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Neo Magazin Royale

Jan Böhmermann ist zurück und zerlegt mit dem Ex-LKA-Hutbürger Maik G. Sachsen

"Noch sorgloser relaxen als in Erdoğans Türkei kann man im nazifreien Sachsen."

Ganz Deutschland konnte Sachsen in den vergangenen Wochen dabei zusehen, wie sich das Bundesland mit Hitlergrüßen, öffentlichen Jagden auf nicht-weiße Menschen und einem "Lügenpresse" rufenden LKA-Mitarbeiter mit bemerkenswert schlechtem Geschmack mal wieder selbst auseinandernahm. Statt die Probleme und das politische Versagen zu thematisieren, sorgte sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem Anfall von "Mimimi" allerdings vor allem um das Image seines Landes. Selbst eine Kommunikationsagentur, die einen Imagefilm für die Region Leipzig drehen sollte, zog sich nach den Ausschreitungen in Chemnitz von ihrem Auftrag zurück: "Unserer Meinung nach ist das Image Sachsens weltweit so nicht mehr vermittelbar", schrieb die Agentur am Montag auf Twitter.

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Doch es gibt Hoffnung für das verschmähte Bundesland: Jan Böhmermann und das Neo Magazin Royale sind aus der Sommerpause zurück. Und Böhmermann lieferte Sachsen gleich in der ersten Folge einen durchaus verdienten "Song gegen Sachsenbashing".

Für seine Sachsen-Chanson "Es gibt keine Nazis in Sachsen" holte sich der Berufs-Satiriker Böhmermann einen Mann an die Seite, der sowohl die Gepflogenheiten der Rechten, als auch die Interna der sächsischen Polizei bestens kennen dürfte: Maik G., den "Pegizei"-Hutbürger und ehemaligen LKA-Mitarbeiter.

Untermalt von melancholischem Klavier-Geklimper und einer betroffen dreinblickenden Band im Hintergrund widmet sich Böhmermann fragend den Leiden des jungen Bundeslandes: Wie oft wurde Sachsen schon "gekränkt oder verletzt", "mit Häme übersät" oder von "Hypermoralisten geschmäht"? Es gebe keine Nazis in Sachsen, singt Böhmermann anschließend mit vor Euphorie aufgerissenen Augen, die habe der Verfassungsschutz verbannt. Dazwischen spielt er immer wieder kurze Szenen des sächselnden Fischerhut-Trägers G. ein. Das G. diesen Feature-Part vorher abgenickt hat, ist unwahrscheinlich.

Wahrscheinlich ist dafür, dass es kaum jemanden gibt, der vorfreudig seinen Deutschland-Hut in den Koffer wirft und nach Sachsen pilgert, nachdem er Böhmermanns Sachsen-Song gehört hat. Das Bundesland hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich den nicht sehr schmeichelhaften Ruf aufgebaut, Rechte und Neonazis nicht nur gewähren zu lassen, sondern auch zu schützen: Die Rechtsterroristen der NSU lebten jahrelang ungestört in Sachsen, Rechte wie Lutz Bachmann rühmen sich mit ihren Polizeikontakten, die Zahl rechtsextremer Straftaten ist in dem Bundesland so hoch wie nirgendwo sonst in Deutschland. Und als Teilnehmende einer rechten "Trauerfeier" in Chemnitz Anfang der Woche vor den Augen der Polizisten und Polizistinnen den verbotenen Hitlergruß zeigten, standen die Beamten größtenteils tatenlos daneben.

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Wie viel es zu Lachen gibt, über eine Politik, unter deren Untätigkeit wie im Falle des jahrelang mordenden NSU sogar Menschen sterben, ist fragwürdig. In einem Doppel-Interview mit DIE PARTEI-Chef Martin Sonneborn in der aktuellen Ausgabe des SZ-Magazins sagt Böhmermann, er wolle sich mit seiner Kunst politisch positionieren – auch, wenn er wie im Fall des Erdoğan-Schmähgedichts damit Staatskrisen provoziert: "Ich möchte im vollen Umfang dessen, was fachlich, intellektuell und juristisch möglich ist, meinen Job machen können", sagt Böhmermann. Das sei eben nicht immer für alle angenehm.

Mag sein, dass ein nicht unerheblicher Teil der Likes und Lacher für dieses Video tatsächlich eher dem "Failed State" Sachsen oder dem exemplarisch dafür stehenden Hutbürger Maik G. gelten, als den strukturellen Problemen dahinter. Am Ende des Tages ist Jan Böhmermann aber nun einmal nicht der Pressesprecher des sächsischen Innenministeriums, sondern der Moderator einer Satire-Show. Und für so eine Show liefert ein Bundesland, das bei rechter Aufarbeitung ständig versagt, nun einmal ziemlich guten Stoff.

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