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Kultur

So unterschiedlich sehen ,Krone' und ,Bild' die Flüchtlingsszenen in Griechenland

Während sich die ,Bild' pro Asyl stellt, macht die ,Kronen Zeitung' Stimmung gegen Flüchtlinge—und ist damit auch bei der Regierung angekommen.

Irgendwie beeindruckend, wie das helle Deutschland und das dunkle Österreich dieselbe Realität beschreiben. — Jennifer N. Pyka (@MissPyka)29. Februar 2016

Am Montag eskalierte an der griechisch-mazedonischen Grenze die Situation, als Flüchtlinge versuchten, die Absperrungen und Blockaden der Sicherheitskräfte zu durchbrechen. Die Bilder verbreiteten sich rasch: frustrierte, aufgebrachte Männer, weinende Kinder, Tränengas, Blendgranaten, Verletzte. Bilder, die eigentlich für sich sprechen.

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Die Schlüsse, die die zwei auflagenstarken Boulevardblätter Deutschlands und Österreichs—die Bild und die Kronen Zeitung—aus der Situation zogen, hätten aber unterschiedlicher nicht sein können.

Auf der einen Seite die Bild, deren Reporterin vor Ort in der Headline der Startseite ausrichten ließ: „Schämst du dich nicht Europa, wenn du diese Kinder siehst?" Im zugehörigen Artikel werden weitere Fotos von Kindern und Frauen gezeigt—auf Lesbos, aber auch in Idomeni, dem Flüchtlingslager unweit der mazedonisch-griechischen Grenze. Ähnliche Bilder werden etwa auch vom britischen Boulevard verbreitet.

Screenshots via Twitter

In der österreichischen Variante sieht das anders aus. Bei der Kronen Zeitung glaubt man, dass die „filmreifen" Szenen so niemals stattgefunden haben; man spricht von einer „Inszenierung", die im dazugehörigen Artikel in genau einem Satz dadurch begründet wird, dass neben den Flüchtlingen ja „zahlreiche Medienvertreter" anwesend gewesen wären. Die Kinder der Flüchtlinge seien dafür nach vorn geschoben worden.

Es geht nicht darum, den „besseren" Boulevard zu küren. Wie konsequent die Krone jedoch die tatsächliche Dramatik vor Ort unter den Teppich kehrt, ist aber schon einzigartig. Dabei geht es wohl auch darum, die eigenen Linie zu verteidigen, die man—mittlerweile ja erfolgreich—an die Bundesregierung adressiert hat.

Die Szenen, die eher an die Kriegsgebiete erinnern, aus denen die Menschen derzeit flüchten als an die Tore Europas, sind eben auch eine unmittelbare Reaktion der von Österreich initiierten Balkanpläne—nur, dass man sie daheim lieber nicht als solche verkaufen möchte.

Die Bild gilt sicher nicht als sonderlich links oder ausländerfreundlich, positioniert sich in der Flüchtlingsproblematik aber klar pro Asyl. Diese Linie kann, muss aber nicht zwingend mit der Politik Merkels zusammenhängen. Entscheidender ist, dass das österreichische Entsprechungs-Blatt—zusammen mit den Rechtspopulisten—wohl einen ungleich höheren Impact auf die Regierenden selbst hat. Während in Deutschland also neben den Medien auch die Politik selbst noch Agenda-Setting betreibt, ist in Österreich der Boulevard zur maßgeblichen Macht geworden, nach der sich die Politik richtet. Die jüngste Kampagne des Innenministeriums ist dafür nur ein Indiz.

Robert Menasse hat es im Dokumentarfilm Tag für Tag ein Boulevardstück so ausgedrückt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein deutscher Kanzler in der Früh zu allererst in der Bild-Zeitung nachschaut, er liest die FAZ. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein englischer Premierminister nach der Sun lechzt, sondern eher die Times liest." Hierzulande läuft das wohl anders.

Thomas auf Twitter: @T_Moonshine