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zauberflo

Lionel Messi ist auch nur ein Mensch

...… und das zu wissen, tut einfach nur gut! Und für diejenigen, die uns das nicht abkaufen, gibt’s hier die Begründung für diese gewagte These.
Foto: USA TODAY

Immer wenn man über einen großen Sportler sagt, dass er auch nur ein Mensch ist, hat er sich wahrscheinlich gerade einen unerwarteten Blackout erlaubt. Oft schwingt bei dieser Aussage auch ein bisschen Genugtuung mit, weil es einfach beruhigend zu sehen ist, dass auch die Größten ihrer Gilde nicht vor Aussetzern gefeit sind. Denn die meiste Zeit über wirken sie auf uns wie seltsame und weit entfernte Charaktere, die wir nur durch Werbespots, Interviewauftritte und ihre Leistungen auf dem Platz „kennen und die uns deswegen bisweilen glauben lassen, dass sie einer anderen Spezies angehören müssen. Unsere Deutungen von Superathleten basieren auf einer vollständig unzureichenden Beweislage, aber sie ist eben alles, was wir haben. Roger Federer wirkt erschreckend gelassen. Kobe Bryant ist ein Freak ohne echte Freunde. Cristiano Ronaldo ist das geborene Vorbild für alle präpubertären Schuljungen und der Liebling der Haargelindustrie. Peyton Manning ist ein wandelnder und werfender Computer, der genau so viel Humor zu bieten hat, dass wir denken, er ist vielleicht doch keiner.

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Und Leo Messi ist eben ein netter Kerl. Sogar die Tatsache, dass auch Sepp Blatter das so sieht, lässt uns diese These nur bestätigen. Messi, der schon so ziemlich jeden seiner Gegenspieler wie eine von Tornados heimgesuchte Nachbarschaft aussehen ließ. umgibt sich selbst mit einer Aura ausdrucksloser Undurchdringlichkeit, die viele Kommentatoren glauben lässt, ihm fehle es am nötigen Selbstbewusstsein (andere sprechen hingegen von einer gewissen Heiligkeit in seinem Auftreten). Auf jeden Fall scheint es so, dass er sich so ziemlich nichts aus Fame macht. Er hat noch keine bemerkenswerten Interviews gegeben (ihr wisst schon, so herrlich amüsante Aussetzer à la Mertesacker bei der WM). Und auch auf dem Platz ist er zumeist die Ruhe selbst. In einer YouTube-Compilation mit dem reißerischen Titel „„Lionel Messi—Craziest Moments & Fights" ist einer der Höhepunkte, als er sich mit Sergio Ramos fünf Sekunden lang hin und her schubst. Ein bekannter englischer Sportreporter hat Messi zu seinem zehnjährigen Jubiläum im Dress des FC Barcelona eine sehr anerkennende Kritik gewidmet und die Quintessenz seiner Analyse könnte man mit folgenden Worten zusammenfassen: Er scheint sehr, sehr gerne Fußball zu spielen. Sportreferenten auf der ganzen Welt zerbrechen sich nur allzu gern den Kopf über die Person Lionel Messi, doch besonders weit kommen sie dabei nie. Denn viel mehr als sein schelmisches Grinsen bietet uns der „„Zauberflo" eigentlich nicht.

Wenn man so wenig über einen so bekannten Spieler weiß, ist klar, dass besonders viel gemunkelt wird. Aktuell kursiert das hartnäckige Gerücht, dass Messi bei den Blaugrana nicht mehr glücklich ist. Natürlich geht es hierbei offiziell darum, dass der beste Spieler der Welt in naher Zukunft für einen anderen Verein auflaufen könnte. Doch tief im Herzen sind wir Beobachter vor allem gefesselt von dem Gedanken, dass Messi (angeblich) endlich ein bisschen unzufrieden bei Barcelona ist, für die er schon spielt, seit er 13 ist—und das bis vor Kurzem auch noch voller Zufriedenheit! Er scheint nämlich mit dem aktuellen Cheftrainer Luis Enrique ein Problem zu haben. Außerdem deutet einiges darauf hin, dass Barças ganz fetten Jahre vorbei sein könnten. Doch so richtig wurde die Gerüchteküche erst zum Brodeln gebracht, als der Verein verlauten ließ, dass ein Wechsel Messis durchaus im Bereich des Möglichen liegen würde, wenn ein Verein bereit wäre, die festgeschriebene Ablösesumme von rund 290 Millionen Euro auf den Tisch zu legen.

Foto von Kyle Terada—USA TODAY Sports

Die Wahrheit sieht aber anders aus. Wahrscheinlich wird Messi nirgendwo hingehen. Das ändert aber gar nicht so viel für uns Fans und Zuschauer. Bedeutet es doch, dass auch er manchmal nörgelt und mit seinem Job unzufrieden ist. Diese Schlussfolgerung kommt angesichts der Leere an Informationen über Messi fast schon einer Enthüllung gleich. Aber sind wir mal ehrlich: Natürlich wird auch ein Messi mal sauer. Natürlich denkt auch er von Zeit zu Zeit darüber nach, sich einer neuen beruflichen Herausforderung zu stellen. Doch wohl aufgrund seiner unnachahmlichen Brillanz auf—und seines bescheidenen Auftretens neben—dem Platz, haben wir Messi zu einem fußballzelebrierenden Superhelden verklärt, bei dem jeder noch so kleine Akt normalmenschlichen Handels sofort die Fußball-Paparazzi auf den Plan und Platz ruft.

Gedankenspiele dieser Art können auf den ersten Blick etwas stupide und peinlich redundant rüberkommen. Doch die Wahrheit ist, dass Spitzenleistungen von Spitzenathleten fast schon hypnotisch auf uns wirken können. Sie lassen uns Sachen glauben, die wir im normalen Leben für lächerlich halten. Die Transfergerüchte rund um Messi handeln von der neuartigen Möglichkeit, dass er in Zukunft das Pariser Publikum mit seinen künstlerisch wertvollen Soli entzücken könnte. Aber sie erzählen auch die Geschichte von unseren enttäuschten Erwartungen darüber, wer Messi ist und was er denkt und tut, wenn er nicht am Ball ist. Am Ende ist er eben auch nur ein Mensch. Das wussten wir natürlich schon, aber irgendwie hatte er unser Hirn dermaßen schwindlig gespielt, dass wir diese offenkundige Tatsache für lange Zeit vergessen haben.