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"Scheiß auf jeden, der das macht" – Crowdkiller spalten die Hardcore-Szene

Wahllos auf unbeteiligte Zuschauer einprügeln: Ist das noch Hardcore?
Foto: Imago (Symbolbild)

"Das ist wirklich das Behindertste, was man auf Konzerten machen kann. Scheiß auf jeden, der das macht, ich hoffe, ihr alle sterbt einen langsamen und schmerzvollen Tod." Dieser wenig zurückhaltende YouTube-Kommentar kritisiert nicht etwa Leute, die Seifenblasen in die Menge pusten, sondern sogenannte Crowdkiller. Also die Leute, denen auf Hardcore-Konzerten der Moshpit nicht genug Platz für ihre wilden Schläge und Tritte bietet, sondern die lieber auf unbeteiligt am Rand stehende Zuschauer einschlagen. Und genau darum geht auch in einem neuen Video, das erst diese Woche wieder von einer Szene-Facebook-Seite geteilt wurde und für massig Gegenwind unter den Kommentatoren sorgte. "Crowdkilling/Beatdown Compilation" – eine zweiminütige Compilation der gewissenlosesten Crowdkiller.

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In der Hardcore-Community ist es eigentlich immer noch Konsens, dass absichtliche Gewalt gegen andere Besucherinnen und Besucher nicht auf die Konzerte gehört. Wer seine Aggressionen abbauen will, kann das im Pit machen und so hart moshen, wie er will – solange er dabei nicht absichtlich andere verletzt und sich nach versehentlichen Treffern entschuldigt. Es bleibt ja alles in der großen Familie. Umso leidenschaftlicher wird jetzt wieder gegen jene gewettert, die diese traditionellen Regeln brechen und gezielt Leute außerhalb des Moshpits attackieren.


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In einem Reddit-Thread wird schnell deutlich, warum dieses Verhalten von vielen Fans dermaßen stark verachtet wird. So würden Leute bestimmten Konzerten ganz fern bleiben, weil sie keinen Bock auf Verletzungen durch Crowdkiller haben. Weniger zahlende Zuschauer führt zu weniger Konzerten und einem Aussterben der Szene – langfristig gesehen. Selbst ein Band-Mitglied beklagt, dass es absolut keinen Spaß macht, den Soundtrack für Leute zu liefern, die während ihrer Shows Leute prügeln: "Wenn jemand nicht im Pit steht, will er nichts mit diesem Scheiß zu tun haben, so einfach ist das."

Wie hart solche Verletzungen unbeteiligter Zuschauer sein können, hat der Zwischenfall bei einem Konzert von Code Orange in Salt Lake City Anfang des Jahres gezeigt. Obwohl sie außerhalb des Moshpits stand, traf ein Roundhous-Kick eine Besucherin mitten ins Gesicht. Sie wurde bewusstlos rausgetragen und postete später Bilder ihres zertrümmerten Kiefers. Angesichts solcher Vorfälle ist der Jubel verständlich, der einer anderen Frau zuteil wurde, weil sie zurückschlug, als ihr ein Crowdkiller zu nahe kam.

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Überraschend: Sie hatte gar nichts gegen das Crowdkillen an sich, sondern rastete wegen einer persönlichen Geschichte mit dem Typen aus: "Wo ich herkomme, sind wir daran gewöhnt. Ich bin schon viele Jahre in der Szene unterwegs, bin damit aufgewachsen, also ist sowas kein großer Schock für mich."

Was anscheinend viele an der Crowdkill-Compilation verstört: Fast niemand wehrt sich, obwohl Zuschauer teilweise gezielt angegriffen werden. Diese Passivität hat uns schon damals verwundert, als wir mit John aus Pennsylvania sprachen, der in einem Video nackt crowdkillte und von niemandem daran gehindert wurde. Seine resolute Antwort damals: "Ich glaube, die meisten Leute fanden es so witzig wie ich. So richtig verletzt habe ich ja auch niemanden."

Man muss John zugute halten, dass er tatsächlich nicht ernsthaft stark um sich schlug. Zumal sich diese Art des "Tanzens" eher auf Beatdown- und Slamcore-Konzerten abspielt. Also in einer Sub-Szene, die generell mehr Wert auf Körperkontakt-Mosh legt und in der blutige Verletzungen teilweise wie Trophäen gefeiert werden, wie wir bei unserem Besuch eines Beatdown-Festes letztes Jahr wieder feststellten. Und selbst dort ist das gezielte Raussuchen Einzelner eher verpönt.

Gehört Crowdkillen also manchmal einfach dazu? Das entscheidet im Idealfall immer noch das Publikum – oder die auftretende Band, die nicht umsonst ein Mikro auf der Bühne liegen hat.

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