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​Chinas absurder Fußballtraum ist (noch) keine Gefahr für Europa

Chinas Präsident machte Fußball zum Pflichtfach in den Schulen und Guangzhou Evergrande gibt mal eben 41 Millionen für Atleticos Jackson Martinez aus. Aber muss sich Europa vor den aggressiven Eroberungsplänen fürchten?
Foto: Imago

Auf dem Transfermarkt wurde wieder munter mit Geldscheinen geworfen: 42 Millionen Euro für Jackson Martinez von Atletico Madrid, 32 Millionen für Chelseas Ramires oder 18 Millionen für Gervinho vom AS Rom. Doch die Star-Spieler wechselten nicht etwa in die reiche Premier League, sondern zu den neuen Geldscheißern des Fußballriesen China. Zumindest plant das Land mit aller Kraft so ein Riese zu werden.

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Staatspräsident Xi Jinping startete im letzten Jahr ein umfassendes Konjunkturprogramm und erklärte den Aufbau der Profiliga zur „nationalen Prestigefrage". Luft nach oben gibt es schließlich genug: Im Weltsport Fußball ist das bevölkerungsreichste Land des Planeten ein Niemand und nur auf Rang 82 der Weltrangliste. „Ein Aufleben des Fußballs ist entscheidend auf Chinas Weg zu einer Sportnation", erklärte der bekennende Fußball-Fan Xi. Seine Pläne sind ambitioniert. China soll sich bald für eine WM qualifizieren, ein Turnier ausrichten und schließlich den Titel gewinnen. Xis erste Maßnahmen: An Chinas Schulen ist Fußball verpflichtend im Stundenplan verankert und in zehn Jahren soll es 50.000 Fußball-Schulen geben. Helfen sollen dabei die Millionen von Chinas reichsten Unternehmern.

Denn so kommunistisch die aggressiven Planungen des Staates auch sind, so kapitalistisch wird die Chinese Super League hochgezogen. „In China geht es jetzt von oben nach unten. Das ist der einzige Weg, um hier breitflächig Fußballstrukturen zu schaffen", erklärte der ehemalige Hoffenheim-Trainer Marco Pezzaiuoli, der Nachwuchskoordinator beim Serienmeister Guangzhou Evergrande ist, im Interview mit der SZ. Zahlreiche Milliardäre ballern mit ihren Unternehmen daher ihre Kohle in den Fußball—auch um sich bei der kommunistischen Partei des Landes einzuschmeicheln. Aber kann der schlafende Riese mit seiner Millionen-Offensive den europäischen Klubs und Nationalmannschaften gefährlich werden?

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Nein, denn die Stars werden nur ins Land gelockt, weil die chinesische Liga kaum Qualität und Attraktivität hat. Martinze, Renato Augusto und Gervinho sollen einheimische Spieler stärker machen und die Fans für den Fußball begeistern. Da liegt aber das Problem: Guangzhou Evergrande gewann zwar zum zweiten Mal die asiatische Champions League, doch die großen Stars des Teams wie auch Trainer Luiz Felipe Scolari kommen eben aus dem Ausland. Chinesische Stars gibt es keine. Das Land hinkt laut Pezzaiuoli der Entwicklung um 30 Jahre hinterher. Es gibt nur wenige Fußballplätze oder Trainer und eigentlich keine Kultur für den Sport: Unter den insgesamt 1,37 Milliarden Chinesen gibt es derzeit nur rund 8.000 aktive Fußballer. Während die zahlreichen Brasilianer in der Chinese Super League mit dem Ball am Fuß aufwuchsen, gehen die Chinesen lieber ins Stadion oder schauen internationale Spiele der Bundesliga oder Premier League im TV. „Der Fußball boomt, aber noch nicht auf der Straße", erklärte Pezzaiuoli im Interview mit dem SID.

Der FC Bayern München ist in China in den Social Netzwerken der beliebteste Fußballverein (Foto: Imago)

Wenn aber in zehn Jahren etwa so viele Kinder verpflichtend Fußball spielen müssen wie in Europa Menschen leben, wird die bisherige Ordnung auf den Kopf gestellt. In den europäischen Ligen werden bis dahin schon zahlreiche chinesische Talente und Stars spielen. Die Vorherrschaft des Fußballs wird sich von Europa in Richtung Asien verschieben: Zu der attraktiven Champions-League gesellt sich dann die Chinese Super League. Neben Bayern, Barca und Chelsea verzaubern dann auch Guangzhou Evergrande und Beijing Guoan von den Fans weltweit verehrt. Der prozentuale Anteil an guten China-Kickern wird dann vielleicht sogar höher sein als der der Brasilianer und sie werden über die Welt hinaus verteilt in den verschiedenen Ligen spielen.

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Die aktuellen Ängste der europäischen Klub-Bosse vor den astronomischen Transfer- und Gehaltssummen der chinesischen Teams sind erstmal wenig begründet. Einige wenige Stars wandern vielleicht ab, doch der sportliche Reiz und somit das Schaufenster für Nationalmannschaft und Großturniere liegt weiterhin in Europa. Die Spieler können durch neue TV-Verträge in den europäischen Ländern zudem mit immer höheren Gehältern rechnen.

Was den Chinesen noch im Weg steht, ist der Lebensstil der Fußballstars. Im weitgehend armen und exotischen China mit einer komplizierten Sprache und kommunistischer Staatsführung halten es nur wenige Fußball-Stars aus—trotz hochdotierter Verträge. Ex-Gladbach-Stürmer Mike Hanke beendete sein China-Abenteuer nach nur fünf Monaten wegen dem unerträglichen und komplizierten Alltag für ihn und seine Familie. (Böse Zungen behaupten, dass er die Speisekarte bei McDonald's nicht lesen konnte). Sein vernichtendes Urteil: „Mit zwei Kindern ist es nicht möglich, dort zu leben." Auch Didier Drogba oder Frankfurts Szabolcs Huszti verließen China wieder schnell.

Der plötzliche Geldregen hat zudem einen bitteren Beigeschmack und scheint eine riskante Blase zu sein. Die Fantasiesummen sind in China noch absurder als die in Europa. Seit Tagen geistern Gehaltssummen von fast 40 Millionen Euro Jahresgehalt—netto versteht sich—für Manchester-City-Oldie Yaya Touré durch die Presse. Neben den Millionen für Stars aus den südamerikanischen und europäischen Ligen gaben die Klubs auch für die im internationalen Vergleich eher mittelmäßige Chinesen Bi Jinhao oder Zhang Lu zehn beziehungsweise elf Millionen Euro aus. Die Bosse aus der angeschlagenen Wirtschaft Chinas werden solche künstlichen Mondsummen nicht lange zahlen—wenn sie nicht sowieso bei ausbleibenden Erfolgen und zu hohen Kosten das Interesse verlieren.

Bis die Saison Anfang März in China losgeht können die Chinesen noch bei Europas Klubs wildern. Der ein oder andere Spieler wird dem Ruf des Geldes sicherlich noch folgen. Einen Abgang der großen Stars oder gar ein WM-Titel der chinesischen Nationalmannschaft muss aber in den nächsten Jahren nicht befürchtet werden. In zehn Jahren, wenn der verpflichtende Fußballunterricht erste Früchte trägt, sieht die Gefahr für die Vorherrschaft von Europas Fußball aber wieder ganz anders aus…

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