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Wir haben versucht, mit 10 Euro feiern zu gehen

Blöderweise sind wir im Laufe dieses Abends in einen Konflikt mit der Polizei geraten und fast von einem Türsteher vermöbelt worden.

Dieser Artikel stammt von unseren Kollegen aus der Wiener Redaktion.

Während die Ersparnisse unserer Eltern in unserem Alter in Hausbau und Familiengründung flossen, fließt das spärliche Monatsgehalt in unserem Umfeld grundsätzlich doch noch eher in alles Hedonistische. Also auch in das Feiern und alles, was damit zu tun hat. Das Problem beim Feiern ist, dass es nur die Wenigsten nüchtern schaffen. Man gibt also Geld für Alkohol aus, der Alkohol macht einen irrational, man zahlt in der Folge fremden Leuten Getränke und gibt am Ende wieder Unsummen aus, um sich selbst noch mehr Alkohol zu kaufen, obwohl man schon längst nicht mehr trinken sollte. Und auf dem Heimweg kauft man sich Kebabs und Käsekrainer.

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Weil wir gerne Feiern, aber nicht gerne pleite sind, haben wir also einen Versuch gestartet. Wie wenig können wir beim Feiern ausgeben und trotzdem betrunken sein? Wir haben zwei erfahrene Meister des Low-Budget-Rausches aus unserer Redaktion in die Schlacht geschickt und geschaut, wer weniger benötigt.

Hanna

Foto mit freundlicher Genehmigung von Daniel Gottschling.

Ich bin noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem ich von billigem Wein Kopfschmerzen bekomme. Meine Ausgaben sind also in den letzten Jahren beim Feiern nicht gestiegen. Nur durch eine kleine Wodka-Phase unterbrochen, trinke ich beim Vorglühen eine Flasche Weißwein (zwischen 2 und 4 Euro), nehme sie im Idealfall noch mit auf den Weg zum Club und schmuggle sie irgendwo rein. Wenn sie leer ist, trinke ich nichts mehr oder nur noch Leitungswasser. Es fällt mir also nicht schwer, mit wenig Geld zu feiern. Generell bleibe ich unter 10 Euro, außer der Eintritt ist teurer.


Munchies-Video: "Willkommen in der Casa Bonita"


Die Flasche Wein hat dieses Mal 2,79 gekostet, ich habe sie mit in den Club U genommen. Dort war—wie fast jeden Samstag—Rhinoplasty, eine Party, auf der immer sehr viele verkleidete Schwule, aber auch mittlerweile genug verkleidete Heten sind. Weil im Club U irgendwie nie Securitys stehen, kann man da auch mal sehr offensichtlich mit der Weinflasche in der Luft rumtanzen und es stört niemanden wirklich. Irgendwann war die Flasche leer, ich hab bei Liedern mitgesungen, deren Interpreten, Namen und erst recht Liedtext ich nüchtern nicht einmal kenne, habe getanzt, mit fremden Menschen geredet. Meine Versuche, mir Getränke ausgeben zu lassen, gingen aus irgendwelchen Gründen an dem Abend völlig nach hinten los. Vielleicht weil zu viele Schwule dort waren; vielleicht, weil ich mich schon nicht mehr artikulieren konnte; vielleicht aus Gründen, die ich jetzt schon wieder vergessen habe. Der einzige, der mir Getränke ausgeben wollte, war ein aufdringlicher Typ, der mich die ganze Zeit begrabscht hat. Betrunken war ich trotzdem. Ich hab aber dankend abgelehnt, bin dann irgendwann heimgegangen, als Tori mir geschrieben hat, ich soll noch in die Pratersauna kommen.

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Zwischenstand: 2,79 Euro.

Zu diesem Zeitpunkt war ich schon auf dem Heimweg und glücklich wegen des erfolgreichen billigen Fortgehens. Weil ich an den Tagen nach dem Fortgehen nicht super begeistert bin, wenn ich um 9:00 Uhr aufstehen muss, gehe ich nachts immer noch mit meinem Hund spazieren. Und weil man betrunken dumm ist, tue ich das immer ohne Leine. Beim Bäcker ums Eck habe ich mir noch im Automaten (ja, sowas gibt es) eine Breze für einen Euro gekauft, die wirklich nicht gut war. Also bin ich wieder nach Hause geschlendert, den Hund ohne Leine irgendwo in meiner Nähe, die Breze hab ich Stück für Stück um mich herum auf den Boden geworfen, weil sie geschmeckt hat wie Seife mit Salzstücken.

Und als ich dann über die Straße gehe, ich weiß nicht, ob es rot oder grün war, ich glaub, es war grün, aber eigentlich war es egal, weil um halb vier Uhr nachts eh nie Autos fahren. Trotzdem hält mich eine Polizistin auf (was mir noch nie passiert ist), sagt, ich sei bei rot über die Ampel gegangen und wo die Leine für meinen Hund sei. Habe ich nicht dabei. Gut, das wären 80 Euro für die fehlende Leine und 20 Euro für das Straßenqueren. 20 Euro wären aber OK, wenn ich nie wieder ohne Leine rausgehe.

Endstand: 23,79 Euro und ein Haufen Wut im Bauch.

Tori

Foto vom Autor

Die Tage, an denen ich mit fünfzig Euro Taschengeld im Monat auskommen musste, sind mittlerweile schon ein bisschen her. Aber sie haben mich tief genug geprägt, um zu wissen, wie man mit praktisch keiner Kohle eine Nacht verbringt, von der man am nächsten Tag trotzdem so gut so gut wie nichts mehr weiß. Das Geheimrezept, meine Freunde, heißt Vorbereitung. Vorbereitung bedeutet in diesem Fall so viel wie ein mit Vodka gefüllter Flachmann.

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Beim Vorglühen setze ich aber auf die selbe Wunderwaffe wie Hanna: Die 2,99 Euro-Flasche Grüner Veltliner. Wobei, eigentlich kaufte ich jemandem bei der Vorglüh-Halloween-Wohnungsparty die Hälfte seiner Flasche für 1,50 Euro ab, weil ich wieder mal übersehen hatte, mir rechtzeitig meine eigene zu kaufen. Eine halbe Flasche Wein wird mir zwar kein Delirium bescheren, aber zumindest dafür sorgen, dass ich vergesse, wie bescheuert meine Ausgeh-Kombination eigentlich ist. Glücklicherweise findet sich im Pre-Drink-Chaos aber noch eine weitere herrenlose, halb gefüllte Doppelliter-Flasche Wein. Schmeckt eher mittelgut und lauwarm, wirkt aber. Das Vorglühen dauert lange, endet dank dieser Flasche finanziell aber als voller Erfolg.

Zwischenstand; 1,50 Euro

Die nächste Station heißt Pratersauna. Weil der Eintritt dort an diesem Abend mein komplettes Budget verschlungen hätte, muss ich auch die unsympathischste, aber effektivste Geldstpar-Methode setzen: Die Gästeliste. Also habe ich am Vormittag wider Willen auf Facebook noch ein bisschen herumgeschleimt und mir einen Listenplatz gecheckt (Stichwort Vorbereitung!). Eigentlich ist die Gästeliste ja so ziemlich das Unsäglichste, was es überhaupt gibt—schon alleine, weil niemand die Leute, die an der langen Schlange vorbeimarschieren und zum Türsteher „Ich bin Liste" sagen, leiden kann. Man wird von denen, die sich brav regulär anstellen, mit verachtenden Blicken gestraft, und alles dafür, dass man dann ohnehin in einer unbedeutend kürzeren, zweiten Schlange warten muss, weil eh ein gefühltes Drittel der Besucher den Veranstalter über dreieinhalb Ecken kennt und deshalb ebenfalls auf der Liste steht. Viel schlimmer aber: Letztendlich muss ich auch mit Listenplatz drei Euro Spende zahlen.

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Zwischenstand 4,50 Euro.

Immerhin ist die Party drinnen ziemlich grandios, weil permanent auf irgendeinem Floor „Thriller" oder der Ghostbusters-Song läuft. Die zwei Euro für die Garderobe kommen logischerweise nicht in Frage, die Jacke wird hinter der Couch versteckt. In solchen Momenten rede ich mir immer ein, dass ich gutes Karma habe und so lange ich niemandem die Jacke stehle, auch mir niemand meine stehlen wird (was kompletter Bullshit ist, mir wurde auf genau diese Weise schon drei Mal die Jacke gestohlen).

Gleich am Anfang habe ich Glück und bekomme ein frisches Bier in die Hand gedrückt. Das ist essenziell, denn wie ich gleich darauf merke, habe ich meinen Flachmann schon beim Vorglühen liegen lassen (auch die beste Vorbereitung hilft dir nix, wenn du zu blöd bist, deine Siebensachen beisammen zu behalten). Das nächste Problem: Irgendwie will mich danach kaum jemand auf ein Getränk einladen. Dafür gibt es mehrere mögliche Erklärungen: Entweder habe ich verlernt, wie ein sympathischer Mensch zu wirken, dem man gerne Alkohol kaufen möchte. Oder die Leute werden einfach immer knausriger, wegen der schlechten wirtschaftlichen Zeiten und so. Letztendlich liegt es vermutlich einfach daran, dass ich in meinem Halloween-Kostüm aussehe wie ein Creep:

Tatsächlich ernähre ich mich an diesem Abend eher von den Getränken, die mir Leute in die Hand drücken, weil sie auf die Toilette oder auf die Garderobe gehen, aber dann vergessen, sich ihre Drinks von mir wieder zurückzuholen. Wenn sie sich ihre Gläser doch wiederholen, schütte ich mir einfach einen großen Schluck in meinen Mund, bevor ich ihnen das Glas zurückgebe. Luxuriös ist dieser Trinkstil nicht wirklich, aber erstaunlicherweise reicht er aus, um den Pegel zu halten. Und ich hab sogar noch Geld, um mir für 4 Euro einen Spritzer zu kaufen, ganz regulär, sogar mit ein paar Cent Trinkgeld inkludiert.

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Letztendlich bin ich am Ende bedudelt genug, um zu verpassen, dass selbst der Letzte der Leute, mit denen ich gekommen bin, schon heimgegangen ist. Vielleicht war ich einfach zu beschäftigt damit, zu Justin Bieber auf der Tanzfläche herumzuhüpfen. Um etwa sechs Uhr beschließe ich, dass jetzt genug ist. Ich gehe zu der Couch, hinter der ich meine Jacke versteckt habe und bete, dass sie noch da ist. Ist sie. Aber irgendjemand hat sein Bier drübergeleert. Scheiß auf Karma. Jetzt ist aber eh nicht der der Zeitpunkt für Zimperlichkeiten, also reingeschlüpft in den versifften Parka und rausspaziert. Der ganze Abend hat mir noch keine 10 Euro gekostet, also beschließe ich, die restlichen Münzen in Essbares zu investieren.

Beim Würstelstand gibts nur noch Reste, aber sie basteln mit noch viel Liebe für 2,50 Euro ein Käsleberkäse-Brot zusammen. Ich erachte das in diesem Moment als lebensnotwendig und es ist mir ziemlich egal, dass ich mein Budget um einen Euro übersteige—Käseleberkäse over everything. Auf dem Heimweg stolpere ich in eine ziemlich unschöne Szene: Ein bulliger Kerl, der offensichtlich Türsteher ist (aber von einem anderen Club) kniet in einem unbeobachteten Winkel über einem schmächtigen Typen, würgt ihn (aber so richtig) und brüllt: „Ich bring dich um! Ich bring dich um!"

Weil ich der einzige Mensch weit und breit bin und der arme Kerl am Boden dreinschaut, als würde er innerlich schon mit seiner Existenz abschließen, sage ich so: „Hey, hör auf." Der Türsteher-Typ ignoriert mich, und würgt den Kerl am Boden weiter auf Teufel komm raus. Glücklicherweise bin ich ja nicht ganz nüchtern. Also sage ich in einem Anfall betrunkener Leichtfertigkeit: „Hey, verpiss dich" schubs ich ihn von dem Kerl am Boden runter. Das war dumm. Denn jetzt flippt der Türsteher-Dude komplett aus und schlägt mir mit einem spektakulären Schlag mein Käseleberkäse-Brot aus der Hand.

Gerade, als er dazu übergehen wollte, auch mir den Arsch zu versohlen, kommen andere Besucher und seine Türsteher-Kollegen ums Eck, und der böse Türsteher haut ab. Der Gewürgte am Boden bedankt sich und erklärt mir, dass er was mit der Schwester des Türstehers hat, und er deswegen gerade ein bisschen Ehrenmord-mäßig fast erwürgt wurde. Ich fühle mich kurz, als hätte ich eine gute Tat vollbracht, aber bin trotzdem deprimiert, weil meine letzten 2 Euro und 50 Cent in Form von Käseleberkäse und Schwarzbrot verstreut am Prater-Boden herumliegen.

Endstand: 11 Euro und extremer Hunger.

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