Blood & Honour veranstaltet immer noch Konzerte – und deutsche Bands spielen mit

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Blood & Honour veranstaltet immer noch Konzerte – und deutsche Bands spielen mit

Die Bundesregierung hat kürzlich bestätigt, dass es mit Combat 18 sogar den militanten Arm des rechtsextremen Musiknetzwerks wieder in Deutschland gibt.

Foto im Header: Imago

Im Dezember hatte die Partei DIE LINKE der Bundesregierung einige Fragen zu der seit 2000 verbotenen rechten Organisation Blood & Honour gestellt. Und obwohl deutlich wurde, dass es in Deutschland keine Gruppierung geschafft hatte, in die großen Fußstapfen des deutschen Ablegers des international agierenden Neonazi-Netzwerkes zu treten, überraschte die Antwort auf die Frage, ob es denn hierzulande noch aktive Combat 18-Gruppen geben würde: Ja, es gibt eine und das schon seit 2013.

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Screenshot via vk.com

Combat 18 ist der "bewaffnete Arm" von Blood & Honour. Während Ian Stuart Donaldson, Sänger der englischen Rechtsrock-Band Skrewdriver, das Netzwerk 1987 gründete, um europaweit rechte Bands zu vernetzten, Konzerte zu organisieren und Tonträger herzustellen und zu verbreiten, geht es bei der "Kampftruppe Adolf Hitler" um die Gewaltanwendung gegen Minderheiten und politische Feinde. Selbst nach dem Verbot gab es hin und wieder Anschläge mit mutmaßlichen Verbindungen zu dieser Organisation. Doch dass jetzt die Bundesregierung bestätigt, dass es wieder ein deutsches Netzwerk unter diesem Namen gibt, zu dem Personen aus vielen Bundesländern gehören, ist neu. Und nicht nur das: "Darüber hinaus gab es in der Vergangenheit Einzelhinweise auf regionale 'Combat 18'-Strukturen, von denen allerdings derzeit keine Aktivitäten ausgehen."

Überraschend dagegen ist es nicht. Erst im November kam es in Südthüringen zu Hausdurchsuchungen des LKA bei mutmaßlichen Blood & Honour-Anhängern. Dazu passen die Zahlen, die Welt.de Anfang 2016 präsentierte, nachdem die Bundesregierung diese nach einer Anfrage der Linksfraktion veröffentlicht hatte. Demnach fanden von Oktober 2013 bis Juni 2015 die meisten rechtsextremen Konzerte in Sachsen und auch Thüringen statt. Vor allem der Ort Kirchheim bei Erfurt wurde immer wieder als gern genutzter Ort für Konzerte, aber auch schon für Treffen rechter Parteien wie der NPD und DVU genutzt. Und auch der bekannte Neonazi-"Rapper" Makss Damage spielte Anfang Februar in Kirchheim – auf einer Veranstaltung, für die auch durch Blood & Honour Ungarn geworben wurde.

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Screenshot via vk.com

Auffällig ist, dass der Trend wohl weg von Rock und hin zu Akustik-Gitarrrengesang geht. Diese Verschiebung begründet der Rechtsextremismusexperte Jan Raabe laut Welt.de damit, dass Konzerte dieser Art leichter zu organisieren wären. So trat Michael Regener, ehemaliger Sänger von Landser, laut der Auswertung im genannten Zeitraum ganze 16 Mal solo als Liedermacher und nur acht Mal mit seiner aktuellen Band Die Lunikoff Verschwörung auf. An zweiter Stelle steht der Liedermacher Frank Rennicke mit 14 Auftritten. Rock-Szenegrößen wir Kategorie C oder Frontalkraft spielten hingegen nur sechs Mal.

Apropos Kategorie C: Die laut dem Verfassungsschutzbericht Niedersachsen von 2015 "in der rechtsextremistischen Skindhead- und Neonazi-Szene beliebte" Hooligan-Band aus Bremen trat nicht nur bei Veranstaltungen von HoGeSa und Legida auf, sie spielte 2014 auch in Frankreich und Slowenien unter dem Blood & Honour-Banner. Jetzt wurde am 4. Februar 20-jähriges Bandbestehen gefeiert – natürlich mit einem Konzert. Wo genau das stattgefunden hat, wurde öffentlich nicht verraten, nur die nähere Region ist bekannt: Raum Rastatt in Baden-Württemberg. Eine Sicherheitsmaßnahme, auf die auch das internationale Netzwerk Blood & Honour gerne zurückgreift. Auf der Homepage finden sich zwar Flyer von bald stattfindenden Konzerten, nicht jedoch der genaue Veranstaltungsort. Lediglich Kontaktdaten wie Telefonnummern und Mailadresse werden angegeben, man will lieber unter sich bleiben. Zudem werden die Flyer oft mit durchgestrichenen Handy, Foto- und Facebook-Symbolen veredelt. Wohl nur eine weitere Sicherheitsmaßnahme, um sicherzustellen, dass Außenstehende von dem, was auf diesen Veranstaltungen geäußert wird und sonst geschieht, keine Kenntnis erlangen.

Ende Januar fand das jährliche Gedenkkonzert "London Calling" zu Ehren des '93 verstorbenen Gründers Ian Stuart statt. Im März folgt dann mit "Defend Europe" ein Konzert irgendwo in Westeuropa, auf dem mit Heiliger Krieg eine Band spielen soll, die aus zwei Mitgliedern von Race War besteht – einer Rechtsrock-Band, die vom Landgericht Stuttgart als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde. Auch die deutschen Bands Division Germania und Blitzkrieg (die Band des ehemaligen AfD-Politikers Paul M.) sollen spielen. Laut bnr.de soll Blood & Honour Ungarn auch eine Konzertliste für 2017 veröffentlicht und damit gleich zwei Konzerte in Ostdeutschland angekündigt haben. Darin soll demnach für Naked but Armed, einer Band aus Baden-Württemberg geworben worden sein, die das auf ihrer Facebookseite als Tour durch "Dunkeldeutschland" bezeichnen.

Dass die international gut vernetzte Szene auch groß auftrumpfen kann, hat Unterwasser in der Schweiz gezeigt. Im Oktober 2015 trafen sich dort 5000 Neonazis, um Makss Damage, Frontalkraft, Amok und Stahlgewitter abzufeiern. Es wird vermutet, dass die Veranstalter auch aus dem Blood & Honour-Umfeld stammen. Da dieser Abend das größte Neonazi-Konzert der letzten 20 Jahre markiert, stellt sich die Frage, was die Bundesregierung eigentlich gegen Blood & Honour und Combat 18 unternimmt? Laut der von DIE LINKE angeforderten Antworten wisse man noch nicht, ob einige Drahtzieher von damals wieder aktiv sind, oder wie viele Personen jetzt überhaupt dazugehören. Dafür sei sicher, dass Mitgliedsbeiträge ins europäische Ausland transferiert wurden, und dass ein mutmaßliches Führungsmitglied Überweisungen für Blood & Honour Ungarn getätigt haben soll. Verfassungsschutz und die Generalbundesanwaltschaft würden die Gruppe aufmerksam beobachten. Einen Anlass für Ermittlungsverfahren und damit einen ausreichenden Hinweis auf eine Straftat sehen die Behörden jedoch noch nicht.

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