Was dein Lieblingsalbum 2016 über dich aussagt

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Was dein Lieblingsalbum 2016 über dich aussagt

Von 187 Strassenbande, Fler und Beyonce bis Blink 182: Dein diesjähriges Musik-Highlight sagt mehr über dein Innenleben aus, als dir vielleicht lieb ist.

Wenn sich das Jahr gen Ende neigt, lassen Magazine, Blogs und Zeitungen typischerweise anhand von Listen, Rankings und Charts nochmal die Ereignisse der vergangenen 12 Monate Revue passieren. Auch die Musikwelt beschenkt euch regelmäßig zu dieser Jahreszeit mit allerhand Best- und Worst-of-Listicles. Meistens begegnet ihr diesem Geschenk mit ähnlichen Emotionen, wie dem von eurem Schrottwichtelpartner: Ich habe nicht darum gebeten, was soll ich denn jetzt damit?

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Nicht so mit uns! Also klar, natürlich brauchen auch wir unsere Listicles, weil das nun mal einfach dazugehört. Aber bei uns wird es voll spannend, schwöre! Statt stumpf die beliebtesten Alben des Jahres aufzulisten, haben wir in akribischer Feinarbeit analysiert, was euer jeweiliges Lieblingsalbum 2016 über euch aussagt.

Bonez MC & Raf Camora: Palmen aus Plastik

187-Fan zu sein ist im Jahre 2016 nichts Exotisches mehr. Aber Dancehall auf Deutsch? Hallo, Exotik-Faktor! Sowas gab es so nicht mehr seit … Nun ja, Seeed. Schon „Blättchen und Ganja" auf High und Hungrig 2 versetzte dich in aufgeregte Vorfreude. Dein Arschmotor war bereits angeschmissen, aber Palmen aus Plastik ließ ihn aufheulen wie den CL500 in einem Autobahntunnel. Wo bisher immer nur Vybz Kartell, Movado und Konshens die Soundtracks zu deinen schweißtreibenden und Rum-Cola getränkten Partys lieferten, konntest du dich nun endlich auch zum markanten Bass von Deutschraps Hook-König Bonez durch den Club daggern, ohne danach im Knast zu landen. Und dass die 187 Strassenbande mal dafür sorgen würde, dass weniger Leute im Knast landen, das hätte ja wohl kaum jemand erwartet.

Fler: Vibe 

Du hast es immer gesagt: Wer Fler nicht mag, hat Rap nicht verstanden. Dafür wurdest du belächelt, musstest dir dumme Karottenwitze anhören und hast angesichts des hohen, aber doch leider nur durchschnittlichen Outputs und der immer größenwahnsinniger werdenden Interviews irgendwann sogar selbst an deinem Glauben gezweifelt. Und dann kam dieses Album. Endlich gab es Trap auch auf Deutsch, endlich konzentrierte sich Fler mal wieder ganz darauf, auch musikalisch abzuliefern. Deine Freunde nicken plötzlich anerkennend, wenn du mit deinem Maskulin-Cap durch die Tür trittst. Auch sie fühlen jetzt den Vibe. Dein Glück, dass sie das Musikvideo zu „Bewaffnet und Ready" nicht gesehen haben.

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Karate Andi: Turbo

Im Grunde bist du dieser eine Typ aus Human Traffic. Ein Leben für das Wochenende, Alkohol als Antriebsmotor und Spülwasser für synthetische Drogen. Hochgeschwindigkeitsgespräche vor der Clubtoilette über die beschissensten Rap-Am-Mittwoch-Battles. Feiern bis das Herz im Takt des Strobolichts gegen die Rippen tritt. Dann weiter durch die vom Tageslicht erhellte Stadt zum nächsten abgedunkelten Bunker. Für die Arbeitsbienen des Montagmorgenverkehrs nur verächtliche Blicke und ausgespuckte Speedklumpen übrig haben. Wieder erst Dienstag auf Arbeit erscheinen. Gott sieht dir zu und tippt anerkennend an seine Hasskappe.

Kollegah: Imperator

Deine Hobbys sind Bizeps züchten, YouTube-Dokumentationen gucken und Posts mit Kollegah-Lines kommentieren. Mit deutschem Rap kannst du nicht viel anfangen, das ist dir meistens alles zu verkifft, zu verlaucht, zu einsilbig. Jeder neue Kollegah-Track wird auf Genius studiert, die besten Vergleiche werden deinen Freunden per Whatsapp-Sprachnotiz anerkennend mitgeteilt. Und bevor du dann schlafen gehst, dankst du Gott jedes Mal aufs Neue, denn: Es gibt auf Imperator kein Seyed-Feature.

Shindy: Dreams

Zugegeben, das mit dem Rucksack in der Box war nicht so toll. Aber am meisten ärgert dich daran, dass jetzt niemand mehr über das eigentliche Album spricht. Dein sorgsam gepflegter Bart, dein orangefarbener oversized Pullover und die Yeezy Boosts zeigen: Du lebst diesen Shindy-Style und er hat dafür erneut den passenden Soundtrack geliefert. Ständig gibt er da Tipps, was du dir dieses Jahr auf den Weihnachtswunschzettel packen wirst. Und wenn dann deine Eltern schimpfen, dass ein Parfüm von Tom Ford doch viel zu teuer sei, drehst du Dreams laut in deinem Zimmer auf, wirfst dich aufs Bett, löffelst Sorbee und träumst vom Leben in der Suite des Waldorf Astoria.

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SSIO: 0,9

Du kommst inzwischen an den Türstehern vorbei und isst öfter im lokalen Burger-Restaurant, statt Big King XXL. Aber wenn's um Nuttööön, ballernde Beats und Hinterhofhumor geht, bist du immer noch der haarigste Hahn im Korb. #schaf

Coup: Der Holland Job 

Du bist Rapfan durch und durch. Wenn Haftbefehl und Xatar ein gemeinsames Album machen, dann hat das einfach großartig zu sein. Zwar fällt  es dir schwer, Blickkontakt zu halten, wenn du deiner Freundin mit Nachdruck zu verstehen gibst, Der Holland Job sei das beste Album des Jahres, aber du bist nun mal loyal. Eine Mischung aus Ride-Or-Die und Gewohnheitstier. Metaphorisch ausgedrückt ein Goldhamster in einem roten Mercedes-Sportwagen mit 250 auf der Autobahn. Muss man lieb haben, auch wenn es ein bisschen hängengeblieben ist.

Ufo361: Ich bin 2 Berliner 

Du bist kein Berliner. Ist dir aber herzlich egal, denn was Ufo361 da macht, das fühlst du einfach. Deine Arme lässt du zu jedem Trap-Beat unkontrolliert durch die Luft wirbeln, der Kopf wippt dauereuphorisch auf und ab. Bombay Gin sei Dank, kannst du dich gehen lassen und fühlst beim Mitbrüllen des Kampfrufes „Ich bin ein Berliner!" pure Freiheit, Freude und Coolness mit großem C.

Beginner: Advanced Chemistry

Dein Spiegel verrät es dir ja jeden Morgen: Digga, du bist alt! Das schiefe New Era-Cap kann zwar deine angegrauten Haare gut verdecken, aber die Falten um die Augen, die waren doch früher nicht da. Aber hey, deinen Jugendidolen geht es nicht besser—auch musikalisch gesehen. Und das ist auch verdammt gut so, das ist für dich nämlich noch richtiger HipHop. Kein asoziales Beleidigen, kein seltsames Rumgehampel auf diesen absurd langsamen Beats, kein Glorifizieren illegaler Drogen (außer Gras, aber das zählt nicht … ), sondern einfach nur ehrlicher Realtalk aus der Rap-Hauptstadt Hamburg. Das schreibst du auch fleißig in den YouTube-Kommentaren, ohne dir bewusst zu sein, dass du damit die gleichen Phrasen benutzt wie deine Eltern damals. Und verdammt, „Ahnma" ist dann auch noch ein Hit, den du im Club mit den ganzen Leuten teilen musst, die auch so Zeugs wie Gzuz und Haft und sowas hören … Danke, 2016.

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Kanye West: The Life Of Pablo

Du hast erkannt, dass 2016 wesentlich unerträglicher gewesen wäre, hätte Kanye nicht ständig für Gesprächsstoff gesorgt. Das ewige Hin und Her um den Namen, das Cover, die Tracks und die Streambarkeit von TLOPhatten deine Vorfreude nur ins Unermessliche gesteigert und wow, was hat es sich doch für dich gelohnt! „Freestlye 4" hat dich jedes Mal in der Bahn fast aus dem Sitz geprügelt, Aziz Ansaris Video zu „Famous" hast du gefühlte 30 Stunden geguckt, der Gospel-Part von „Ultralight Beam" treibt dir immer noch Tränen in die Augen, du reißt beim fließenden Übergang zu „Pt. 2" die Arme in Ekstase nach oben und scheiße, dein Ausdruckstanz bei „Real Friends" und „Wolves" ist echt Tony-Award-würdig. Kanye West ist eben immer noch dein Gott. Punkt.

Drake: Views

Du bist der Großteil der Bevölkerung und hast gelernt, deine Ansprüche runter zu schrauben. Einfach mal auf das Schöne konzentrieren und das Negative ausblenden. Du hast angefangen Yoga zu machen und nicht mehr so stark über andere zu urteilen. Einfach das Leben genießen. Du bist satt und glücklich. Das ist schön für dich, auch wenn wir (und der Rest deines Yoga-Clubs) dich ein bisschen langweilig finden.

Frank Ocean: Blonde

In dieser schnelllebigen Welt hast du gelernt, dich zu entschleunigen. Faszinierend, bereichernd, aber auch rätselhaft wirkst du auf deine Umgebung, und machst sie manchmal mit deiner unnahbaren Schönheit auch ein bisschen traurig, wenn du plötzlich wieder verschwindest. Wie ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte fliegt, sanft und frei … Und damit den Blumen, die er zurücklässt demonstriert, wie unfrei sie doch sind.

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Beyoncé: Lemonade 

Du heißt Nina Damsch.

Rihanna: Anti

Du bist nicht Teil des Beyhive und kannst deswegen zugeben, dass Anti jetzt mal ganz nüchtern und professionell betrachtet besser als Lemonade war. Yeah, du hast es gesagt, wie Rihanna auf Track Nummer 8. Natürlich kann das auch daran liegen, dass man von Rihanna weniger erwartet und deswegen umso positiver überrascht war. „Love on the Brain" war ungeschlagen dein Song des Jahres und wenn Rihanna mit von Rum und Kippen knarziger Stimme „Higher" krächzt, glaubst du ihren Schmerz tatsächlich—im Gegensatz zu Beyoncé. Das einzige, was dir nicht so gut gefallen hat, war tatsächlich der Dauerbrenner „Work". Anti ist eben einfach dein Motto.

MHD: MHD

Seit MHD läufst du stets mit entladenen Fingerpistolen in den Hosentaschen rum. Du bist der Lucky Luke des guten Geschmacks, der Sniper mit dem schärfsten Hüftschwung, der Egoshooter, der 007 des Dancefloors! Und jetzt tanz!

Kendrick Lamar: untitled unmastered

Komm schon. Das ist doch nur dein diesjähriges Lieblingsalbum, weil es außer dir keiner gehört hat oder einfach zu faul war, sich das mehr als anderthalb Mal anzuhören. Jetzt kannst du bei Gesprächen über das beste Album 2016 nur verächtlich über die Favoriten deiner Freunde schnaufen und sie darüber belehren, wie unterschätzt doch Kendricks untitled ist und wie sehr seine Kunst von seinen ätzenden Feature-Parts für Sia, Maroon 5 und Co. überschattet wird.

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War da noch was? Oh, klar, es gab ja 2016 auch die ein oder andere große Veröffentlichung aus dem Hause Gitarre … 

Metallica: Hardwired … To Self-Destruct 

Du bist ein Metallica-Fan und genau deswegen war 2016 bis zum Herbst verdammt unbarmherzig zu dir. Ständig trugen irgendwelche Boulevard-Promis Shirts deiner Lieblingsband, selbst in Modezeitschriften wurde vom Fashion-Trend gequatscht, sich „trashige" Metalshirts anzuziehen. Zum Kotzen. ZUM KOTZEN! Doch dann hast du die erste Single vom neuen Metallica-Album gehört und konntest deinen Ohren nicht trauen. Vergessen waren Lulu, Through The Never und all der peinliche Scheiß, den deine Jugendhelden in den vergangenen Jahren so von sich gegeben haben. Das war der Sound, auf den du seit der Schulzeit gewartet hattest. Umso höher deine erhobene Faust, als du das ganze Ding endlich auf deinem Plattenspieler rotieren lassen durftest (nachdem du angesichts des Covers kurz Galle im Mund hattest). Endlich kann deine Tochter ihren Metallica-Baby-Body wieder mit Stolz tragen.

Fjørt: Kontakt

Sei ehrlich, früher fandest du die Vorstellung von deutschsprachigem Post-Hardcore nicht nur schwierig, sondern regelrecht peinlich. Dann hast du Escapado gehört und bist dahingeschmolzen. Doch Escapado gibt es schon lange nicht mehr und seitdem war da immer so eine Lücke in deinem Herzen, die auch dein Engagement bei der Vokü des besetzten Hauses um die Ecke nicht füllen konnte. Dann hat dir jemand beim wöchentlichen Backen veganer Cupcakes Fjørt gezeigt. Und gottverdammt, diesen Kontakt wirst du so schnell nicht vergessen.

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Knocked Loose: Laugh Tracks

Endlich hast du mal wieder eine Entschuldigung, deine weißen Socken rauszuholen und genüsslich die Hose umzukrempeln, um sie der Welt da draußen zu zeigen. Knocked Loose haben 2016 den Hardcore der 90er wiederbelebt und scheiße, das muss gefeiert werden. Und so läufst du mit aufgeblasenen Backen, stampfenden Schritten und übergroßen Sporttrikots durch die Straßen, während du vor dem inneren Auge eine Crowd in Größe des Uruk Hai-Heers von Saruman killst. Wen wundert es da noch, dass dein Hund den Breakdown-Opener von „Counting Worms" inzwischen mitbellen kann?

Touché Amoré: Stage Four

Du hast noch niemanden an Krebs verloren, aber rein statistisch wird fast jeder zweite Deutsche mal in das ernste Gesicht eines Arztes gucken, der mit ruhiger Stimme über Karzinome und Metastasen redet. Verdammt düstere Vorstellung, die dir aber keine Minute Schlaf raubt. Dafür hast du viel zu viel Stress damit, allen Tinder-Matches zu schreiben und überhaupt nervt dich dein Soziologiestudium gerade total. Acht Semester reichen dir einfach nicht, dafür liebst du das Gender Theory-Seminar zu sehr. Dass Touché Amoré ein Konzeptalbum über den Tod geschrieben haben, welches immer wieder schmerzhaft offen über Verlust berichtet, ist dir eigentlich scheißegal. Du projizierst eh nur deine Probleme in die Melodien und suhlst dich in melancholischer Sonntagskaterstimmung.

Blink 182: California

Ja, dein Körper ist inzwischen zu heilig, um dir beim Skaten beide Handgelenke zu brechen, du schleppst dich jeden Tag nicht mehr in die Schule, sondern auf einen 40-Stunden-Job, der Kater erstreckt sich nach einer Party auf zwei (VIER) Tage und Tom DeLonge ist nicht mehr bei deiner Lieblingsband, sondern dieser andere alte Mann, der wie Mark Hoppus klingt. Und trotzdem: Irgendwie hast du es geschafft, diesen einen Teil von dir, der über Pipi-Kaka-Witze lacht,  und verhindert, deine Hosen über den Arsch zu ziehen, über all die entzaubernden Jahre des Erwachsenwerdens zu retten. Blink 182 haben dich eben nie verlassen und mit California endlich wieder ein Album rausgebracht, dass dich bei deinen Longboard-Touren an die Ostsee begleitet.

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Architects: All Gods Have Abandoned Us

Verdammt, was sollen wir groß sagen? Unser tiefstes Beileid, dass dieses Jahr mit Tom Searle das Mastermind deiner Lieblingsband gestorben ist. Dafür hat er dir zum Abschied ein wundervoll aggressives Album hinterlassen, dessen Texte und Melodien so miteinander verwoben sind, dass es dich mit jedem Durchhören tiefer in liebevolle Dekonstruktion der westlichen Gesellschaften zieht. Du wirst den Moment nie vergessen, als du auf der diesjährigen Tour „Gone With The Wind" mit zugeschnürter Kehle mitgebrüllt und in hunderte feuchte Augen geguckt hast. Dieses Album kann dir keiner nehmen.

Gojira: Magma

Du bist eine Mischung aus Brett und Wal. Deine Musik: Brett mit Texten über Wale, Weltmeere und Weltschmerz. Gojira sind größer als Godzilla. Sie sind sogar größer als dieses Metallica! Weiß nur noch keiner … Nur du und deine Brettfreunde ausm Bauhaus.

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