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So kannst du als Hetero-Mann ausgehen, ohne ein sexistischer Idiot zu sein – von einer Feministin erklärt

Die fremde Frau an der Bar fragen, ob du ihr einen Drink ausgeben darfst? Klar. Dich auf der Tanzfläche ungefragt an ihr reiben? Niemals.
Foto: imago | Hoch Zwei Stock | Angerer

Nicole Schöndorfer ist freie Journalistin und Feministin aus Wien. Nicole hat damals bei der Palmers-Kontroverse mit diesem Text im Der Standard viel Aufsehen erregt, hat in der Wiener Zeitung erklärt, warum Frauenschwerpunkte in Medien ihrer Meinung nach falsch sind und hat auch schon für Broadly und über Clubkultur bei The Gap und Noisey geschrieben. Hier kannst du ihr auf Twitter folgen.

"Wie soll man dann überhaupt noch flirten?", fragen viele besorgte Männer im Zuge der #metoo-Bewegung. Es sind jene Männer, bei denen man sich als Frau mittlerweile sicher sein kann, von ihnen eben nicht angeflirtet werden zu wollen. Es sollte selbstverständlich sein, zwischen einem Flirt und einem sexuellen Übergriff unterscheiden zu können. Es gibt keine Grauzone. Bei zwei so weit auseinander liegenden Polen, die sich gegenseitig ausschließen, kann sich gar nichts überschneiden. Auch, wenn das gerne behauptet wird, um Druck von der potenziellen Täterseite zu nehmen und schon vorab ein bisschen victim blaming zu betreiben.

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Das Zauberwort lautet "Einverständnis". Alle Annäherungen, die du ohne dieses Einverständnis wagst, sind unangemessen, übergriffig und fallen unter sexuelle Belästigung. Es ist tatsächlich so simpel. Wenn sich dieses Einverständnis äußert, solltest du es merken. Genauso wie du merken solltest, wenn dein Flirten unerwünscht ist. Wenn du diesbezüglich unsicher bist, lass besser bleiben, was auch immer du vorhattest. Am besten für immer. Es ist übrigens auch völlig egal, wie sich "Anbahnungsversuche" vor dreißig Jahren zugetragen haben. "Es war eine andere Zeit", wird da stets relativierend und romantisierend angemerkt. Das ist allerdings völlig irrelevant, denn wir schreiben das Jahr 2017, also verhalte dich bitte dementsprechend.

Wir haben hier neun ganz klassische Ausgeh-Situationen zusammengetragen, die du beim Flirten als Hetero-Mann falsch oder eben besser machen kannst. Gleich vorweg – natürlich erlebt jede Frau diese Lagen unterschiedlich, mehr oder weniger intensiv, mehr oder weniger belastend. Das liegt nicht zuletzt an ihrem subjektiven Empfinden sowie ihrer individuellen Geschichte und Lebenssituation. Während dir die eine Frau als Reaktion noch spöttisch ins Gesicht lacht, ist die andere schon retraumatisiert, denn etwa jede dritte Frau in Österreich ist zumindest einmal in ihrem Leben von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. Das solltest du stets im Hinterkopf behalten.

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Das sexy Outfit auf dich beziehen und als Einladung sehen

Sie trägt einen Ledermini und roten Lippenstift? Heiß! Das dachte wohl auch sie, als sie sich vor ein paar Stunden für die neue Cocktailbar zurechtgemacht hat, denn es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie sich für dich so angezogen und geschminkt hat. Dass du ihren Stil gut findest, ist super, du scheinst Geschmack zu haben. Es ist aber nicht ihr Problem. Es ist schade, dass du bis jetzt der Auffassung warst, dass sich Frauen nur für Männer stylen würden. Es ist eine dieser gefährlichen Legenden des Patriarchats, die du gleich wieder vergessen kannst.

Die Sache ist nämlich die, dass es den meisten Frauen einfach Spaß macht, sich nach Lust und Laune anzuziehen und zu schminken. Sie finden es toll, sich zu gefallen. Sie finden es natürlich auch toll, anderen zu gefallen. Ihr Styling ist auch keine Aufforderung an dich, sie anzuflirten oder ein Indiz dafür, dass sie "flachgelegt" werden wollen. Und selbst wenn, warum gerade von dir? Auch sollte dir klar sein, dass das Outfit einer Frau im Kontext von Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen immer noch sehr stark thematisiert wird. "Was hatten Sie an?" werden Betroffene nicht selten gefragt, wenn sie Anzeigen erstatten.

Man nennt das victim blaming, denn es suggeriert, dass sie zumindest Mitschuld tragen an dem, was ihnen widerfahren ist, dass sie den Übergriff mit ihrer vermeintlich freizügigen Kleidung provoziert haben. Der Ledermini, der rote Lippenstift als Einladung zur sexuellen Gewalt. Bitte lass dich nicht auf diese immer noch sehr lebendige Tradition der Täter-Opfer-Umkehr ein.

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Das Zur-Seite-Schieben und andere Berührungen

An dieser Stelle bedarf es eigentlich keiner großen Erklärung. Fass keine Frau unaufgefordert an. Nie und nirgends. Ein klassischer Fall ist das Zur-Seite-Schieben, wenn sie etwa im vollen Club bei einem Gespräch den Gang blockiert. Wie reagierst du? Sie mit beiden Händen an der Hüfte packen und zur Seite schieben? Hochheben? Auf keinen Fall. Bitte sie doch einfach, dich vorbei zu lassen. Wenn sie dich nicht hören sollte, tippe ihr kurz auf die Schulter. Fertig.

Das Antanzen

Wenn wir schon beim Anfassen sind. Eine Tanzfläche ist kein rechtsfreier Raum, in dem du Grapschen kannst, wohin du willst. Tanzende Frauen sind ebensowenig wie sexy gekleidete Frauen Freiwild, das es zu schnappen gilt. Sie tanzen in erster Linie, weil die Musik gut ist, es Spaß macht und nicht, um die Aufmerksamkeit und Gemüter der herumstehenden Männer zu erregen. Klar ist die Tanzfläche auch ein geeigneter Ort, um sich anzunähern. Bevor du dich allerdings auf die Frau im Ledermini zubewegst, um dich an ihrem Hintern zu reiben, solltest du vielleicht mit einem kurzen Blick checken, ob sie deine Existenz überhaupt in irgend einer Form tangiert. Erwidert sie deinen Blick nicht, hat sie dich entweder nicht gesehen oder ist nicht interessiert. In beiden Fällen gilt – bleib, wo du bist. Lass sie ihr OK geben. So ersparst du dir anschließend auch die peinliche Abfuhr vor den Augen deiner Bros.

Der Drink an der Bar

"Magst du etwas trinken?" Wenn sie verneint, Pech gehabt. Wenn sie bejaht, dann hat sie entweder Durst oder mag Frinks oder ist einer Unterhaltung tatsächlich nicht abgeneigt. Wenn sie das Vodka Makava um zehn Euro nimmt, sich bedankt und damit wieder zu ihrer Squad in die Ecke spaziert, naja – sorry. Ein Drink ist kein Commitment. Auch nicht, wenn er zehn Euro gekostet hat. Wenn sie damit aber stehen bleibt, mit dir plaudert, dich vielleicht interessant findet und später noch tanzen, schmusen oder mehr will, dann hast du Glück.

"Nein" heißt "Nein" heißt "Nein"

Daran anschließend sollten wir über die vier wichtigsten Buchstaben auf der Welt sprechen. Wer "nein" sagt, meint auch "nein" und nicht "ja" oder "vielleicht" oder sonst ein Wort, das nicht "nein" bedeutet. Das ist die für dein Leben wahrscheinlich essentiellste Erkenntnis, die du aus diesem Text ziehen solltest. Eine Frau, die nein sagt, nein zum Drink, nein zum Gespräch, nein zum Tanz, nein zum Kuss, nein zum Sex, gilt es, in Ruhe zu lassen. Spar dir bitte die Frage nach dem Warum, denn du hast tatsächlich kein Recht auf eine Begründung.

Frag sie auch nicht, ob sie einen Freund hat. Ihr Unwille, mit dir zu interagieren, muss nicht automatisch mit einem anderen Mann zu tun haben. Das anzunehmen, ist im Übrigen auch sexistisch. Sie will einfach nicht. Viele Frauen hängen eine solche Begründung allerdings oft schon reflexartig an die Abfuhr an, weil es – und das ist eigentlich auch schon wieder schlimm genug – für viele Männer noch eher zu akzeptieren ist, dass sie zu einem anderen Mann gehört, als dass sie als Single-Frau kein Interesse hat.

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Einmal "Ja" zu sagen, heißt nicht zweimal oder dreimal "Ja" zu sagen

Hier steht ihr nun in der Menschenmenge, schmust wie Teenager, lacht, versteht euch und plötzlich geht das Licht an – Sperrstunde. Was nun? Du würdest jetzt gerne mit der Frau im Ledermini nach Hause gehen. Du erwartest es sogar von ihr. Immerhin hast du die letzten drei Stunden mit ihr verbracht und warst nett zu ihr. Du hast ihr vier weitere Vodka Makava um jeweils zehn Euro ausgegeben und die Küsse waren wild.

Geh nicht davon aus, dass du mit ihr mitkommen kannst oder sie mit dir mitkommen möchte. Wenn sie Anstalten macht, dass es das war für sie, dann verabschiede dich. Nur, weil sie mit dir geschmust hat, heißt das nicht, dass sie auch mit dir fummeln oder schlafen will. Wenn du wirklich nicht weißt, woran du bist, wenn ihr gemeinsam an der Garderobe steht und auf eure Jacken wartet, dann mach den Mund auf und frag sie, was sie noch vorhat. Wenn sie alleine nach Hause fahren will, dann fahr auch du alleine nach Hause und masturbiere noch ein bisschen, denn sie schuldet dir absolut nichts für die Clubnacht. Ansonsten – viel Spaß.


Oktar nennt seine Anhängerinnen "Kitten":


Der Nachhauseweg

Oft ergibt es sich, dass man noch gemeinsam mit dem Taxi fährt, weil man einen ähnlichen Nachhauseweg hat und es so günstiger kommt. Wenn der Fahrer vor ihrer Haustür hält, wirst du schnell merken, ob sie Interesse hat, dich mit nach oben zu nehmen. Ganz einfach. Geht ihr zu Fuß, kannst du sie, wenn es zum übrigen Ablauf des Abends passt – ansonsten wäre es ohnehin creepy und übergriffig – fragen, ob du sie noch bis zur Tür begleiten darfst. Es folgt die bereits bekannte Ja-Nein-Gabelung, die du mittlerweile vielleicht schon ohne weitere Anleitung bewältigen kannst.

Der Morgen danach

Du hattest Bock, sie hatte Bock, ihr seid im Bett gelandet, gemeinsam aufgewacht und nun sitzt du mit deinen Freuden beisammen und erzählst ihnen, was passiert ist. Es ist leider immer noch normal, Frauen, die sich für eine Nacht nehmen, was sie wollen, als Schlampen zu bezeichnen, als leicht zu haben. Man nennt das slutshaming. Lass diesen Schund endlich bleiben, lebe in der verdammten Gegenwart und schicke ein paar Stoßgebete in den Himmel.

Sag es auch deinen Freunden!

Wie kannst du deine neu entdeckte profeministische Einstellung nun verwerten? Rede mit deinen Freunden darüber und schreite ein, wenn du bemerkst, dass eine Frau im Club oder auf der Straße bedrängt wird, jemand ihr zu nahe kommt, sie nicht in Ruhe lässt. Wenn du trotz besseren Wissens nicht dazwischen gehst, trägst du zur Normalisierung solcher übergriffiger Verhaltensweisen und sexualisierter Gewalt bei – zur sogenannten rape culture. Vereinfacht gesagt – wenn du nicht offen dagegen auftrittst, trittst du dafür ein.

Ja, Frauen brauchen auch Solidarität von Seiten der Männer, damit sie sich in ihrem Alltag und in ihrer Lebensführung sicher fühlen können. Männer, die patriarchale Strukturen und sexistische Traditionen verstehen und bereit sind, sie produktiv und proaktiv zu verändern. Männer, die sich nicht in ihrer Freiheit und Männlichkeit bedroht fühlen, wenn sie einer Frau nicht ungestraft an den Hintern grapschen dürfen und die zwischen einem Flirt und sexueller Belästigung unterscheiden können und vor allem wollen. Es sollte schließlich auch in deinem Interesse liegen, kein sexistisches Arschloch zu sein. Kriegen wir das hin?

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