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Wahlen 2015

Warum vor allem Strache von den ganzen Wahl-Umfragen profitiert

Die wöchentlichen Umfragen können den Wahlausgang nicht voraussagen, sie können ihn aber beeinflussen. Heinz-Christian Strache ist deshalb mittlerweile ein wahrer Umfrage-Fan.

Foto: Franz Johann Morgenbesser | Flickr | CC BY-SA 2.0

Es ist mehr als unglücklich, dass die aktuelle Flüchtlingssituation zeitlich ausgerechnet mit den Wahlkämpfen in Wien und Österreich zusammenfallen musste. So haben sich zwei Ereignisse vermischt, die im besten Fall nichts miteinander zu tun haben sollten. Dass auf dem Rücken von Flüchtlingen Wahlkampf gemacht wird, hätte nicht passieren dürfen, war aber realpolitisch unausweichlich. Ignorieren kann man das, was derzeit passiert, als Politiker natürlich nicht.

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Am strategisch perfidesten ging dabei aber die FPÖ vor. Ganz zu Beginn, als sich die Ereignisse etwa am Westbahnhof überschlugen, war man ziemlich still. Nun hat die Partei das Thema Flüchtlinge aber endgültig in den Wahlkampf integriert und man bespielt wieder fleißig Ängste—etwa durch angebliche ISIS-Kämpfer, die sich unter die Fliehenden mischen—oder bedient sich plumper Diffamierungen, wie in Form von Postings über verdreckte Züge oder Quartiere.

Strache nutzt die Situation, um sich nicht mehr nur als aufholenden Herausforderer, sondern als siegreichen Staatsmann zu präsentieren, der sogar glaubt, den Asylnotstand im Land ausrufen zu können. Dieser Personenkult und das Sieger-Image werden nicht zuletzt ergänzt durch Meinungsumfragen.

Es vergeht fast kein Tag, an dem Strache nicht die neuesten Umfrageergebnisse für die Wien-Wahl stolz auf seiner Facebook-Seite präsentiert. Dazu gibt es Ansagen wie „Gemeinsam schaffen wir das" und „Eine Veränderung ist möglich".

Umfragen geben Strache die Möglichkeit, den knappen Zweikampf, den er immer herbeisehnte, als unausweichlich und selbstverständlich zu inszenieren und sein Publikum dementsprechend darauf einzupeitschen. Strache scheint ein wahrer Umfrage-Fan geworden zu sein. Das Absurde daran ist, dass er und seine Partei selbst lange Zeit über gegen Umfrageinstitute und deren „Kaffeesud-Leserei" gewettert haben.

„Publizierte Umfragen können definitiv das Wahlverhalten beeinflussen", erklärt Dr. Eva Zeglovits, Geschäftsführerin des Meinungsforschungsinstituts IFES, gegenüber VICE. Die Expertin erstellt in ihrem Institut laufend selbst Umfragen, betont aber verschiedene Effekte, die vor allem in Wahlkampfzeiten durch Umfragen verstärkt werden, so etwa das strategische Wählen: „Wenn man das Gefühl hat, es wird knapp und die Stimmung ist aufgeladen und polarisiert, dann geht man eher zur Wahl, oder man wählt statt der eigentlich bevorzugten Partei eine andere, um zu verhindern dass eine bestimmte Partei Erster wird." Auch ein „Bandwaggon-Effekt" kann eine Rolle spielen. Er bewirkt, dass sich Menschen von Gewinnertypen angezogen fühlen, beziehungsweise mit deren Strom mitschwimmen wollen.

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In einigen Ländern wie Frankreich, Spanien, Portugal oder Ungarn gibt es aufgrund von solchen Beeinflussungseffekten sogar gesetzlich beschränkte Fristen für Umfragen vor Wahlen. Ein bis zwei Wochen vor dem Wahltermine dürfen dort keine Umfragen mehr veröffentlicht werden. In Luxemburg galt dies bis vor Kurzem sogar noch bis zu für einen Monat vor der Wahl.

„Das Hauptproblem ist, dass die wöchentlichen Umfragen in der Öffentlichkeit überinterpretiert werden", ergänzt Dr. Zeglovits. „Wenn sich eine Partei in einer Woche um ein oder zwei Prozent verbessert, dürfte das eigentlich nicht so stark betont oder als Aussage verkauft werden." Die Expertin spielt dabei nicht zuletzt auch auf die enorme Schwankungsbreite von Umfragen an, die bei Befragungen mit nur 400 oder 500 Personen besonders hoch ist.

„Publizierte Umfragen können definitiv das Wahlverhalten beeinflussen."

Dazu kommt, dass bei Umfragen ein großer Teil der Befragten, Dr. Zeglovits nennt als Anhaltspunkt 15 bis 30 Prozent, gar keine Partei nennt—manche machen keine Angabe, weil sie es noch nicht wissen, andere, weil sie es nicht verraten wollen.

So kann es gut sein, dass sich bei einer angegeben Zahl von 400 Befragten am Ende nur 300 Personen für eine Partei aussprachen. Die restlichen „Weiß Nicht/Keine Angaben"-Antworten werden optisch aber meist nicht entsprechend kenntlich gemacht (zum Beispiel durch einen eigenen Grafikbalken), sondern elegant verschwiegen.

Eine Umfrage ist bekanntlich noch keine Wahl, aber im derzeit herrschenden, emotionalem Klima spielen die reinen Stimmungs-Baromter einem reinen Stimmungsmacher wie Strache sicherlich in die Hände. Am Ende könnten sie durchaus zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Zumindest, solange wir sie nicht kritisch genug hinterfragen.

Thomas auf Twitter: @t_moonshine