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Sex

Wir haben Leute gefragt, wann sie sicher sind, dass jemand Sex mit ihnen will

"Es gibt nicht das eine Signal – wenn sie dir die Zunge in den Hals steckt, ist das aber ein Hinweis darauf, dass sie dich gut findet."
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Auf der Skala der dümmsten Sätze, die im Zuge der #MeToo-Debatte gefallen sind, stehen ganz oben:

"Aber darf mann denn jetzt noch flirten?"

"Muss ich jetzt die schriftliche Einverständnis des anderen einholen, bevor ich Sex habe?"

In Deutschland brauchte es den Postillon, um den Leuten zu erklären, welche Missverständnisse und Falschmeldungen in den letzten Wochen verbreitet wurden – und letztlich auch, dass beim Thema einvernehmlicher Sex jeder gefragt ist, unabhängig vom Geschlecht.

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Anlass der Falschmeldungen war ein neues Gesetz in Schweden, das die Position von Opfern sexueller Übergriffe stärken soll, damit ein für allemal klar ist, dass man niemanden zum Sex zwingen darf, der nicht gesagt oder durch sein Verhalten klargemacht hat, dass er Sex haben möchte. Eigentlich logisch, aber warum ist es für manche Leute dann immer noch so schwer zu erkennen, ob sie flirten oder jemanden belästigen; wann Sex einvernehmlich oder erzwungen ist? Wir haben junge Leute gefragt, wie sie das regeln.

Tanita, 25

VICE: Wer macht bei dir den ersten Schritt?
Tanita: Üblicherweise macht das mein Gegenüber, weil ich schüchtern bin und mich nicht aus meiner Haut traue. Leider selbst dann, wenn es mein Traummann ist.

Was ist das erste Anzeichen, an dem du sexuelles Interesse bei deinem Gegenüber bemerkst?
Die Männer, mit denen ich zu tun hatte, waren alle recht plump und haben das verbalisiert. Oder sie haben mir sehr eindeutige Avancen gemacht, indem sie angefangen haben, mich zu entkleiden, ohne das vorher angesprochen zu haben. Da ist es schon sehr offenkundig, was das Ziel ist.

Wie hast du in solchen Situationen reagiert?
Das kommt drauf an. Wenn ich das selbst wollte, dann ist es ja nicht schlimm und wenn ich das nicht wollte, habe ich das klar ausgedrückt. Wenn die Grundstimmung von beiden Seiten die gleiche ist und es passt, dann stört mich das nicht.

Was hältst du davon, wie das Gesetz in Schweden Sexualität regeln soll?
Prinzipiell sollte jeder, bevor er irgendwelche sexuellen Handlungen eingeht, abklären, ob das überhaupt in Ordnung geht. Kampagnen wie #MeToo und "Nein heißt Nein" finde ich sehr wichtig, weil sie die öffentliche Aufmerksamkeit darauf gelenkt haben, dass beiderseitiges Einverständnis nötig ist. Bei einem Gesetz werden wir immer irgendwelche Lücken haben, die davon nicht abgedeckt sind. Dann stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, mit dem Gesetz in Sexualität einzugreifen.

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Hast du eine Idee, wie man das besser angehen könnte?
Das ist ein Erziehungsaspekt, der oft vernachlässigt wird. Da musst du frühzeitig ansetzen, um Jungen wie Mädchen beizubringen, dass egal, was sie tun – nicht nur Sex, sondern zum Beispiel auch, wenn sie als Kinder mit dem Spielzeug von jemand anderem spielen wollen –, sie vorher fragen sollen und auf die Gefühle der anderen Rücksicht nehmen.

Ulli, 23

VICE: In Schweden gilt künftig: Ja im Voraus statt "Nein heißt Nein". Was von beidem findest du sinnvoll?
Ulli: Ich bin eher für die Nein-Regelung, einfach, weil du es dir auch bei vorhergehendem Einverständnis vielleicht anders überlegst. Wenn man zugange ist, ist es, glaube ich, recht eindeutig, dass Interesse besteht. Und da ist ein "Nein" im Zweifelsfall sinnvoller als eine vorherige Versicherung.

Woran merkst du Gegeninteresse von anderen, wenn du sagst, das sei eindeutig?
Wenn ich sage "Man fühlt es einfach", ist es wahrscheinlich zu simpel, aber ich denke, dass Frauen wie Männer sehr eindeutig klarmachen können, ob sie etwas möchten oder nicht. Wenn ich jemanden an mich heranlasse, suggeriere ich ihm ja, dass ich das in Ordnung finde, und habe die Möglichkeit, Nein zu sagen. Wenn die andere Person das Nein dann nicht akzeptiert, ist es natürlich etwas anderes.


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Und wenn du den ersten Schritt machst?
Ich habe mich nie rückversichert, ich habe das einfach gemerkt und dann war es auch OK. Es ist wirklich schwierig, dann zu fragen: "Hey, hast du auch Bock?" Aber ich glaube, spätestens wenn man mit einem Kondom verhütet und das da ist, ist für beide Seiten klar, wohin es geht. Ich glaube, da braucht es keine extra Rückversicherung und spätestens da kann ich auch sagen: "Sorry, das geht mir gerade zu schnell."

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Wie, meinst du, wird sich dieses Gesetz auf die Debatte um Konsens auswirken?
Ich finde es gut, wenn sich beide Parteien über das gegenseitige Einverständnis versichern und es keine Missverständnisse gibt. Auf der anderen Seite nimmt es vielleicht die Romantik aus der Sache. Insgesamt halte ich es aber für keine schlechte Sache, auf Nummer sicher zu gehen, weil es offensichtlich Missverständnisse in sexuellen Situationen gibt – das haben wir auch in der jüngsten Debatte um #MeToo gesehen.

Sophie, 25

VICE: Wie wirkt es sich auf die Debatte um Konsens aus, wenn Zustimmung zum Sex gesetzlich geregelt wird?
Sophie: Generell würde es uns schon weiterbringen, wenn alle ein Nein auch als ein Nein akzeptieren würden – wenn das gegeben ist, weiß ich nicht, warum man, unabhängig von dem Gesetz, jedes Mal eine positive Zusage einholen sollte, auch wenn Konsens unter allen Partnern natürlich gegeben sein muss.

Woran merkst du, dass jemand an dir sexuell interessiert ist?
Ich frage ganz einfach, ob es OK ist, was ich tue, und finde es ganz allgemein wichtig, immer zu schauen, ob es dem Partner gut geht. Zumindest finde ich es selbst völlig ausreichend, wenn das jemand bei mir so macht und auch dann aufhört, wenn ich es sage. Ich weiß nicht, ob das kurzsichtig ist und ich noch andere Dinge einbeziehen müsste, für mein alltägliches Leben reicht es aber.

Bemerkst du da Unterschiede zwischen Frauen und Männern?
Nach meiner persönlichen Erfahrung, auch wenn das vielleicht stereotypisierend klingt, habe ich bei Männern öfter das Gefühl, dass sie auf mich zukommen und generell dominanter sind. Da werde ich eher in die Position gebracht zu sagen, ob etwas OK oder nicht OK ist, wobei Konsens natürlich von beiden Seiten eine Rolle spielt. Bei Frauen kommt es mir so vor, dass es eher "auf einer Ebene" abläuft und du dich eher absprichst und absicherst.

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Jan, 18

VICE: Woran merkst du, dass jemand Interesse an dir hat?
Jann: Ich glaube, das ist ein zwischenmenschliches Ding. Das erkennt man an den Gesten, der Verhaltensweise und den Blicken – also der ganzen Körpersprache eines Menschen. Spätestens, wenn die Person auf einen zugeht, sollte man schon davon ausgehen, dass sie einem nicht ganz abgeneigt ist.

Und wenn du den ersten Schritt machst?
Dann fass ich sie nicht gleich an, sondern versuche, ein Gespräch zu führen. Wenn sich von beiden Seiten offenkundiges Interesse ergibt, kann ich mehr machen. Das ganz klare Interesse hast du natürlich erst, wenn jemand sagt: "Komm mit nach Hause." Ich glaube, es gibt nicht das eine Signal, das dir zeigt, dass jemand mehr will – wenn sie dir die Zunge direkt in den Hals steckt, ist das aber auf jeden Fall ein Hinweis, dass sie dich gut findet.

Wie siehst du die neue Regelung in Schweden?
Zum einen ist sie gut, weil sie präventiv gegen Vergewaltigungen wirkt. Zum anderen wäre es totaler Unsinn, wenn selbst Ehepaare jedesmals zustimmen müssen, bevor sie Sex haben. Um die Probleme mit dem Thema zu lösen, bräuchten wir vielleicht stärkere Institutionen und Verbände, an die sich Betroffene wenden können, ein breiteres mediales Interesse und eine größere Aufklärungskampagne.

Lukas, 27

VICE: Wie zeigst du anderen, dass du sexuelles Interesse an ihnen hast?
Lukas: Ich sorge für Blickkontakt, begebe mich in die Nähe und warte, dass die Person mich anspricht. Wenn nicht, dann spreche ich sie an. Ich sage der Person dann relativ bald, dass sie hübsch ist. Wenn ich den Blick mit meinem Gegenüber länger als zehn Sekunden halten kann und es zwischen uns still ist, merke ich, dass Interesse da ist.

Auf was achtest du, wenn es ernst wird?
Ich versuche dann, Körperkontakt hinzubekommen, während ich meinen flirtigen Blick halte und warte, dass sich mein Gegenüber mir nähert. Knutschen ist ja dann vorprogrammiert, ich versuche aber auch weiter, selbstbewusst das Gespräch zu lenken. Beim Gehen von der Location frage ich, was die Person noch macht und ob sie nicht zu mir nach Hause gehen möchte. Ich habe es auch schon so hinbekommen, dass ich nur mit Blicken die Aufmerksamkeit von jemandem auf mich gezogen habe und die Person mich angesprochen hat. Das ist natürlich voll das Ass und ich kann so tun, als würde ich mich geschmeichelt fühlen, angeredet zu werden, wo ich doch alles geplant habe.

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Was hältst du von dem neuen Gesetz in Schweden und der Debatte darüber?
Das Gesetz in Schweden ist begleitet von Stimmen von Männern, die, was weiß ich, was rechtfertigen wollen. Wenn es hilft, Vergewaltigungen einzugrenzen, gut. Niemand erwartet von einem Gesetz, dass es romantischen Ansprüchen genügt, das wäre wirklich borniert. Vielleicht sollte man einfach immer wieder fragen, ob etwas OK ist, das mache ich auch zwischen den einzelnen Schritten. Wenn du aber "Willst du Sex haben?" fragst, dann klingt das deswegen so komisch, weil Sex als abgepacktes Produkt präsentiert wird und nicht als etwas, bei dem der Weg das Ziel ist.

Moha, 26

VICE: Woran merkst du, dass es OK ist, körperlicher zu werden?
Moha: Wenn ich merke, dass sie mich auch sympathisch findet und Interesse an mir hat. Ich sehe das zum Beispiel an den Blicken oder daran, dass sie sich durch die Haare streicht, insgesamt durch die Art, wie die Frau mit mir spricht. Natürlich kannst du es auch testen und fragen, ob sie dieses oder jenes machen möchte, dann merkst du an der Reaktion auch, ob du Recht hattest oder nicht mit dem Interesse.

Wer macht bei dir den ersten Schritt?
Auf jeden Fall ich, ich finde, das sollte der Mann machen.

Wie stehst du zu der schwedischen Regelung?
Ich habe nichts dagegen, dass das in einem Gesetz festgehalten wird, ich würde ja selbst nichts so Krasses tun, dass es irgendwie Probleme gibt.

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