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Interviews

„Polizisten sind durch ihre Machtposition das perfekte Ziel“—Waving The Guns im Interview

“Wackness gibt's im Handel, Dopes im Netz” - Waving The Guns über Polizisten, Zeckenrap und Spaß bei Audiolith

Waving the Guns beleidigen weder Mütter und Schwestern, noch erobern sie die Feuilletons. Die vier Rostocker rappen und pöbeln viel lieber gegen Staat, Polizei und die Wackness. 2014 standen sie als Support Act für Hiob und Morlockk Dilemma auf einer Rostocker Bühne und im letzten Jahr tourten sie mit ihren Punkerfreunden von Feine Sahne Fischfilet durch Europa.

Wir haben uns mit Rapper Milli Dance und Beatbauer Dr Damage über Rap, Politik und ihre Abneigung gegen die Polizei unterhalten.

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Mecklenburg-Vorpommern verbindet man ja nun nicht unbedingt mit linkem HipHop. Wie seid ihr dazu gekommen?
Milli Dance: Ich weiß nicht, ich definiere unsere Mucke gar nicht als linken HipHop. Was wir machen, ist Rap. Und unsere politische Haltung kommt da einfach zum Tragen und spiegelt sich auch in unseren Texten wieder. Ich bin auf jeden Fall zum Rap gekommen, bevor ich mich wirklich politisiert habe. Mein erstes Rap- Album war übrigens das erste Samy Deluxe-Album von 2001. Das war mein Einstieg und das kam über Freunde.
Dr Damage: Und es haben halt auch Zecken Bock, dopen Rap zu hören.

Ihr macht also keinen Zeckenrap?
Milli Dance: Nein, auf gar keinen Fall! Wir sind vielleicht Zecken, die Rap machen, aber wir machen auf keinen Fall Zeckenrap, weil wir das Label nicht mögen…

Was stört euch daran?
Dr Damage: Den Begriff gab es einfach auch schon, bevor wir Mucke gemacht haben, und darum auch Dinge, die wir damit assoziieren. Und wir wollen uns da nicht in eine Schublade schieben lassen. Und ich glaube auch, dass wir eine zu andere Herangehensweise an Rap haben, als das man unsere Mukke als Zeckenrap bezeichnen könnte.
Milli Dance: Wir haben auch gar nicht diesen Anspruch, dass das politisch sein muss. Wir machen ja auch viele Battle-Tracks, aber natürlich kommt da immer wieder was durch. Das finde ich auch viel spannender als diese Herangehensweise: Ich mache jetzt mal einen politischen Track und will zu einer Demo mobilisieren. Das ist was, das für mich gar nicht geht. Also das sollen Leute machen, aber das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich assoziiere mit Zeckenrap vor allem, dass Rap gemacht wird, um etwas Politisches zu transportieren. Und bei uns ist das eher andersrum. Wir sind politisch, machen Rap, und dann transportiert sich das halt einfach mit.

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Koljah von den Antilopen hat mal gerappt: „Wenn ein deutscher Rapper sagt, sein Rap sei politisch, heißt das etwa so viel wie NPD-kompatibel.“ Was haltet ihr davon?
Milli Dance: Das ist ja vermutlich auch darauf bezogen, dass es auch viele reaktionäre Haltungen unter Rappern gibt. Das ist natürlich auch ein Querschnitt der Gesellschaft und nicht immer emanzipatorisch. Aber am Ende ist das natürlich auch einfach eine Polemik, die er da abgelassen hat. Ich freue mich auf jeden Fall immer, wenn zwischendurch klare und gute politische Statements von Leuten kommen, wo man es nicht erwartet, wo das einfach nicht der Usus ist. Ich fand zum Beispiel „Braune Punkte“ von MC Bomber hammergeil, einfach weil er da auf einmal um die Ecke kommt und ein klares Polit-Statement auf eine geile Art macht.
Dr Damage: Außerdem, was heißt schon „politischer Rap“? Weil das, was zum Beispiel Morlockk Dilemma, Hiob, Audio 88, Yassin und so weiter machen—das ist alles sehr politisch, das ist Gesellschaftskritik durch und durch. Und nebenbei auch eine super Gesellschaftsanalyse. Zumindest teilweise. Aber sie schreiben es sich nicht auf die Fahne, im Gegenteil, sie lehnen es teilweise sogar explizit ab, sich damit identifizieren zu lassen. Und das ist eine ziemlich gesunde Herangehensweise, um sich nicht permanent angreifbar zu machen und einordnen zu lassen—es sei denn, man ist KIZ und wird durch eine ungewohnt klare Ansage nur noch sympathischer.
Milli Dance: Und vor allem, sich nicht von irgendwas vereinnahmen zu lassen. Kunst wird für mich in dem Augenblick langweilig, wo es nur noch darum geht, irgendetwas Politisches zu transportieren. Es geht ja auch viel darum, wie mit Sprache umgegangen wird. Da höre ich mir dann doch lieber irgendwelche kreativen Battle-Tracks an.

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Im Gegensatz zu vielen linken Polit-Rappern steht ihr eher für prollige Punchlines als für 100-prozentig politisch korrekte Musik, die keine Befindlichkeiten verletzt. Gibt das Ärger in der linken Szene?
Milli Dance: Gar nicht. Na vielleicht hier und da mal dezent angemerkt. Was uns jetzt nicht wirklich aus dem Konzept bringt. Wobei man dabei aber auch eins nicht vergessen sollte: Wir haben eine politische Haltung, die ich schon als linksradikal bezeichnen würde. Das findet Eingang in die Musik und das dann wiederum eben auch ein entsprechendes Publikum. Das finden wir natürlich super. Aber wir haben als Crew kein politisches Programm, wir sind nicht das Maskottchen für irgendwelche Gruppen, wir sind keine rappende Antifa-Gruppe und wir fühlen uns auch nicht irgendeiner „Szene“ gegenüber zu Rechenschaft verpflichtet.
Dr Damage: Die Leute, die dich scheiße finden, kommen auch meistens nicht an und sagen dir direkt „Ich finde dich scheiße!“. Außerdem hat sich auch die Einstellung vieler Leute zu Rap geändert. Es gibt genug Leute, die in einem autonomen Zentrum rumhängen, aber die ganze Zeit Bomber oder andere Rapper hören, denen unreflektierter Umgang mit Sprache unterstellt wird. Da ist einfach krass der Stock aus dem Arsch gezogen worden, durch Leute, die eben versuchen, eine Brücke zu schlagen und zu differenzieren. Die wie Bomber ein Gespür dafür haben, wo es wirklich darauf ankommt, sich zu positionieren, aber andererseits keinen Rap wollen, der sich krass selbst zensiert und dem somit Potential genommen wird, sich auszudrücken. Total nachvollziehbar, warum viele Künstler darauf keinen Bock haben. Manchmal will man eben auch gezielt Befindlichkeiten Anderer verletzen.

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Wenn man eure Tracks hört, bekommt man ein wenig das Gefühl, ihr hättet etwas gegen den Staat und seine Gesetzeshüter. Erklärt doch mal, warum hasst ihr die Polizei so sehr?
Dr Damage: Weil ich gerne Drogen nehme!
Milli Dance: In den Texten ist das in der Form sehr verdichtet, eigentlich kanalisiert sich da eine generell oppositionelle Haltung, die ich sehr wichtig finde, in total übertriebener Form. Ich habe mir irgendwann diesen Charakter „Milli Dance“ überlegt, als etwas Durchgeknalltes, wie eine Art Comicfigur, die einen „Scheiß-auf-alles“-Film fährt, mit einer antistaatlichen, Anti-Bullen-, Anti-Establishment-Haltung. Die Polizei ist dabei oftmals nur das Symbol. Sie symbolisiert die Verteidigung der Zustände, mit denen wir nicht einverstanden sind. Es geht bei uns viel um die Ablehnung des Untertanengeistes. Das ist auch eine Reaktion auf das subjektive Erleben von sehr wenig kritischem Denken bei sehr vielen Menschen. Wenn einen das sehr ankotzt, wird sich das auch stärker in den Texten widerspiegeln. Es gibt sehr viele „Deine Mutter“-Sprüche oder „Ich fick deine Schwester“, ich kann das im Zweifel auch einfach immer mit Bullen machen, dabei kann ich ein gutes Gewissen haben, weil ich nicht das Gefühl habe, wehrlose Opfer zu diskriminieren. Hehe. In meinen Augen sind die durch ihre Machtposition das perfekte Ziel.
Dr Damage: Aber du brauchst für kritische Haltungen gegenüber der Polizei auch gar nicht zu irgendwelchen „vermeintlichen Zeckenrappern“ gehen. Jeder, der zu schäbigen Partys geht, auf denen beispielsweise Drogenkonsum ein akzeptierter Bestandteil der Subkultur ist, kann dir sagen, dass er nicht gerne mit Cops hängt.
Milli Dance: Naja, nicht jeder. Das ist ja das Paradoxe! Weil die Leute die ganze Geschichte nämlich nicht zu Ende denken.

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Ihr seid mittlerweile bei Audiolith und habt euer aktuelles Album auch auf Vinyl und bei iTunes rausgebracht. Trotzdem gibt es all eure Musik weiterhin kostenlos im Netz. Warum?
Dr Damage: Weil wir sonst nicht zu einem Label gegangen wären. Ein Mitarbeiter von Audiolith hat uns ziemlich nett auf der Tour mit Feine Sahne Fischfilet begleitet und während einer Zigarettenpause mal fallen lassen, dass es diese Möglichkeit durchaus gibt. Ich finde scheiße, wenn irgendwelche Leute dazu gezwungen werden, sich unsere Musik zu kaufen. Die soll auf jeden Fall immer umsonst verfügbar sein. Audiolith waren damit einverstanden, dass wir das Album rausbringen und einen Monat später alles hochladen. Solche Scherze machen andere Labels eben nicht mit. Wobei, selbst wenn wir voll Wert auf Copyright legen würden, gibt es immer noch coole Leute, die jedes Deutschrap-Album das rauskommt, rippen und ins Netz stellen.
Milli Dance: Außerdem hatten wir am Anfang auch gar keine andere Möglichkeit, Sachen zu veröffentlichen. Wir hatten keine Fanbase und haben einfach alles ins Netz gestellt. Und wir haben die Fresse dann irgendwann so weit aufgerissen und gesagt, dass es Wackness im Handel gibt und Dopes im Netz, dass wir das jetzt nicht einfach ändern können. Sonst würden wir noch unglaubwürdiger sein als jetzt schon.

Mit wem würdet ihr gerne mal auf der Bühne stehen und wen würdet ihr am liebsten von der Bühne holen?
Milli Dance: Admiral Adonis und Admiral Adonis! (Der zweite Rapper in der Crew, Anm. d. Red.)
Dr Damage: Auf der Bühne trifft für mich ja nicht zu, aber so Leute wie Morlockk, Hiob, Audio 88, Yassin, oder auch Prezident auf jeden Fall, das würde mich reizen. Andererseits: Money Boy … Wenn der nicht so groß wäre, würde ich den auf jeden Fall von der Bühne holen, und mir von ihm einen Witz erklären lassen.

Mehr Infos zu Waving The Guns findest du auf ihrem Blog und Facebook.

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