Der einzig wahre VICE-Guide zum wirklich richtigen Sommer-Outfit im Büro
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Bullshit-Bingo

Der einzig wahre VICE-Guide zum wirklich richtigen Sommer-Outfit im Büro

Hotpants, kurze Hemden und freche Falten haben in der Arbeit nichts verloren. Meint zumindest der 'Kurier'. Wir haben 7 eiserne Regeln aufgestellt, worauf ihr wirklich achten müsst.

Arbeit bedeutet Knechtschaft. Auch, wenn du in einem Co-Working-Space mit Bierkühlschrank oder einem Start-up mit flexiblen Arbeitszeiten hackelst – per Definition verkaufst du einen Teil von dir (eine Leistung oder eine Zeitspanne) an jemand anders.

Und egal, ob man es toll findet und bei einem neoliberalen Slow-Gin-Kränzchen am Neusiedler-See feiert oder es eher kritisch betrachtet und bei einem kommunistischen Campus-Get-together anprangert: Wenn du nun auch noch das Glück hast, deinen Dienst in einem nicht-klimatisierten Büro ableisten zu müssen, während sich draußen der Asphalt bei konstanten 39 Grad verflüssigt, beschäftigst du dich wahrscheinlich bald mit der Frage, wieviel Stoff auf deiner Haut wirklich nötig ist.

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Umso wichtiger ist es, sich die Sache nicht unnötig komplizierter zu machen. Zum Beispiel, indem man einen Knigge der Selbstkasteiung für den Büro-Sommer entwirft und aus Gründen, die keine sind, einfach für alle bestimmt, welche Art von Kleidung verpönt ist und geächtet gehört.


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Ungefähr das muss man sich aber beim Kurier gedacht haben, als es darum ging, einen "Dresscode für den Sommer im Büro" auszuarbeiten. Wobei wir mit "beim Kurier" den Kopf einer Redakteurin und mit "ausarbeiten" aus den Fingern saugen meinen. Wir haben uns ebenfalls Gedanken gemacht und 7 Gegenregeln aufgestellt, die als Steintafel über dem Eingang jeder Arbeitsstätte befestigt sein sollten:

1. Glaube keinen Dresscode-Listen

Laut dem Kurier-Guide gilt im Büro: keine Kleider mit freizügigem Rücken oder tiefem Dekolleté, keine kurzen Hosen oder Miniröcke ("selbst, wenn man Beine wie Gisele Bündchen hat") und offene Schuhe nur dann, wenn man seine pedikürten (!) Zehen gefälligst in etwas anderem als in Birkenstocks zur Schau stellt (vermutlich, weil sich in manchen Kreisen noch nicht herumgesprochen hat, dass Birkenstock nicht mehr die Hippie-Hausschlapfen-Marke von früher ist).

2. Glaube keinen Dresscode-Listen

Das macht wahrscheinlich sogar Sinn – zumindest, wenn man sich "Büro-Arbeit" ausschließlich so vorstellt wie in der Serie Suits: Also mit heißen Menschen in maßgeschneiderter Kleidung, die ständig selbstgefällig grinsend durch Glastüren gehen oder in Privatjets übereinander herfallen und sich nach 23 Uhr in ihrem Penthouse-Büro bei einem Glas Vintage-Macallan-Scotch vor der Skyline von Manhattan einen runterholen (letzteres kommt nicht direkt in der Serie vor, passiert aber ziemlich sicher zwischen den Szenen).

3. Glaube keinen Dresscode-Listen

Was der Kurier bei seinem katholischen Selbstkasteiungs-Knigge vergisst, ist, dass eben nicht jeder Mensch in einem Büro gleich als Anwalt, Investmentbanker oder für den Präsidenten arbeitet. Die meisten von uns sind bereits so weit im 21. Jahrhundert angekommen, dass man wegen ärmellosen Kleidern nicht mehr den Scheiterhaufen fürchten muss und kurze Jogginghosen nicht mehr automatisch als Erkennungszeichen von Gemeindebau-Bewohnern gelten (wer an dieser Stelle Karl Lagerfeld zitiert, hat die Kontrolle über sein Leben verloren). Wir sehen dabei auch nicht aus wie Arschloch-Manager in einem Stock-Photo, die von Sekretärinnen im Kostümverleih-Look umgarnt werden. Der einzige Ort, wo Manager und Sekretärinnen wirklich so aussehen, heißt Pornhub – und auch dort haben sie nach 5 Minuten wieder nichts an.

4. Glaube keinen Dresscode-Listen

Sicher – es geht nicht überall gleich locker zu. Und wer aus seinem hippen Office-Space mit den modularen Arbeitsplätzen einem Bankangestellten sagt, dass er sich bitte nicht so anscheißen soll, ist vom Ignoranz-Grad gefährlich nah an "Sollen sie doch Kuchen essen". Aber der Punkt ist: Selbst in Banken und ähnlich steifen Branchen gilt als Richtwert die vorherrschende Meinung in der Gesellschaft darüber, was OK ist und was nicht. Das zeigt der sogenannte "Goldkettenfall" von 1999: Demnach darf eine Bank einem Mitarbeiter verbieten, eine riesige Goldkette sichtbar über dem Hemd zu tragen, wenn das "massiv dem Verständnis der Bevölkerung vom Erscheinungsbild eines männlichen Bankbeamten widerspricht". Und das wiederum zeigt ziemlich gut, dass wir als Ganzes irgendwo mit dem Lockernehmen anfangen müssen, weil sich sonst nie was ändert – und wir immer noch Zylinder tragen und unsere Sexualpartner siezen würden.

5. Glaube keinen Dresscode-Listen

Wahrscheinlich muss man aber auch ein bisschen dankbar sein, dass er uns immerhin manchmal das Recht auf eine locker sitzende Krawatte einräumt (wenn man vorher den Chef fragt oder sich dafür mit 10 Peitschenhieben selbstkasteit). 2012 brachte der Kurier nämlich noch eine viel strengere Guideline heraus. Die Highlights: Hosen müssen lang sein, Ballerinas wirken "patschert" an Frauen, nackte Schultern sind ein absolutes No-Go. Ich kann mir wenige Menschen außerhalb von Saudi-Arabien und den IS-besetzten Teilen Syriens vorstellen, wo nackte Schultern noch als frivol gesehen werden. Aber diese Richtlinien sind definitiv die perfekte Mode-Ergänzung zum allgemeinen Verhaltenskodex der Berufswelt, der – wie wir alle wissen – besagt: kein zwischengeschlechtlicher Augenkontakt (außer, um sich Schelte von seinen Vorgesetzten auszusetzen), keine Umgangssprache (nur vorbereitete Reden in epischen Hexametern) und kein Atmen über 10 Dezibel (sonst sofortige Versengung der Stimmbänder).

6. Glaube keinen Dresscode-Listen

Und weil Ironie im Internet bekanntlich nicht funktioniert, hier auch noch ganz ohne Spaß: Eine eindeutige Antwort, was kleidungstechnisch am Arbeitsplatz erlaubt ist und was verboten werden darf, gibt es nicht. Da sind sich die WKO und die Arbeiterkammer einig. Das muss den Kurier natürlich nicht interessieren – so wie uns der Kurier mit seinen Dresscode-Artikeln nicht interessieren muss. Dasselbe gilt übrigens auch für einen anderen Kurier-Artikel mit dem Titel "Heiße Öffis: Mit diesen Tricks kommt man nicht ins Schwitzen", der leider genauso ernst gemeint ist und aus genau einem ausgefuchsten Lifehack besteht – nämlich "viel trinken". Wir haben über die Jahre in Sachen DOs & DON'Ts ja selbst ein bisschen Erfahrung gesammelt und wissen daher, dass gut gemeinte Vorschriften, die sich einzelne Redakteure am Schreibtisch ausdenken, nur dann wertvoll sind, wenn sie sich selbst nicht ganz ernst nehmen. Und dass vor allem junge Menschen (OK, vielleicht nicht unbedingt die Zielgruppe der Kurier-Guides) viel zu schnell durchschauen, wann jemand versucht, sie mit billigen Beiträgen zu bullshitten, die genauso gut bei einem Brainstorming unter Lobotomisierten entstehen hätten können.

7. Außer dieser hier natürlich, danke

Der Punkt ist: Models verkaufen ihren Körper als Kleiderstange, aber können währenddessen am Laufsteg über Žižeks Kapitalismus-Kritik nachdenken (und wenn du automatisch davon ausgehst, dass sie das nicht tun, weil sie Models sind, bist du genauso beschränkt, wie du ihnen unterstellst zu sein). Genauso sollten sich Menschen, die ihr Geld mit geistiger Leistung verdienen – und im Büroalltag in den meisten Fällen keinen Kontakt zu Multimillionären oder Investmentbankern haben –, umgekehrt nicht damit zufrieden geben, ihr Erscheinungsbild im Job mitverkaufen zu müssen. Außer, sie bekommen dafür auch entsprechend mehr Geld, weil sie Denker und Model in einem sein sollen. In dem Fall sollte man sich seinen Schweiß in Gold aufwiegen lassen.

Markus auf Twitter: @wurstzombie

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