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Umgehauen

Was in den Berliner "Kollaps-Joints" stecken könnte

Ein Zug und du fällst um und wirst ausgeraubt: In Berlin gehen gefährliche Joints rum.
Foto: imago | Star media

Wenn ein Joint die Runde macht, dann ist das ein Zeichen von Freundschaft und Verständigung – oder einfach dafür, dass der edle Spender schon so breit ist, dass ihm eh alles egal ist.

Wird der Joint allerdings auf der Straße in Berlin herumgereicht, solltest du auf einen Zug verzichten. Zwei junge Männer schickte eine Tüte Mitte Oktober nicht in die entspannte Glückseligkeit, sondern ins Krankenhaus. Am Samstag erwischte es eine 17-Jährige und ihre 18-jährige Freundin. Insgesamt mindestens acht Menschen sollen in Ohnmacht gefallen sein, nachdem sie in den letzten Wochen am RAW-Gelände sowie dem S- und U-Bahnhof Warschauer Brücke in Friedrichshain zum Joint gegriffen hatten. Das berichtet die B.Z. Zwei der vier Fälle sind der Polizei bekannt. Kleinere Gruppen junger Männer hatten das vermeintliche Geschenk angeboten und sollen ihre bewusstlosen Opfer anschließend durchsucht haben.

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Die Polizei konnte am Samstag einen 19-jährigen Verdächtigen und einen 18-jährigen festnehmen. Bei ihnen fand sie auch die Überbleibsel eines Selbstgedrehten. Bis heute ist unklar, was die Männer in die "Kollaps-Joints" – wie sie die B.Z. nennt – gebröselt hatten. Ein Sprecher der Polizei sagt VICE am Telefon, dass die Auswertungen noch laufen. Die Beamten werden ihre Analyse aber wohl vorerst nicht veröffentlichen, da gegen einen der beiden Festgenommenen wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt wird. Das Verfahren soll nicht gefährdet werden.

Ein Imbissverkäufer an der beliebten Tourimeile will allerdings wissen, dass es sich um "Spice" handle, wie ebenfalls die B.Z. berichtet. Das hätten ihm die mutmaßlichen Täter selbst gesagt. Die Räuchermischung wurde in Deutschland als Legal High bekannt – bis der Bund ihre Wirkstoffe, die zur Klasse der Neuen psychoaktiven Substanzen zählen, zwischen 2009 und 2010 nach und nach illegalisierte.

Drogenlabore unterwandern das Gesetz bis heute

Dass in dem Joint was Anderes als Spice enthalten war, glaubt Dirk Grimm. Er setzt sich beim Drogeninformationszentrum mindzone mit Neuen psychoaktiven Substanzen auseinander. "Plausibel ist, dass es sich um eine Räuchermischung handelt", sagt er gegenüber VICE. Diese können schon mit einem Zug Krampf- und Ohnmachtsanfälle auslösen. Grimm vermutet neuere Produkte mit dem sogenannten Wirkstoff CUMYL-PeGaCLONE hinter dem krummen Dreh. Der ist bislang noch legal.

Eigentlich sollte das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz seit September letzten Jahres die immer neuen Designerdrogen verbieten: Statt einzelner Stoffe stufte die Bundesregierung gleich ganze Stoffgruppen als Betäubungsmittel ein, um den Laboren einen Schritt voraus zu sein. CUMYL-PeGaCLONE, ein synthetisches Cannabinoid, fällt durch eine einfache chemische Modifikation allerdings nicht in diese Gruppen.

Auch deshalb sind über das Internet weiterhin unzählige Mischungen erhältlich. Sie eint, dass sie unberechenbar sind. "Die Konsumenten spielen Versuchskaninchen für die Hersteller", sagt Grimm. Die würden alle 12 bis 15 Monate die Zusammensetzung verändern und diese nicht auf den Verpackungen angeben. Die eigentlichen Wirkstoffe würden nur hinzugefügt und dabei nur sehr schlecht über die getrockneten Kräuter verteilt. Der Substanzgehalt kann deshalb nicht nur von Packung zu Packung stark schwanken, sondern auch bei einzelnen Entnahmen aus einer Tüte. Laut der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und dem BKA starben allein 2016 mindestens 98 Menschen nach dem Konsum von Legal Highs. Die Jugendlichen aus Berlin hatten also noch Glück.

Für einen Krampfanfall können schon 15 Milligramm Wirkstoff reichen, sagt Grimm. Das entspräche zwei Messerspitzen. Aber können Konsumenten auf der Straße einen Synthetik-Joint von einem normalen unterscheiden? "Keine Chance", sagt Grimm. Also keine Joints von Unbekannten annehmen – weder in Berlin-Friedrichshain noch in Bottrop oder München.

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