FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Bushido, Shindy & Co. rufen zu Spenden auf und die Fans beschweren sich über Islamismus

Die Rapper von ersguterjunge rufen geschlossen zum Spenden auf. Doch was ist das für ein Verein, dem Nähe zu Salafisten und Islamismus nachgesagt wird und für den auch Pierre Vogel begeistert wirbt?
Fotos: Imago (links) | Aljoscha Redenius (rechts)

Ganz egal, welche Social Media-Kanäle du benutzt, um Bushido, Shindy und Ali Bumaye zu folgen, vor ein paar Tagen war überall das gleiche Bild zu sehen: Ein Aufruf, den Menschen in Syrien durch Spenden zu helfen. Alle drei Rapper bemerkten dazu wortgleich auf Instagram: „Auch wenn wir diesen Winter wieder in einem warmen Haus verbringen werden, gibt es zu viele Menschen, denen es vergönnt bleibt. Krieg und Hunger haben Syrien fest im Griff. Helft, wenn ihr euer Glück mit Menschen teilen wollt. Danke." Gestern gab es noch einen Post: 35 € spenden und einen „Je suis Aleppo"-Hoodie bekommen. Eigentlich eine löbliche Geste—würde der IHED e.V., an den die Spenden gehen sollen, nicht als extremistische Gruppierung im hessischen Verfassungsbericht von 2013 und im Verzeichnis des Bayerischen Staatsministeriums für Finanzen unter extremistischen oder extremistisch beeinflussten Organisationen mit „Islamistischen / islamistisch-terroristischen / ausländerextremistischen Bestrebungen" vom September 2016 stehen. Auch der bekannte Salafist Pierre Vogel warb immer wieder für diesen Verein.

Anzeige

Das wissen wohl auch einige Fans, die sich in den Kommentaren unter den Postings entsprechend beschweren, warum man für einen solchen Verein spenden sollte. Aber was genau macht denn dieser Islamisch Humanitäre Entwicklungsdienst, der in Mannheim sitzt und 2010 gegründet wurde? Laut eigener Facebook-Beschreibung: Armutsbekämpfung, Katastrophenhilfe und Notfallhilfe in der dritten Welt. Projekte laufen in Somalia, Afghanistan, Syrien. Und das wohl ziemlich erfolgreich, konnten doch 2012 laut eigener Aussage Medikamente im beachtlichen Wert von 1,25 Millionen Euro für die Bedürftigen in Syrien gespendet werden.

Klingt eigentlich super, doch schon 2014 schrieben die Stuttgarter Nachrichten, dass Pierre Vogel in Pforzheim für Spenden an seine Freunde, den IHED, geworben hätte, um „humanitäre Hilfe in Syrien" zu leisten. Er habe außerdem davor gewarnt, sich nicht „durch das ganze dumme Gelaber in den Medien" verunsichern zu lassen. Laut Artikel hätten 2012 Dschihadisten in der syrischen Stadt Homs ihre AK 47-Gewehre mit Patronen aus mit IHED-Aufklebern versehenen Kisten geladen. Auch der Focus schrieb Ende April 2016 in einem Artikel über die Beschlagnahmung von Geldern Vogels (die seiner Aussage nach für IHED bestimmt gewesen waren), dass der Verein die Munition für Sturmgewehre von „Terror-Milizen" finanziere. Eine genaue Quelle wurde nicht genannt. Es hieß lediglich: „nach Medienberichten".

Anzeige

Ein wenig mehr Informationen liefern da vielleicht die Antworten des Baden-Württembergischen Innenministeriums auf die Fragen des CDU-Politikers Bernhard Lasotta. Der wollte ein paar Sachen über den Salafismus in dem Bundesland wissen—zum Beispiel, „welche Erkenntnisse über den Verein ‚Islamisch Humanitärer Entwicklungsdienst' (IHED) bestehen." Die Antwort: Laut Innenministerium gelte dieser als „salafistisch beeinflusst". Das wisse man aus „Internetveröffentlichungen über Vereinsaktivitäten" in Syrien und wegen der Nähe von Pierre Vogel zum Verein. Aber: „Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen liegen derzeit indes nicht vor." Erkenntnisse über Rechtsverstöße ebenso wenig.

Lasottas Anfrage wurde 2014 beantwortet und sagt im Grunde nichts aus. Auf unsere eigene Nachfrage beim Verfassungsschutz bekamen wir bis jetzt noch keine Antwort. Und doch: Eine Organisation, die vordergründig wohltätig auftritt, aber Extremisten durch Spendengelder unterstützen soll? Schwerer Vorwurf. Wir wollten mehr über den IHED wissen und haben beim Erasmus Monitor nachgefragt. Der Fachblog beobachtet die Salafismus-Szene seit Dezember 2014 und hatte unter anderem früh darauf hingewiesen, dass Deso Dogg nach der Todesmeldung im Oktober 2015 doch noch leben könnte.

Unser Gesprächspartner vom Blog ordnet IHED der salafistischen Szene zu: „Traditionell richtet sich ihre Unterstützung aber an die salafistisch-jihadistischen Kräfte in Syrien, die gegen Assad kämpfen." Daher würden auch die Hilfsgüter meist an das Umfeld dieser Kräfte gehen. Zwar könnten davon auch Kämpfer profitieren, aber solange man der Organisation nicht nachweisen könne, dass sie diese gezielt unterstützen wollen, könne die Justiz ihr auch nicht viel vorwerfen.

Doch was haben Bushido und Co. mit all dem zu tun? Der Experte von Erasmus Monitor mutmaßt, dass Bushido vielleicht jemanden kennen könnte, der in der Szene aktiv ist: „Im Fall Syrien solidarisieren sich viele Muslime untereinander, ob konservativ, salafistisch oder nicht-praktizierend." Obwohl Bushidos Lifestyle weder den konservativen noch extremistischen Kräften gefallen dürfe, freue man sich immer über berühmte Namen, würden die doch für Werbung und damit weitere Spendengelder sorgen. Er weist daraufhin, dass Farid Bang schließlich auch mal für Ansaar International geworben hat—einer Hilfsorganisation, der Ähnliches vorgeworfen wird wie IHED.

Wir haben auch bei Bushdios Label ersguterjunge nachgefragt, wie man zum Verein und zur Kritik der Fans steht. Bisher haben wir noch keine Antwort erhalten.

Folge Noisey auf Facebook,Instagram und Snapchat.