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Popkultur

Mad Max jagt Immigranten in der Wüste

Die Minutemen leben an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, fuchteln dort mit Waffen herum und tun das, was sie für ihre Pflicht halten: Amerika vor lästigen Eindringlingen beschützen.

Hinter dem Minuteman Project steckt eine Aktivistengruppe aus den USA, die im Großen und Ganzen keine Immigranten mag. Die Minutemen, benannt nach einer Miliz im amerikanischen Bürgerkrieg, leben in der Wüste, die an der Grenze zwischen den USA und Mexiko verläuft. Sie verfolgen Fußspuren, fuchteln mit ihren Waffen in der Gegend rum und tun das, was sie für ihre Pflicht halten: Amerika vor lästigen Eindringlingen aus dem Ausland beschützen. Einer dieser Typen ist „Mad Max“ Kennedy.

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Kennedys Einfluss brachte Vikram Zushti—einen indischen Immigranten aus Los Angeles—dazu, einen Film über ihn zu drehen. Vikram begleitete Max ein Jahr lang mit seiner Kamera in der Wüste. Daraus entstand Max Kennedy and the American Dream. Nicht alle Minutemen waren jedoch so nett zu Vikram wie Max und am Ende des Films musste Max sich von den Minutemen lossagen (wenn auch nicht von allen).

Wir haben mit Vikram gesprochen. Er wollte uns den rätselhaften Max Kennedy näher bringen und erklären, warum er im Grunde seines Herzens ein liebenswerter Typ ist, der von der Welt doch nur ein bisschen Verständnis haben will.

VICE: Hi Vikram. Max Kennedy and The American Dream ist deine erste Dokumentation, oder?
Vikram Zushti: Das stimmt. Was für Filme drehst du sonst?
Ich war früher Autor und Produzent. Während meiner Zeit in Los Angeles habe ich zwei Filme gemacht—ich bin seit 15 Jahren dort. Ich wollte aber mal eine neue Richtung einschlagen und etwas eigenes machen. Einwanderung ist in den USA ist ein brisantes Thema, besonders im Süden. Ich wollte das Ganze wirklich aus einer unerwarteten, menschlichen Perspektive zeigen. Was genau hat dich an Max interessiert?
Ich dachte mir, dass es spannender wäre, Max zu begleiten als einen Immigranten—wegen dieses ganzen Aspekts der Fremdenfeindlickeit. Ich bin selbst Immigrant und ich wollte wissen, wie die Seele eines Menschen aussieht, dessen Persönlichkeit arrogant und aggressiv erscheint. Wir sind ihm fast ein Jahr lang gefolgt—meistens hinaus in die Wüste, bevor er nach Vegas ging.

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Die typische, kuschelige Bleibe eines Minuteman.

Habt ihr während eures Wüstenaufenthalts in einem Zelt oder Wohnwagen geschlafen, so wie einige andere der Minutemen da draußen?

Nein, nein. In dieser Zeit lebten wir in meinem Auto, einem Geländewagen. Seine Ideologie und seine Denkweise sind schwer einzuordnen. In seinen Hetztiraden beschimpft er alle—von Immigranten und Christen über Amerikaner und Politiker bis hin zu den Medien und anderen Minutemen … Was, denkst du, macht ihn besonders wütend?
Ich denke Amerika. Er gab zu, dass das Problem mit den Einwanderern und seine Rolle als Minuteman als Symbol zu verstehen ist, gegen etwas Stellung zu beziehen. Gegen Ende des Films wird ihm das klar. Max war auf der Suche nach etwas, für das er kämpfen konnte, am Ende des Tages hat er aber nicht viel erreicht.

Es scheint, als wäre es ihm wichtiger, für etwas zu kämpfen, als an die Sache, für die er kämpft, wirklich zu glauben. Denkst du, er war ein bisschen verwirrt?

Genau das ist es. Im Grunde war er von Anfang an ein Regierungsgegner. Du kannst ihn weder der rechten noch der linken Szene zuordnen. Die Mainstreammedien, von CNN bis BBC, drängen solche Leute gerne in eine Ecke ohne Mittelweg. Das ist ein Konstrukt. Es gibt unendlich viele Leute im Herzen der USA, die in dem politischen Spektrum keinen Interessenvertreter haben. Ich meine, die Medien stellen Leute wie Max als ultrarechtseingestellte Konservative dar, aber Max bewundert Che Guevara—eine sehr seltsame Haltung für einen Minuteman in der Wüste, der gegen Einwanderung ist. Als er erklärt, dass er kein Rassist ist, betont er, dass seine Frau aus Puerto Rico stammt. Teile des Films hast du in Mexiko gedreht, dort hast du auch mit mehreren Einwanderergruppen aus unterschiedlichen Ländern gesprochen. Warum wollen sie alle unbedingt in den Staaten leben?
Ich denke, die meisten suchen Arbeit dort, sie wollen ihren Lebensunterhalt verdienen. Dann sind da noch die Kleinganoven und Gangmitglieder. Ironischerweise haben viele der Leute in dem Film eigentlich sehr lange in den USA gelebt, bevor sie nach Mexiko abgeschoben wurden—über 20 Jahre lang, im Grund also ihr ganzes Leben. Sie wurden wegen Kleinigkeiten von der Polizei erwischt, Fahren ohne Führerschein oder sowas, und dann aus heiterem Himmel abgeschoben. Viele der Leute sind vor 20 oder 30 Jahren in die USA gekommen und haben Kinder dort. Sie haben es aber nie aus der Illegalität geschafft. Wegen der Gesetzeslage leben und arbeiten viele Menschen in der Anonymität. Eine ganze Subkultur und Gemeinschaft lebt so im Untergrund. Ich nehme mal an, dass das Leben in der Gang umso attraktiver wird, wenn man als illegaler Einwanderer keinen gutbezahlten Job bekommt.
Abgesehen davon kann man mit dem Verkauf von Drogen leicht Geld verdienen. Für einen Job auf Mindestlohnbasis bekommst du in den USA acht Dollar pro Stunde, mit Drogenverkauf kannst du 500 verdienen. Dann aber gab es die Migranten, die alles für eine Übersiedlung von Mexiko in die Staaten riskierten, weil sie dort arbeiten und das Geld dann nach Mexiko bringen wollten. Geld und Essen sind in Mexiko nämlich sehr knapp. Der Unterschied zwischen diesen Typen und den Leuten, die quasi ihr gesamtes Leben hier verbracht hatten, war alarmierend. Die meisten aus der zweiten Gruppe wirkten wie Fremde in ihrem eigenen Land.

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Was jeder in diesem Film für wirklich, wirklich wichtig hält.

Max nennt selbst viele dieser Probleme, aber er drückt auch sein Mitgefühl für die Immigranten aus. Was denkst, warum er wirklich ein Minuteman geworden ist?

Er hielt sich immer an dem Rand der Gesellschaft auf, der wirtschaftlich total erschöpft war. Das hat zu seiner Frustration geführt, er fühlte sich entrechtet. Er war der Meinung, dass Leute wie er, die Amerikaner sind, keine faire Chance haben und dass die Immigranten all die Unterstützung und das Mitgefühl bekommen. Leute wie er bekommen kein Mitgefühl, hauptsächlich, weil sie weiß sind. Was ich interessant fand, war, dass Max nicht in dieses typische Bild eines Minuteman passte. Er war viel mehr ein unzufriedenes Individuum, ich würde sagen, er war irgendwie ein frustrierter Intellektueller. Was ist denn das typische Bild von einem Minuteman?
Der Minuteman ist normalerweise ein rechter, christlicher Ideologe mit konservativen Wertvorstellungen und ein bisschen blindem religiösen Eifer. Max hatte eine ganz andere Lebensgeschichte. Sie sind im wesentlichen die Bürgerwehr, wie ist ihr Verhältnis zu den Grenzkontrollen?
Inoffiziell haben sie die Erlaubnis zu tun, was sie wollen. Eigentlich dürfen sie niemanden einfach selbst festnehmen, sie müssen Rücksprache mit der Grenzkontrolle halten. Aber sie dürfen Waffen mit sich führen—zur Selbstverteidigung. Wie oft bringen sie diese zum Einsatz?
Einige von ihnen behaupten, sie hätten diverse Begegnungen mit Drogenhändlern gehabt, die Methamphetamine und andere Drogen über die Grenze in die Vereinigten Staaten schmuggeln wollten. Aber es ist verboten, auf irgendjemanden zu schießen, sie dürfen die Waffen nur als „Abschreckung" tragen. Ich nehme an, dass für ihn da mehr dahinter steckt.
Ja, er war aber auch ein gebrochener Mann.

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Hast du jemals Feindseligkeiten von den Minutemen erlebt?
Ja, es gab ein paar von ihnen, die nicht mal mit mir sprechen wollten. Sie dachten, ich wäre von einer „linken Nachrichtenorganisation", und weil ich nicht weiß bin, hatten sie Angst, dass ich Informationen weitergeben könnte, die gegen sie verwendet werden könnte.
Es war interessant, denn einer von ihnen war ein Tscheche mit diesem echt krassen Akzent und ich sagte so zu ihm: „Alter, was machst du hier?" Er fühlte sich angepisst, zückte seine Pistole und fing an, in die Luft zu schießen. Das war irgendwie beängstigend, aber ich gewöhnte mich irgendwann daran. Für sie gibt es viele Gründe, warum sie Luft ablassen müssen. Es sieht so aus, als wäre es sowas wie ein Männerverein, als ob sie irgendwas bräuchten, womit sie sich beschäftigen können.
Ja, irgendwie schon. Einige von ihnen sind schon sehr alt.

Max während einer seiner typischen Schimpftiraden oder „Reflexionen".

Wie unterschied sich Max menschlich von den anderen Minutemen?

Findest du, dass eure Freundschaft ihn verändert hat?

Ja, ich glaube schon. Er ist ein sehr belesener wortgewandter Mensch, der sich mit der Geschichte und den Kulturen in der arabischen Welt, Asien, dem Mittleren Osten, Lateinamerika, Europa, Afrika und so weiter auskennt. Also konnte man mit ihm über all diese Themen im Detail diskutieren. Das war ziemlich merkwürdig für jemanden mit seinem Standpunkt. Du wirst es nicht glauben, aber er war der größte Federico Fellini-Fan. Aber er war nicht in der Lage, diese Unterhaltungen mit irgendjemand anderem zu führen. Das ist im Wesentlichen der Punkt, in dem er gegen die anderen Minutemen war, weil er ganz einfach dachte, dass sie dumm sind.

Ich nehme an, dass für ihn da mehr dahinter steckt.
Ja, er war aber auch ein gebrochener Mann. Sein Leben hat sich nicht so entwickelt, wie er dachte und er fühlte sich einfach vom System beschissen. Wie geht es ihm heute?
Er lebt mit seiner Schwester, mit der er sich versöhnt hat, in L.A. Als letztes hab ich gehört, dass er einen Job als LKW-Fahrer gesucht hat. Max Kennedy and the American Dream wird von Journeyman Pictures vertrieben. Klickt hier für mehr Informationen zur Veröffentlichung.