Die Musik aus unserer Pubertät ist die beste und hier sind die Gründe dafür
Screenshot via My Chemical Romance/YouTube

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Die Musik aus unserer Pubertät ist die beste und hier sind die Gründe dafür

Eine Spotify-Analyse hat bestätigt, was wir schon lange befürchtet haben. Eine Expertin erklärt, was Pubertät mit Musikgeschmack zu tun hat.
Daisy Jones
London, GB
Giacomo Stefanini
Übersetzt von Giacomo Stefanini
Milan, IT
RM
Übersetzt von Raluca Miheșan

Check mal dein Handy oder deinen Laptop: Welche Interpreten hast du in letzter Zeit am häufigsten gehört? Auf meinem Handy läuft: Be Your Own Pet. Bloc Party. My Chemical Romance. CKY. Klaxons. Weezer. We Are Scientists, und so weiter. Was haben alle diese Künstler gemeinsam – außer, dass sie mich wirken lassen wie der schlimmste Normalo auf Erden? Sie haben alle in den 2000er-Jahren Musik rausgebracht. Damals war ich ein junger Teenager und ja, da besteht ein Zusammenhang.

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Vor Kurzem hat der Autor Seth Stephens-Davidowitz in der New York Times über einen Generationskonflikt im Musikgeschmack geschrieben. Sein Bruder und er hatten sich nicht einigen können, ob "Born to Run" von Bruce Springsteen ein Kracher ist. Er analysierte Spotify-Trends und stellte fest: Bestimmte Songs sind genau bei der Generation beliebt, die diese Musik im Teenageralter kennengelernt hat. "Creep" von Radiohead ist zum Beispiel mit Abstand am beliebtesten bei Männern, die heute 38 Jahre alt sind. Damit waren sie etwa 14, als der Song 1993 erschien.


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"Die wichtigste Phase, in der Jungs ihren Erwachsenengeschmack formen, ist von 13 bis 16", schreibt Stephens-Davidowitz. Bei Mädchen sei diese Phase von 11 bis 14. Wir entwickeln unseren Musikgeschmack als Erwachsene also im Vergleich kaum noch weiter – das erklärt, warum all meine Freunde noch wie Emos aussehen und Gerard Way vergöttern. Nur in den frühen Zwanzigern gibt es laut Stephens-Davidowitz' Analyse noch mal eine Phase, die einen starken Einfluss auf unseren Geschmack hat. Allerdings ist dieser Einfluss bei beiden Geschlechtern nur halb so groß wie der aus der Teenagerzeit.

Aber warum ist das so? Mit 25 fühle ich mich noch mindestens genauso aufnahmefähig und neugierig auf Musik wie damals. Weshalb sollte sich mein Gehirn schon vor einem Jahrzehnt so festgelegt haben? Noisey hat über dieses Thema mit Stephanie Burnett Heyes gesprochen. Die Psychologin an der University of Birmingham erforscht unter anderem die Entwicklung der jugendlichen Psyche.

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Noisey: Warum sind Erwachsene hauptsächlich besessen von Musik aus ihrer Teenagerzeit?
Dr. Stephanie Burnett Heyes: Die Jugend ist eine "sozial sensible" Phase, also ein Lebensabschnitt, in dem man sehr empfänglich für andere Menschen ist. Die Interaktionen und Ideen aus dieser Zeit bleiben tendenziell eher hängen. Wissenschaftliche Beweise dafür lassen sich nur schwer sammeln, aber seit einigen Jahren sind viele Psychologen dieser Auffassung. Wir forschen noch daran.

Zusätzlich zu dem sozialen Aspekt spielt die sogenannte funktionelle Hirnaktivität eine Rolle. Heranwachsende reagieren stärker auf Aktivitäten, die stimulieren und einen Belohnungseffekt auslösen. Die Belohnung kann Geld oder Zucker sein, aber auch die Achtung einer Person, die wir bewundern. Darauf scheinen Jugendliche stärker zu reagieren als jüngere oder ältere Menschen.

Je mehr wir als Jugendliche etwas lieben, desto größer also die Wahrscheinlichkeit, dass wir es als Erwachsene immer noch feiern?
Das ist nicht in Stein gemeißelt, aber diese Faktoren können eindeutig dazu führen.

Die Hormone beeinflussen in der Pubertät nicht nur unsere Fortpflanzungsorgane, sondern wie wir andere Menschen wahrnehmen.

Warum festigt sich laut der Spotify-Analyse der Geschmack von Mädchen früher als der von Jungs?
Wenn etwas bei Jungs etwa ein Jahr später passiert als bei Mädchen, ist das immer ein Hinweis darauf, dass es durch die Pubertät bedingt ist. Die Hormone beeinflussen in der Pubertät nicht nur unsere Fortpflanzungsorgane und überhaupt unsere Körper. Sie haben einen Einfluss darauf, wie wir andere Menschen wahrnehmen und mit ihnen interagieren. Das ist jetzt eine recht naheliegende Hypothese zu dem Phänomen. Mich interessiert es sehr, ob bei Menschen, die ihre Pubertät später durchlaufen, der Zeitpunkt mit dem größten Einfluss auf den Musikgeschmack auch um ein paar Jahre verschoben ist.

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Und warum kommt es Anfang 20 noch einmal zu einer Phase, die uns stark prägt?
Ich würde gern untersuchen, ob dieser Einfluss unterschiedlich ausfällt, je nachdem, ob die Person studiert, wann sie bei den Eltern auszieht, welchen sozio-ökonomischen Status sie hat, und so weiter. Es könnte nämlich damit zusammenhängen, dass wir in dem Alter von neuen Menschen und neuen Ideen umgeben sind. Aber auch das könnte mit der Hirnentwicklung zusammenhängen. Ich bräuchte mehr Daten, um das zu beurteilen.

Könnte es sein, dass dieser Teenager-Effekt sich nicht auf die Musik beschränkt? Sind Mode- und Filmgeschmack aus unserer Pubertät auch am prägendsten?
Musik wirkt wie der beispielhafteste Bereich. Die anderen Dinge sind nicht so einfach: Mode ist für einen Teenager zum Beispiel ziemlich teuer, also gibt es da viele Faktoren. Ich fände es aber sehr interessant, mal zu schauen, wie das mit Ideologien oder spirituellen Überzeugungen aussieht. Vielleicht bilden wir unsere ideologischen Vorlieben auch in diesem Alter.

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