie sind die „Beste Band der Welt". Vor dreißig Jahren aber, war der kometenhafte Werdegang der Pop-Punker noch nicht abzusehen. Da hatten sie gerade ihren ersten, von Alben wie Im Schatten der Ärzte ​oder dem indizierten Debil gefütterten Hype hinter sich und zwischen Bela, Farin und dem damaligen Bassisten Hans „Sahnie" Runge knisterte es. 1985 trennten sich die Wege der Musiker, weil Sahnie sich auf sein Wirtschafsstudium konzentrieren wollte (mit „Erfolg": er ist heute Geschäftsführer eines IT-Unternehmens in Malaysia​).

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In dieses Bassistenvakuum trat 1986 also Hagen Liebing aka „The Incredible Hagen", der zuvor in der Rockband The Nirvana Devils spielte. Hagen kam Bela und Farin anders als Sahnie wie ein „ruhiger Mensch" vor. Auch in Interviews oder Konzert-Aufnahmen bekommt man Hagen oft kaum mit—auch wegen seiner zurückhaltenden Art. Auch bei den Aufnahmen zur legendären „Die Beste Band der Welt"-Tour, die dann zum ersten Live-Album der Band Nach und die Sintflut wurden, ist Liebing nur selten zu sehen, aber dafür umso wichtiger. Hier sieht man zum Beispiel, wie Die Ärzte vor 29 Jahren mit Hagen Liebing „Zu Spät" performen.

​Liebings Unauffälligkeit kam wohl auch daher, dass er anders als Sahnie oder der bis heute aktive Bassist Rod nie ein komplett gleichwertiger Teil der Band war, sondern angestellter Bassist. Farin Urlaub und Bela B. stellten ihn beim Einstieg in die Band vor die Wahl, ob er lieber ein Angestellter der Band (also mit regelmäßigem und sicherem Gehalt) werden wollte oder ein vollwertiges Mitglied, das eine Gewinnbeteiligung erhält, aber auch Verluste mitträgt. Da Liebing zu dieser Zeit Medienwissenschaften studierte, nahm er dankend die sichere Alternative. Auf die Frage, ob ihm das Rockstar-Leben der Ärzte oder der „bürgerliche Weg" von Studium und Beruf wichtiger sei, antwortete er im folgenden Interview „Der Ärzte-Weg ist der angenehme Weg und der bürgerliche Weg ist der, den man nebenbei noch in Kauf nimmt."

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1988 lösten sich die Ärzte zum ersten Mal auf und „The Incredible Hagen" sollte nur vereinzelt als Überraschungsgast bei Konzerten zur Band zurückkehren. Dafür konnte Hagen Liebing aber seine Ambitionen als Musikjournalist verfolgen. Er schrieb Bücher und veröffentlichte als freier Autor in TagesspiegelRolling Stone und Max. Außerdem arbeitete er seit den Neunziger Jahren bis zu seinem Tod als leitender Musikredakteur für das Berliner Stadtmagazin Tip. Liebing lebte mit der Radio-Journalistin Anja Caspary und zwei gemeinsamen Kindern in Berlin, wo er gestern „nach kurzer, schwerer Krankheit" verstarb.​

Die Ärzte​ und die ganze Musikwelt sind fassungslos über den Tod des erst 55-Jährigen. Wir werden uns jetzt noch mal mit einer Träne auf der Wange so unvergessliche Meisterwerke der Ärzte wie „Elke"​, „Sie kratzt, sie stinkt, sie klebt"​, „Gehn wie ein Ägypter"​, „Helmut K."​ oder „Ich ess Blumen" anhören, die ohne Liebings Bassspiel wohl nicht dieselben gewesen wären.

Einen der schönsten Auftritte der Ärzte mit dem „Incredible Hagen" wollen wir euch auch nicht vorenthalten: Nach der Indizierung von „Geschwisterliebe" performt das Trio den Song, allerdings ohne Text. Dafür singen hunderte Fans mit. Wir haben Gänsehaut und sagen auch noch mal:  Danke, Hagen.