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Sommerhits, die uns den Sommer 2016 fast versaut hätten

Es gab sie auch diesen Sommer, die elenden „Feel good“-Nummern, die sich genüsslich ihren kleinen Finger anlecken und ihn dir langsam ins Ohr schieben.

Es ist jedes Jahr das Gleiche. Miesgelaunt stapfst du im Frühjahr durch den Matsch, die Nase läuft, das Endorphin hast du längst aufgebraucht und sehnst dich mit jeder Faser deines käseweißen Körpers nach Sommer. Ein paar Monate später schwitzt du jeden Sitz voll, auf dem du dich erschöpft fallen lässt, versuchst deine verkaterten Gedanken zu sammeln und dich nicht auf den Song zu konzentrieren, der dich überall hin zu begleiten scheint. Du weißt schon, diese elenden „Feel good“-Nummern, die dich in jedem H&M unsanft nach unten drücken, genüsslich ihren kleinen Finger anlecken und ihn dir langsam ins Ohr schieben.

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Nachdem wir schon unsere Songs auserwählt haben, an die wir uns in 10 Jahren glückselig nostalgisch als Sommerhits ’16 erinnern werden, kommt jetzt die düstere Gegenseite: die Songs, die uns den diesjährigen Sommer fast versaut hätten.

Cheat Codes—„Sex“

Es ist 2016 und Cheat Codes denken, dass sie den Salt-N-Pepa-Klassiker „Let’s talk about Sex“ nochmal aufleben lassen müssen. Also, nur den Refrain, die Strophen kann man schließlich selber viel besser schreiben: „I’ll eat you like a cannibal / You’re sweet like cinnamon“. Angesichts solcher notgeilen Vergleiche wird E. L. James schon ganz wuschig. Wir versuchen angestrengt, die klatschend-schmatzenden Geräusche zu verdrängen, die sich unweigerlich in unseren Kopf breitmachen, weil wir daran denken, wie zünftige Sparkassenangestellte beim diesjährigen Sommerfest zu diesem Song alle Hemmungen fallen lassen.

Justin Timberlake—„Can’t Stop The Feeling“

Wir haben es schon geahnt, als Justin Timberlake beim Eurovision Song Contest auftreten durfte: Dieser Song wird jede Eiskugel schon vor dem ersten Zungenkontakt ungeschmeckt auf den Asphalt werfen. Es war unvermeidlich, dass diese seelenlos gut gelaunte Grinsepop-Nummer das „Happy“ von 2016 wird. Weil zu viele Menschen eben Musik und vor allem ihr Leben abgrundtief hassen.

David Guetta ft. Zara Larsson—„This One’s For You“

Stell dir vor, es ist Fußballeuropameisterschaft und es ist allen egal. Die kollektive Euphorie der WM ist verflogen, übrig bleibt nur ein Tunnelblick auf den Bildschirm. Alles verschwimmt in Grün und Bier. Aber zum Glück wurde David Guetta auserkoren, uns aus der Apathie zu erlösen und sie in hemmunglose Wut zu verwandeln. Immer lief seine offizielle EM-Hymne und zwinkerte uns nervtötend zu, doch mal fröhlich zu sein, Spaß zu haben, mit diesem Fußball. Hat nicht funktioniert. Ach ja: Falls dir deine Halsschlagader lieb ist, schau dir bloß nicht das übertrieben pathetische Video an.

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Stereoact ft. Kerstin Ott—„Die immer lacht“

2004 war ein Song 25 Wochen in den Charts und erreichte Doppelplatin, dessen Refrain „Schni Schna Schnappi / Schnappi Schnappi Schnapp“ lautete. Es sollte sich also niemand wundern, dass 12 Jahre später ein Song wie „Die immer lacht“ die Radios beherrscht. Die Mischung aus Schlager-Nonsens, Billo-Beats und Wald-und Wiesen-Gitarrenakkorden ist eben derart schmierig, dass sie sofort ins Hirn flutscht wie ein gutgeölter Penis in eine Taschenmuschi. Stell dir bloß mal vor, du darfst eine Woche lang nichts anderes hören, das wäre ja unmenschlich! Darum hat es ja auch unsere Praktikantin getan.

Mark Forster—„Wir sind groß“

Keiner weiß, wo zur Hölle er sie gefunden hat, aber Mark Forster hat sie: die perfekte Formel für deutsche Musik. Und so singt er seine humorbefreiten, immer leicht melancholischen Gemeinschaftshymnen, als würde er es tatsächlich ernst meinen. Passend zur EM also „Wir sind groß“. Dass der Text nichts mit Fußball zu tun hat—egal. Hauptsache der Refrain eignet sich irgendwie dazu, auf möglichst viele TV-Zusammenschnitte gelegt zu werden, um ein deutsches Hochgefühl zu erzeugen. „Wir sind groß“ darin, unseren historischen Minderwertigkeitskomplex mit ungeschönt anbiederndem Pathos zu ersticken.

Rihanna ft. Drake—„Work“

Was? Drake auf einer Liste von Sommer-verderbenden Songs!? Wer hat das geschrieben, lasst ihn zusammenschlagen! Ja, Drake hatte diesen Sommer nicht nur mit „One Dance“ für Sonne gesorgt, sondern als Feature-Gast zusammen mit Rihanna auch jede Menge Regen und Schlammschlachten auf Festivals verbrochen. Allein dieses genölte „Workworkworkworkwork“ vertrieb alle Sommergefühle und machte Platz für kalte Herbstdepressionen. Zumal der Song eigentlich nur aus der Hook besteht, hat man die wirren Strophenmelodien doch in den Moment wieder vergessen, wo sie noch gesungen werden. Dann wieder dieser Refrain, den niemand, nicht mal ein Muttersprachler, korrekt mitsingen kann. Was deine Freunde nicht daran hinderte, es trotzdem nachzulallen. Danke Merk.. äh Rihanna und Drake!

Max Giesinger—„80 Millionen“

Bisher hatte keiner jemals was von Max Giesinger gehört—es sei denn, er hatte die Pro 7-Castingshow The Voice Of Germany geguckt, wo der Allerweltssänger 2011 den vierten Platz belegte. Dann stand die Fußball-EM an und Max und/oder sein Management und/oder Label überlegten sich, dass es doch eine tolle Idee wäre, dem chronisch am Liebeskummer leidenden Giesinger den Song „80 Millionen“ in ein schlecht sitzendes EM-Korsett zu zwingen. Heraus kamen sinnentleerte Zielen wie: „Ich war nie gut in Wahrscheinlichkeitsrechnung / aber das hier hab sogar ich kapiert / Die Chance, dass wir uns wieder treffen / War riesengroß und so stehen wir jetzt hier.“ Ein Text, bei dem Podolski nur verständnislos in Gesichter klatschen kann.