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Heulsuse der Woche

Diese Woche fährt die NPD mit geschmacklosen Todes-Bilanzen auf und im Örtchen Templin ist wegen der Glaubensgemeinschaft des „Fliegenden Spaghettimonsters" die Hölle los.

Das Volk hat über die Heulsuse der letzten Woche entschieden. Hier das Ergebnis:

Aber worum ging es eigentlich? Das lest hier hier:

Heulsuse #1: Die Gesellschaftswissenschaftler von der NPD

Screenshot eines NPD-Facebook-Updates, bevor dieses gelöscht wurde.

Der Vorfall: Der Tod von Tuğçe Albayrak.

Die angemessene Reaktion: Betroffen wie alle anderen über diesen Vorfall sein.

Tatsächliche Reaktion: Eine Bilanz zwischen den beiden Todesopfern Tuğçe und Daniel S. ziehen, um so rechtsextremen Pathos zu schüren.

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Wir alle haben in den letzten Tagen erfahren, wie couragiert Tuğçe Albayrak war, aber auch welchen Preis sie dafür zahlen musste. Auch Daniel S. kostete der Mut sein Leben, als er am 10. März 2013 einen Streit zwischen zwei Gruppen schlichten wollte. Die allgemeinen Reaktionen in solchen Fällen sind Trauer, Wut und Unverständnis.

Nun hat die NPD ebenfalls reagiert. Als eine Partei, die den Anspruch erhebt, politisch ernst genommen zu werden, hat sie die Analyse des Bundeshaushalts kurz bei Seite gelegt und ihr Augenmerk auf den Vergleich der beiden Todesopfer gerichtet. Das Resultat präsentiert sie auf der offiziellen Facebook-Seite.

Was uns die Partei zu sagen versucht, läuft offensichtlich auf Folgendes hinaus: Daniels couragiertes Eingreifen wird von der Gesellschaft verachtet, weil er ein deutscher Christ war, wohingegen Tuğçe Albayrak als eine Muslimin von Prominenten gefeiert und von der Politik mit Bundesverdienstkreuzen überhäuft wird.

Schaut man sich die Tabelle jedoch genauer an, kommen ein paar Fragen auf. War es wirklich die gesamte „Gesellschaft", die Daniels Grab schändete, oder nur der bereits involvierte Freundeskreis des Täters? Das gleiche gilt für die Drohungen bei der Beerdigung. Die Beschimpfung „Bastard-Nazi" kam von einem einzigen Facebook-Nutzer.

Interessant ist auch, wie die NPD den Anschein von Objektivität wahren will, indem sie ihre Fakten mit Fußnoten zu externen Presseberichten belegt. Leider stützen sich all diese Fakten auf einen mickrigen Zeitungsartikel der Jungen Freiheit, einer Zeitung, die ihm Verruf steht, rechtspopulistischen Gedankengut Vorschub zu leisten und besagten Artikel unter der Rubrik „Ausländerkriminalität" führt—als weitere Referenz wird die nicht weniger umstrittene Blaue Narzisse aufgeführt.

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Fest steht, dass sich 80 Millionen Bundesbürger nicht auf einen Facebook-Nutzer und den ominösen Freundeskreis des Täters reduzieren lassen und demnach die tatsächlichen „Reaktionen der Gesellschaft" andere waren, als jene, die uns die NPD weiß machen will.

Zugegeben, Tuğçes Todesfall spielt sich medial in einem größeren Rahmen ab, aber woran das wirklich liegt, hängt von so vielen Faktoren ab, dass eine Pauschalisierung fast unmöglich scheint. Vielleicht hängt es mit dem Fauxpas der BILD zusammen, die in gewohnt reißerischer Manier Daniels Täter fälschlich einen „Türken" nannte, obwohl er in Deutschland geboren worden war und lediglich einen türkischen Migrationshintergrund besaß; oder weil die rechte Szene sehr schnell erkannte, wie sie Daniels Tod zum Vehikel ihrer Propaganda machen kann und in sozialen Netzen zur Lynchjustiz der „Türken-Bande" aufgerufen wurde.

Allein diese Vorfälle haben ausgereicht, dass schließlich mehr über die Reaktionen zu Daniels Fall gesprochen und geschrieben wurde als über seine couragierte Tat als solche.

Wie dem auch sei; es ist perfide, im Stile der NPD beide Opfer gegeneinander antreten zu lassen. Den Tod und dieses propagandistische Ausnutzen haben sie beide nicht verdient.

Heulsuse #2: Die kirchlichen Gegner des „fliegenden Spaghettimonsters"

Der Vorfall: Die religiösen Anhänger des „fliegenden Spaghettimonsters" halten in Templin eine Messe ab. Dazu hängen sie ein Straßenschild mit dem Hinweis auf: „Nudelmesse, Freitag 10:00 Uhr".

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Angemessene Reaktion: Es mit Humor nehmen und jedem seinen Glauben lassen.

Tatsächliche Reaktion: Sich empört zeigen, das rechtmäßig angebrachte Straßenschild wieder abmontieren.

Rüdiger Weide alias „Bruder Spaghettus" ist Anhänger einer recht neuen Religion. Das sollte eigentlich kein Problem sein, schließlich war jede Religion irgendwann mal neu. Ist es aber. Er und seine Gläubigen sind Anhänger der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters" und das macht viele Menschen rasend.

Natürlich weiß auch Bruder Spaghettus, dass jeder Neuling einen schweren Stand hat, weshalb er sich in seinem Glauben auch nicht beirren lässt. Um seine Glaubensgemeinde noch fester einzuschwören, hält er am Freitag in dem Örtchen Templin eine Nudelmesse ab. Eigens dafür hat er—nach Absprache mit dem Straßenverkehrsamt—ein Straßenschild montiert, damit seine Schäfchen das Ereignis nicht verpassen.

Das schmeckt vielen in Templin aber gar nicht. Bereits am Montag hat die Straßenbehörde das Hinweisschild abmontiert. Bruder Spaghettus scheint derart Blasphemie bereits geahnt zu haben und reichte bei der Polizei Anzeige wegen Diebstahls ein. Was kaum einer wusste: Er hat sich eine offizielle Genehmigung von der Straßenmeisterei geben lassen, so dass der Landesbetrieb für Straßenwesen gezwungen war, ihm das Schild wieder auszuhändigen.

Nun hängt es wieder, wo es soll, und verweist auf die frohe Botschaft. Der Bürgermeister von Templin nimmt die ganze Angelegen mittlerweile mit Humor, bemerkt aber: „Erstens: Wir sind eine tolerante Stadt. Zweitens: Wir möchten nicht, dass religiöse Gefühle verletzt werden."

Hier ist nämlich viel Taktgefühl gefragt, denn auf der anderen Seite fühlen sich Teile der christlichen Gemeinde in Templin verarscht. Der evangelische Pfarrer Ralf-Günther Schein kündigte sogar an, eigenhändig das Schild wieder abzuschrauben, wo es doch ohnehin an einem Mast hängt, der seit zehn Jahren zu den christlichen Kirchen gehöre und der von ihnen auch bezahlt wurde. Auf das Angebot von Bruder Spaghettus, der sich an dem Mast finanziell mitbeteiligen möchte, will man nicht eingehen.

Wie es in Templin weitergehen wird und vor allem wie die Messe des fliegenden Spaghettimonsters tatsächlich aussah, erfahrt ihr in Kürze. Wir waren nämlich vor Ort und und haben mit Bruder Spaghettus und seinem christlichen Widersacher gesprochen.

Letztes Mal: Ein Rentner, der an einer Wursttheke ausgerastet ist und ein älteres Ehepaar, das seine Nachbarn wegen Geruchsbelästigung durch Waschmittel vor Gericht zerrte.

Der Gewinner: Das Anti-Waschmittel-Rentnerpaar!