FYI.

This story is over 5 years old.

Kommentar

Warum mir meine Nominierung für die "besten DJanes der Welt" am Arsch vorbeigeht

"DJane" ist sowieso ein Wort, das bei mir Brechreiz auslöst.
DJ Acee
Foto: zvg

Astrid Meier steht als DJ Acee seit mehr als 17 Jahren hinter den Decks und ist eine feste Grösse in der Schweizer HipHop-Partyszene. Ihre Karriere führt sie nicht nur in fast jeden Club des Landes, sondern auch nach Tokio, Dubai, Paris und Barcelona.

DJ-Votings sind vom Aussterben bedroht. Oder vielleicht hat die Dance-Music-Bibel Resident Advisor dieses Phänomen sogar schon zu Grabe getragen, als ihre Macher 2016 die jährliche DJ-Liste abgeschafft haben. Aber anscheinend gibt es immer noch Leute, die einen Online-Beliebtheitswettbewerb für sinnvoll halten.

Anzeige

So habe ich vergangene Woche erfahren, dass ich für das "Top 100 DJanes of World 2018"-Voting nominiert bin – durch eine Fotocollage eines Instagram-Accounts mit dem unglücklich gewählten Namen "DjaneTop". Davor wusste ich weder etwas von der gleichnamigen Website noch von meiner Nominierung.

Jetzt zieren ungefragt Fotos von mir diesen Instagram-Account, auf der Website gibt es ein ganzes Profil von mir. Da hat sich jemand die Mühe gemacht, Infos über mich im Netz zusammenzusuchen, inklusive Biografie, Musik und Social-Media-Links – aber offenbar war es den Verantwortlichen nicht die Mühe wert, mich direkt zu kontaktieren.

Nicht nur über mich gibt es auf der Seite Infos: Die Website enthält Tausende Profile wie meins. Einige davon finde ich ziemlich cool, bei anderen erreicht mein Fremdschämbarometer mühelos das Maximum. Auf jeden Fall bin ich überrascht, wie viele Kolleginnen ich habe.

Aus der Schweiz sind 13 DJs gelistet. Von einigen habe ich noch nie gehört, von anderen weiss ich, dass sie hobbymässig mal hier, mal dort spielen. Einige bekannte Namen fehlen komplett. Spätestens damit hat die Liste bei mir ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

Foto: Screenshot Djanetop.com

Foto: Screenshot DjaneTop.com

"DJane" ist sowieso ein Wort, das bei mir Brechreiz auslöst. Diese Gender-Differenzierung zeigt nur einmal mehr, dass nicht jeder denkt, dass Frauen und Männer das Gleiche hinter den Decks machen. An die vielen Sprüche habe ich mich nach mittlerweile 17 Jahren als DJ gewöhnt. Es ist aber immer noch erstaunlich, wie oft man sich als Frau hinter dem DJ-Pult erklären muss. Wie ich als Frau nur so gut auflegen könne? Ich glaube, jede DJ kennt die Sprüche, die Blicke, die Diskriminierung.

Anzeige

Deshalb stellt sich mir auch die Frage: Aus welcher Motivation macht jemand so ein "DJane"-Voting? Wer steckt hinter diesem Contest und was bringt einem eine Nominierung für die "Top 100 DJanes of World 2018"? Ich recherchiere und finde den Verantwortlichen: Der wohltätige Förderer der weiblichen DJ-Kultur ist ein gewisser Ron Neumann aus Tallin, der Hauptstadt von Estland.


Thump-Video: Wie DJs in Kubas Krisenzeiten eine ganze Bewegung formten


Er schreibt auf der Website: "'DjaneTop' ist ein Paradies für talentierte Ladys, wo sie sich jeden Tag ihre Erfolge und ihren Fortschritt anschauen können. Es ist eine Chance, deine Mitstreiterinnen im Auge zu behalten und zu sehen, wie deine harte Arbeit deine Position Tag für Tag verbessert. Die beste Motivation für jede DJane, härter an ihrem Weg zur Spitze zu arbeiten."

Mit "harter Arbeit" meint Herr Neumann offensichtlich, dass ich DjaneTop.com in meinen Netzwerken promoten und Bannerwerbung auf seiner Seite schalten soll. Und überhaupt alles tun, um zu mehr Votes zu kommen. Je mehr Marketing-Budget man investiert, umso mehr Votes also. Das wird dann wohl auch die Hauptmotivation von Herr Neumann sein: so viel Bannerwerbung wie möglich zu verkaufen. Schade, ich habe das letzte "pinke Wochenende" verpasst, da gab's 20 Prozent Rabatt.

DjaneTop.com ist übrigens nicht die einzige Website, die anhand eines öffentlichen Votings eine Rangliste von ausschliesslich weiblichen DJs erstellt: "DJaneMag" und "TheFDJList" sehen aus wie Klone von "DjaneTop" und sind ähnlich irrelevant.

Anzeige
DJaneMag

Foto: Screenshot DJaneMag.com

Das Schlimmste ist das Bild, das "DjaneTop" oder "DJaneMag" eifrig nach aussen tragen. Auf den Werbebannern und der Frontseite präsentieren sich nicht die Frauen, die für gute Musik und Können an den Turntables bekannt sind – und die ich dafür respektiere. Eher drängt sich der Eindruck auf, dass die DJs, die sich hier promoten, fehlende Skills mit nackter Haut kompensieren müssen. Dass diese DJs sich so inszenieren, ist für das Image von weiblichen DJs insgesamt schädlich. Sexy sein ist kein Problem – aber nicht der Körper, sondern die Musik sollte im Vordergrund stehen.

Ausserdem mache ich mir wenig aus dieser Nominierung, weil Onlinevotings für solche Listen auch gekauft werden können, ob mit Werbung oder gefakten Stimmen. Man benötigt nicht mal herausragende Computerkenntnisse, um ein solches Online-Voting selbst zu manipulieren. Eine Top-Platzierung in so einer Liste sagt daher wenig über den tatsächlichen Erfolg und die Skills einer DJ aus. Nicht mal die Top 100 von DJ Mag werden in der Szene noch wirklich ernst genommen. Trotzdem nutzen manche ihr Ranking in einer solchen Liste zur Selbstvermarktung. Einige verschaffen sich damit vielleicht sogar mehr Ansehen – bei Menschen, die keine Ahnung vom DJ-Metier haben.

Ich investiere meine Energie und Zeit lieber in meine Sets als in ein Ranking, das unkontrollierbar ist und statt Skills nur Werbebudgets misst. In einer Zeit von Fake-Votes, Fake-Followern und Fake-Likes sollten wir Top-Platzierungen in solchen DJ-Listen unbedingt hinterfragen. Besonders wenn die Macher der Liste anscheinend selbst Follower und Likes einkaufen – "DjaneTop" zählt auf Instagram fast 100.000 Follower, aber selten mehr als 500 Likes auf ihren Posts.

Anzeige

Wie uns schon 1988 Public Enemy ans Herz legten: Don't believe the hype!

** Mehr zum Thema:

Folgt Noisey Schweiz auf Facebook, Instagram und Spotify. Folgt Noisey Austria auf Facebook, Instagram und Twitter. Folgt Noisey Deutschland auf Facebook, Instagram und Snapchat.