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Ich habe mich durch Kay Ones neue Fernshehshow gequält

„Nachdem Kay One ein paar sexistische Sprüche ablassen darf, wird er nochmal kurz als mitfühlender Star präsentiert. Eine junge Frau mit halbseitiger Spastik kommt ins Bild ...“

Die Erwartungen waren groß. Zumindest meinerseits. Dass ich damit keine neuen Freunde finden würde, störte mich weniger. Bereits während Kay Ones letzter Show, Prinzessin gesucht!, stand ich mit meiner Begeisterung für das Trash-Format, in dem Frauen ihren Arsch bemalen mussten, um ihn dann durch ein erweitertes Glory Hole zu stecken, allein auf weiter Flur. Dementsprechend saß ich gestern vollkommen alleine vor dem Fernseher, um die neueste Casting-Show aus dem Hause Kay zu begutachten.

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Gleich zu Beginn werde ich jedoch von Kay via Bildschirm gemaßregelt. Es handelt sich bei Sängerin gesucht nicht etwa um eine Casting-Show, sondern um eine "HipHop-Doku über sein Leben". Bei der er eben ganz zufällig auch noch Castings veranstaltet und eine junge Dame sucht, die ihn in Zukunft auf der Bühne begleiten darf. Oder eben muss. Je nachdem wie man es sieht. Die Dreharbeiten scheinen ihn schwer zu belasten. Mit leidendem Blick erklärt er, dass es nun in Zukunft wohl kein Privatleben mehr geben würde. Warum dem so sein soll, bleibt unklar, schließlich sitzt er weiterhin nur in schmierigen Hinterzimmern und begutachtet junge Mädchen oder reißt schlechte Witze mit seinen leicht degenerierten Kumpels.

Dann geht es los. Vor einem alten Fabrikgebäude in München stehen ein paar vereinzelte Mädchen herum und warten auf ihr "Vorsprechen". Jedes der circa 20 Mädchen, die die Kamera auf dem Hof einfängt, wird später auch vor Kay singen, man hat sich erst gar nicht die Mühe gemacht, irgendwelche Massen anzukarren oder ein hartes Auswahlverfahren vorzutäuschen. Auch später, als ein altes Heizkraftwerk im Ruhrpott als Casting-Raum dient, finden sich nur sporadisch Kandidatinnen ein. Das Vorsingen dauert jeweils um die zehn Sekunden, nach ein bis zwei Zeilen weiß Kay meist sehr genau: "Du hast 'ne hammer Stimme und bist jetzt erstmal dabei." Na gut, damit wäre das auch geklärt.

In der Folgezeit wird weder versucht, künstlich Spannung aufzubauen, noch gibt es irgendeine Form von Verzögerungen, emotionalen Achterbahnfahrten oder von Detlev D! Soost geprägte Sätze wie "Du bist leider nicht dabei… bei denen die rausfliegen!!! HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!!!". Vollkommen lieblos und unspektakulär werden die Mädels durchgeschleust. Zwischendurch fährt Kay mal mit dem Ferrari in irgendein Kaff, um eine der Kandidatinnen persönlich abzuholen. Die Sendung setzt auf Einfallslosigkeit als Stilmittel. Pragmatischer als eine Börsensendung wird ein Themenpunkt nach dem anderen abgehandelt. Ein paar Infos über den aktuellen DAX-Kurs wären jetzt wahrscheinlich unterhaltsamer. Kurzzeitig erhofft man sich irgendeine Form von Handlung, als Kay ankündigt, sich als "obdachloser Penner" zu verkleiden, um eine Kandidatin vor ihrem Nagelstudio zu überraschen.

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Leider passiert weiterhin überhaupt nichts. Kay wird ein schlecht sitzender Bart angeklebt, die Kandidatin erkennt ihn nach wenigen Sekunden. Ich schlafe das erste Mal ein. Als ich wieder aufwache, stehen Al-Gear und ein Typ namens Nizar in der Gegend rum und grinsen sinnlos. Daneben noch zwei weitere "Freunde", die ihn offenbar beschützen. Kay erklärt, er habe eine dermaßen große Entourage, weil er gerne mit seinen Freunden zusammen arbeitet und immer Leute um sich haben will. Seine riesige Entourage besteht aus ganzen vier Leuten. Ich kenne Wildschweine, die ein größeres Gefolge haben.

Kay schafft es im Verbund mit RTL2 in den nächsten zwei Stunden so unglaublich viel Langeweile und Spießigkeit zu verbreiten, dass man sich wünscht, er würde wenigstens rappen. Ich schweife ab und erinnere mich an die schönen Momente in seiner Karriere, etwa als er mit Emory gedankenverloren im ZDF-Fernsehgarten durch den Schnee tollte. Während nun erneut eine junge Frau singt, sitzen plötzlich Dante Thomas (Ja genau, der mit diesem Hit damals) und Gabriella von Queensberry (das waren die ohne Hit) neben ihm. Beide werden weder angekündigt, noch haben sie irgendeine Funktion, Gabriella ist sogar nur so halb im Bild. Die Sinnlosigkeit der Sendung ist nun nicht mehr von der Hand zu weisen.

Nachdem das Ex-EGJ-Signing ein paar altbackene, sexistische Sprüche ablassen darf, wird er nochmal kurz als mitfühlender Star präsentiert. Eine junge Frau mit halbseitiger Spastik kommt ins Bild. Sie singt ganze acht Sekunden "Summertime" im orchestralen Stil, dann lobt Kay sie für ihren unglaublichen Willen und sondert ein paar weitere Floskeln darüber ab, wie sehr er "solche Leute" bewundert. Leider aber brauche er keine "Opernsänger" in seinem Team. Dass die junge Frau nicht gerade herausragend gesungen hat, ist nur für einen weiteren Punkt interessant: Wenn man sich vorstellt, wie die Redakteure von RTL2 gecastet haben. "Du Thorben, wir brauchen noch eine junge Frau mit einer Behinderung, die irgendwie so ähnlich wie diese Susan Boyle aus England singt, um Kay gut aussehen zu lassen. Die kommt aber eh nicht weiter, muss also nichts besonderes sein" Puuh.

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Die Mädels werden von den Castings direkt in den Tourbus gesteckt und durch die Gegend gefahren, nach knapp eineinhalb Stunden stehen die Kandidatinnen fest. Auf geht’s nach Düsseldorf. Al-Gear hat offenbar die Rolle übernommen, die in Kays letzter Show ein Junge namens "Goldpinsel" innehaben durfte. In der Gegend rumstehen, dumm grinsen und ab und zu mal Hilfsdienste übernehmen. Bedeutet: Auch er darf jetzt mal in einen von der Menschheit vergessenen Ort fahren, um irgendeine Kandidatin abzuholen. Ich schlafe das zweite Mal ein.

Als ich wieder aufwache, stehen die Mädchen in einer Reihe auf irgendeiner unspektakulären Straßenkreuzung in Düsseldorf. Jede soll noch einmal singen, erneut wird wenige Nanosekunden geträllert, bevor Kay eine Entscheidung fällt, wer mit nach Ibiza kommen darf. Wozu es wenige Minuten vorher schon mal ein Casting gab, bleibt ebenfalls vollkommen unklar. Kay starrt auf einen Zettel, auf dem wahrscheinlich ein paar Strichmännchen gemalt sind und tut so, als würde er überlegen, welche der Kandidatinnen er mitnimmt. In fünf Minuten ist auch dieser Programmpunkt erledigt. Los, freut euch. Das übliche Gekreische beginnt. Abgehakt.

Fazit: Kay hat es hinbekommen, ein totes Genre erneut zu begraben. Nicht etwa, indem er zur Freude des geifernden Publikums das Niveau nochmals tieferlegt, oder mit dem Versuch einer "HipHop-Show" grandios scheitert, sondern alleine dadurch, dass er es schafft, zwei Stunden Fernsehen ohne jegliches Ereignis zu produzieren. Wo der Trailer wenigstens noch mit hysterischem Gebrülle und vulgärer Sprache auftrumpfen konnte, bleibt in der Sendung einfach nur eine inhaltsleere Aneinanderreihung von unlogischen Bildern in Verbindung mit von Fremdscham gepeinigten Protagonisten. Al-Gear beispielsweise kam wesentlich sympathischer rüber, als er damals auf YouTube altes Sperma aus einem benutzten Kondom in eine Maske schmierte, um diese dann durch allerlei Tricks einen verfeindeten Rapper tragen zu lassen. Und das will was heißen. Offenbar plant der Sender noch jede Menge weitere Sendungen. Die Quoten der TV-Show dürften allerdings derart unterirdisch sein, dass RTL2 die restlichen Ausgaben auf eine einzige lange Folge zusammenkürzt. Es wäre allen Beteiligten zu wünschen. Vor allem mir und der Handvoll Zuschauer, die diese seelenlose Grütze ertragen mussten.

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