Wie Di Canios faschistisches Tattoo die Heuchlerei im italienischen Fußball aufdeckt

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Italien

Wie Di Canios faschistisches Tattoo die Heuchlerei im italienischen Fußball aufdeckt

Lazio-Legende Paolo di Canio war Sky-Experte, bis plötzlich einem Zuschauer sein faschistisches Tattoo auffiel. Der Sender feuerte ihn gestern, dabei sind rassistische Entgleisungen nichts Neues in Italien.

#Sky cancels Paolo Di Canio programme in Italy after he appears with fascist tattoo on his arm https://t.co/hz8bVvdOJh
— Nicholas Whithorn (@NickWhithorn) September 14, 2016

Lazio-Legende Paolo di Canio hat (mal wieder) für einen handfesten Skandal gesorgt. Alles begann mit einem Facebook-Live-Auftritt von Di Canio beim italienischen Ableger von Sky Sport. Der langjährige England-Legionär—der bei Sky Italia mit der „Di Canio Premier Show" eine eigene Expertensendung hat(te)—ist vor die Kameras kurzärmlig getreten. Klingt erstmal nicht schlimm, wäre da nicht sein Tattoo auf dem rechten Bizeps. Dort konnten Tausende Facebook-User „Dux" lesen. Dux ist das lateinische Pendant zum italienischen Duce, was so viel wie Führer bedeutet. Und Duce war eben auch und vor allem der Spitzname von Benito Mussolini, dem Ober-Faschisten Italiens in den 30ern und 40ern des letzten Jahrhunderts.

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Genau diese Bilder haben dann bei Twitter für einen Shitstorm gesorgt.

Si chiama apologia del fascismo ed è reato — Ettore Cappetti (@kappaespada)September 14, 2016

@kappaespada beschwerte sich beispielsweise in Richtung Sky: „Das nennt sich Verteidigung des Faschismus und ist eine Straftat."

Aufgrund des öffentlichen Drucks hat Sky gestern Abend die Reißleine gezogen und die Zusammenarbeit mit Di Canio auf Eis gelegt. Im Wortlaut meinte Jacques Raynaud, Vizepräsident von Sport Channels: Wir haben einen Fehler gemacht, wir entschuldigen uns bei allen, die sich davon verletzt gefühlt haben. Nach einem langen Gespräch mit dem Betroffenen haben wir uns für eine Programmeinstellung entschieden".

Klingt auf den ersten Blick nach einer vernünftigen Entscheidung. Doch eine entscheidende Frage bleibt, die leider in Richtung rhetorische geht: Selbst wenn sich Signor di Canio bei allen Sky-Auftritten zugeknöpft gezeigt hätte, warum hat man dem europaweit bekannten Faschisten überhaupt eine Anstellung angeboten (kurze Antwort: Weil er—leider—ein echter Kultspieler ist, ein Malocher, der sich traut „anzuecken")? Genau an dieser Stelle kommt bei italienischen Twitter-Usern das Wort „heuchlerisch" ins Spiel.

Lui sa di avere dux tatuato e poteva coprirlo. L'universo, sky compresa, sa che Di Canio è fascista. Solite scenette ipocrite fastidiose.

— Elisa Didonezombie (@Didonezombie)September 14, 2016

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@Didonezombie spricht davon, dass das „Universum, inklusive Sky" weiß, dass Di Canio ein Faschist ist. Und meint dann zur Sky-Entscheidung, Di Canio fallenzulassen: „die üblichen nervigen heuchlerischen Spielchen".

Und die Userin hat in der Tat Recht. Di Canio trägt nicht erst seit gestern das Dux-Tattoo und hat schon als Spieler mehrfach mit dem Faschistengruß für eine große Kontroverse gesorgt. Zum ersten Mal streckte er den rechten Arm gen Himmel, nachdem Lazio die Roma 2005 in einem Derby geschlagen hatte. Trotz großen Aufschreis wiederholte er die Geste in Spielen gegen Siena, Livorno und Juventus. Zudem hat sich Di Canio auch schon selbst als Faschisten bezeichnet (auch wenn er das später zurückgenommen hat) und Mussolini als „komplett falsch verstandenen Mann" beschrieben.

Genau wegen solcher Äußerungen führte Di Canios Verpflichtung als Sunderland-Trainer 2013 zu einem großen Knall. Der Vize-Klubpräsident—und frühere englische Außenminister—David Miliband trat umgehend zurück.

Bleibt immer noch die Frage, warum Sky jemandem wie Di Canio überhaupt eine Plattform gegeben hat. Die (traurige) Antwort lautet wohl: Irgendwie scheint ein bisschen Rassismus einfach zum italienischen Fußball dazuzugehören. Was auch kein Wunder ist, wenn es selbst die Granden vormachen. Denn auch die italienische Trainerlegende Arrigo Sacchi kann man getrost als Rassisten bezeichnen. In einem Versuch, seine Unzufriedenheit über den Zustand des italienischen Fußballs auszudrücken, meinte Sacchi mal:

„„Ich bin definitiv kein Rassist und meine Vergangenheit als Trainer unterstreicht das auch … Aber wenn ich mir das Torneo di Viareggio anschaue, würde ich sagen, dass da zu viele schwarze Spieler mitmachen. Italien fehlt es an Würde und Stolz. Es sollte verboten sein, dass in unseren Vereinen 15 ausländische Spieler im Kader stehen."

Dann fuhr er fort, dass er äußerst unglücklich darüber sei, dass ein Team bei dem Jugendturnier gleich „vier „farbige Jungs" aufgestellt habe.

Doch damit nicht genug: Selbst Carlo Tavecchio—Präsident des italienischen Fußballverbands—wurde schon mal von der UEFA für sechs Monate gesperrt, weil er gemeint hatte, dass afrikanische Spieler Bananen essen und italienischen Fußballern den Platz in der Mannschaft wegnehmen würden. Wenn sich der Boss des calcio italiano zu solchen Äußerungen hinreißen lässt, sollte sich keiner darüber wundern, wenn ein Di Canio eine Fußballsendung moderieren darf.