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Nasenspray: Drei Ex-Abhängige erzählen, wie sie die Sucht losgeworden sind

"Wie Sido 15 Jahre lang abhängig zu sein, das ist schon sehr arg. Dass man nicht vorher mal auf die Idee kommt, das sein zu lassen."
Collage einer Frau, die Nasenspray nimmt
Foto: imago images | localpic || Bearbeitung: Sasa Schrödl

Sido will raus aus der Sucht. Nach 15 Jahren Nasenspray-Sucht will er seiner Abhängigkeit ein Ende setzen. Die ersten Fortschritte dokumentiert er auf Instagram: In seiner Story sieht man, was man eigentlich nicht sehen will, nämlich wie der 39-Jährigen seine Nase mit einer Nasendusche durchspült. "Wenn euch die Apotheke sagt: 'Leute, benutzt dieses Nasenspray nicht länger als eine Woche!' – Die haben Recht", sagt Sido.

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Der Rapper ist nicht der Einzige, der sich nicht daran hielt.

Etwa 120.000 bis 140.000 Menschen in Deutschland sind süchtig nach Nasenspray, schätzt Apotheker und Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske. Er hat erhoben, dass Nasenspray im Jahr 2018 das meistverkaufte Arzneimittel war. Problematisch sei vor allem der darin enthaltenen Stoff Xylometazolin, der die Blutgefäße in der Nase zusammenzieht und diese dadurch frei macht, sagt Roland Windt, ebenfalls Apotheker, der für die Krankenkasse AOK arbeitet. "Das ist schön und gut, wenn man Schnupfen hat. Wenn man aber länger als sieben oder zehn Tage sprüht, dann reguliert der Körper gegen: Er versucht, die Nase besser zu durchbluten, um die Gefäße wieder zu weiten." Das kann dazu führen, dass man eine höhere Dosis braucht: ein Teufelskreis. Die Sucht ist da.


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Bei längerem und häufigem Gebrauch könne man sogar eine "Stinknase" bekommen: Weil die Nasenschleimhaut trocken und rissig ist, können sich Keime ansiedeln. Windt sagt: "Das riecht dann richtig faulig." Man selbst merke das meistens nicht. Die Menschen um einen herum allerdings schon.

Wie lebt es sich mit einer Nasenspray-Sucht und wie kommt man raus? Wir haben Betroffene gefragt.

Louisa, 27: "Nach einem halben Jahr habe ich einen kalten Entzug gemacht."

"Es ist schon einfach ein nices Gefühl, Nasenspray zu benutzen. Ich war 16 oder 17 Jahre alt, als es angefangen hat. Ich war erkältet, ungefähr zwei Wochen lang. Als ich danach abends im Bett lag, konnte ich nicht gut atmen. Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr durch die Nase zu bekommen – obwohl ich wusste, dass das eigentlich Quatsch ist. Also habe ich weiter Nasenspray benutzt. Man ist ziemlich schnell in dem Strudel drin, wird schneller abhängig, als man denkt. Ein halbes Jahr ging das so. Dann habe ich einen kalten Entzug gemacht.

Es gibt diesen Stift, der in Thailand viel benutzt wird, mit Eukalyptus, den man inhaliert. Wenn man den nimmt, ist das super easy. Es fühlt sich kalt an in der Nase und man kriegt wieder Luft. Ein anderer Tipp ist, dass man bestimmte Punkte im Gesicht drücken soll, damit die Schleimhäute abschwellen. Das hat aber alles so gar nicht funktioniert bei mir.

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Heute kann ich wieder Nasenspray benutzen. Aber ich höre schneller wieder auf, damit meine Nase sich nicht so schnell an den Wirkstoff gewöhnt. Das fällt mir auch heute noch schwer. Man darf halt nicht andauernd hinterherfeuern. Wie Sido 15 Jahre lang abhängig zu sein, das ist schon sehr arg. Dass man nicht vorher mal auf die Idee kommt, das sein zu lassen."

Barbara, 56, hat 30 Jahre lang Nasenspray benutzt

"Meine Nase ist ziemlich schmal und meine Nasenscheidewand krumm. Ich bekomme also nur schwer Luft. Mit dem Nasenspray habe ich angefangen, weil sich meine Nase vor allem im Liegen oft komplett zu angefühlt hat.

Eigentlich heißt es, dass man Nasenspray nur sieben Tage am Stück benutzen soll. Ich habe es über 30 Jahre lang genommen. Ich würde auf jeden Fall sagen, dass ich süchtig war. Das Spray habe ich nur nachts benutzt, immer vor dem Schlafengehen. Da habe ich mich immer strikt daran gehalten, obwohl ich es manchmal auch tagsüber gerne genommen hätte. Es hieß immer, dass es die Nasenschleimhäute austrocknet. Aber dieses Problem hatte ich nie. Bei Routineuntersuchungen hat mein Arzt keine negativen Effekte festgestellt. Deshalb sah ich nie einen richtigen Anlass, damit aufzuhören.

Vor etwa einem Jahr habe ich meine Nase operieren lassen, um meine Nasenscheidewand zu richten. Ich hatte davor schon versucht, mit den Nasensprays aufzuhören. Das hat aber nie geklappt, ich habe immer wieder damit angefangen. Erst nach der OP bekam ich die Abhängigkeit in den Griff.

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Wenn ich jetzt wieder eine Erkältung hätte, würde ich trotzdem wieder Nasenspray benutzen. Ich hätte aber schon Hemmungen und ich würde es wahrscheinlich zuerst mit Salzwasserspray versuchen."

Yannik, 25: "Wenn ich das Nasenspray nicht dabei hatte, war ich richtig unruhig."

"Meine Mutter war früher Krankenpflegerin. Als ich noch zu Hause gewohnt habe, hatte ich deshalb immer einfachen Zugang zu Nasenspray. Als Kind hatte ich Asthma, und als ich dann nach einem Urlaub in Korsika eine fiese Erkältung hatte, hat nur Nasenspray geholfen. Weil ich Fußball gespielt habe und Leichtathlet war, war eine freie Nase wichtig für mich.

Von da an hatte ich immer Nasenspray dabei. Das ist scheiße, du gewöhnst dich so schnell daran. Wenn du es länger nimmst, musst du schon drei- bis viermal am Tag sprühen. Morgens, mittags, abends. Den ganzen Tag lang eigentlich. Wenn ich das Nasenspray nicht dabei hatte, war ich richtig unruhig, weil ich wusste: Gleich ist meine Nase zu. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern so richtig. Das fühlt sich an wie Zement, der in der Nase klebt. Betonnase. Sobald die Wirkung des Sprays nach fünf oder sechs Stunden nachlässt, fühlst du dich, als wärst du krank. Man hat das Gefühl, dass man keine Luft kriegt.

Mir war lange gar nicht bewusst, dass das schlecht für die Nase ist, und dass ich abhängig bin. Mittlerweile ist das mehr Thema, auch durch das Video von Sido. Da hat man ihm voll angehört, dass seine Nase zu ist. Mich hat irgendwann mal jemand drauf angesprochen, da lief das schon drei, vier Jahre.

Ich hab das Spray einfach irgendwann weggelassen. Vier Tage lang war die Nase komplett zu. Aber das ist ja das Ding: Du bist schon körperlich abhängig, aber es ist nur die Nase. Für die ist der Entzug zwar scheiße, aber für den Rest des Körpers nicht. Jemandem wie Sido, der jetzt aufhören will, würde ich raten, an einem Donnerstag aufhören. Dann geht es an dem Tag noch ein bisschen, weil die Wirkung noch minimal da ist. Am Freitag lässt man sich dann krankschreiben und opfert das Wochenende. Am Montag sollte man dann wieder klarkommen.

Natürlich ist Nasenspray keine harte Droge, aber die Abhängigkeit ist schon echt unangenehm. Ich finde, bei der Drogenprävention in der Schule sollte das besprochen werden. Man sollte da auch über Medikamente aufklären, die süchtig machen und die man einfach in der Apotheke kriegen kann."

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