Ein Tag Promo-Hustle an der Seite von Celo & Abdi
Jennifer Krause

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Backstage

Ein Tag Promo-Hustle an der Seite von Celo & Abdi

"Wir sind dafür da, so ein bisschen den Stock aus dem Arsch rauszuziehen", sagt Celo und tunkt sein Brot in einen Berg Humus.

Ein amerikanisches Sprichwort besagt, man solle erstmal eine Meile in den Schuhen des Anderen gehen, bevor man über ihn urteilt. Heute schlüpfe ich also gleich in zwei Paar pechschwarze Nike Air Max 97 – aber auch wieder nur sprichwörtlich. Denn erstens würden mir weder Celos noch Abdis Schuhe passen und zweitens würden sie sie mir vermutlich auch nicht leihen. Wer gibt schon brandneue Nikes her?

Es ist 11 Uhr morgens und die Laune entsprechend, als die beiden beim ersten Stopp ihres heutigen Promotages eintreffen. Außerdem hat Celo einen Husten, der sich bei jedem Keuchen anhört, als ob man ein Glas rostiger Nägel schütteln würde und auch Abdi erzählt, heute morgen etwas "aufgefrostelt" aufgewacht zu sein. Ob das am kalten Herbstwetter oder dem Pfeffiabend mit Visa Vie Tags zuvor liegt, weiß man nicht. Mit Diaspora haben Celo & Abdi jedoch ein Album in den ebenfalls sprichwörtlichen Startlöchern, das es zu bewerben gilt. Häufig macht man das innerhalb einiger Tage, in denen der Künstler von Radio- zu Fernsehen- zu Online-Interview stiefelt, um in möglichst kurzer Zeit viele Kanäle zu erreichen. "Das ist stressig, kann aber auch Spaß machen", versichern mir die beiden.

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Meine Rolle ist heute zur Abwechslung mal eine andere. Statt eines der Interviews auf dem Schedule zu führen, darf ich heute die beiden Frankfurter begleiten, während sie von Termin zu Termin bugsiert werden. Also eher eine Meile in ihren Schuhen BMW fahren, statt laufen. Umso besser!

Foto: Jennifer Krause

Unter einem Schild mit dem vielsagenden Schriftzug "Therapie" geht es runter in das Kreuzberger Studio von Hyperbole, wo unter anderem das Format Disslike gedreht wird. Ich finde das lustig, Celo und Abdi ist es egal, mein Wunsch darunter für ein Foto zu posieren wird ignoriert. Celo geht lieber erstmal im Hipstercafé nebenan für alle Kaffee holen. Nett von ihm. Ein müder Abdi bleibt zurück und muss sich meinem Gequassel alleine aussetzen. Vielleicht war Celos Vorschlag, Kaffee holen zu gehen, doch nicht so selbstlos wie angenommen.

Das ist bereits das zweite Disslike, das mit den beiden gedreht wird. "Unser Disslike war das beste, die Leute haben eigentlich nur positive Dinge geschrieben über uns. Es wäre deswegen fast nicht zustande gekommen, wir mussten selber Disslikes erfinden. Alle lieben uns!", erklärt Abdi, während Celo wieder zur Tür hineinkommt und mit glänzenden Augen vom Hipstercafé schwärmt. Vermutlich hat Abdi mit seiner Behauptung Recht. Noch ein Zug am Joint, ein Schluck aus dem nachhaltigen Pappbecher und es wird Zeit für die beiden, sich ein wenig von Twitter auf die Nike tragenden Zehen treten zu lassen.

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Foto: Jennifer Krause

Sie schütteln die uhrzeitbedingte Einsilbigkeit (Celo: "Das hätte man eigentlich später ansetzen müssen, wenn man schon bisschen in den Tag gekommen ist") schnell ab und ziehen ihr Ding durch. Wie Abdi bereits feststellte, ist es ja auch schließlich das, wofür die Leute sie lieben – und die beiden wissen das ganz genau. Celo & Abdi sind das vermutlich professionellste Chaos auf diesem Planeten.

Da selbst das Klicken unserer Fotografin den Ton stört, ist absolute Ruhe während des Drehs angesagt. Wie man sich vorstellen kann, ist gar nicht so einfach, wenn man Backstage bei einem Disslike mit Celo & Abdi ist.

Foto: Jennifer Krause

"Wenn einen sowas wirklich stört, hat man seinen Beruf verfehlt", antwortet Celo auf meine Frage, ob ihn die Beleidigungen insgeheim doch kränken. Privat lesen die beiden ab und zu Kommentare unter ihren Videos oder Social Media-Posts, aber auch da findet Abdi die Hater eher lustig als beleidigend. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie ein Format wie Disslike mögen. "Während mans macht ist es lustig, nachher ist es noch lustiger."

Wir sind bereits in Verzug geraten, der nächste Punkt auf der To-Do-Liste ist überfällig, weswegen das Mittagessen erst auf nach den nächsten Termin verschoben werden muss. Launetechnisch sind wir also gar nicht so traurig darüber, dass wir zu besagtem Termin nicht mitkommen dürfen.

Foto: Jennifer Krause

Dafür haben wir jetzt Zeit, über Diaspora zu sprechen. "Rillé" schien mir anfangs eine eigenartige Wahl für eine erste Single zu sein. Zu ungefällig, andererseits auch nicht allzu provokant oder überraschend. Dieser Eindruck änderte sich spätestens, als ich wenige Tage später Zeugin eines Tanz-Flashmops in einem Neuköllner Späti wurde, wo "Rillé" durch die Boxen gepumpt wurde. Elektrisiert von der Musik ließen die anwesenden Anfang Zwanzigjährigen die Pfeffiflaschen sinken, die sie soeben aus dem Kühlschrank fingern wollten, und begannen stattdessen jauchzend und Blouson-Jacken wehend durch den Späti zu pogen. Es war der kleinste und glücklichste Moshpit, den ich je gesehen habe.

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Celo & Abdi is for the children, wie Ol' Dirty Bastard sagen würde. Ist so, war so, wird (hoffentlich) immer so sein, auch wenn das einige ältere Fans inzwischen zu stören scheint. "Reicht doch jetzt mal mit dieser ganzen Trap und Autotune-Scheiße, wir haben es verstanden, ihr wollt euch entwickeln, aber dann nicht in so 'ne Drecksrichtung", liest man da zum Beispiel unter den Videos.

"Die Leute sind leider ein bisschen engstirnig in Deutschland. Wir sind dafür da, so ein bisschen den Stock aus dem Arsch rauszuziehen", sagt Celo dazu, als wir die beiden zum Mittagessen wieder treffen und tunkt sein Brot in einen Berg Humus. "Du kannst nicht jedes Album wie Hinterhofjargon machen. Hinterhofjargon ist doch schon gemacht, man kann doch nicht immer das Gleiche machen!"

Der Song "Rhythm 'N Flouz" lieferte dann die Leichtigkeit und Ohrwurm-Qualitäten, die man vielleicht von einer ersten Single erwartet hätte. Ein lupenreiner Hit mit überragenden Parts aller Beteiligten. Es war jedoch erst die dritte Single, der Titeltrack "Diaspora", der dank seines unpeinlichen und dennoch emotionalen Storytellings ahnen ließ, dass Diaspora Celo & Abdis bestes Album seit Hinterhofjargon werden könnte. Wer dann schließlich auch "Immer noch", "Mondsichel" oder "Medizinmann" hört, wenn es soweit ist, wird sich dessen sicher sein. Das liegt unter anderem an einem auf diesem Album unglaublich starken Abdi.

Davon möchte er jedoch nichts wissen. "Also ich finde eigentlich, dass Celo sich auf diesem Album voll gesteigert hat. Seine Flows zersägen alles. Er ist jetzt auch keiner von der jüngeren Generation", sagt er lachend, während Celo ihm einen fragenden Blick zuwirft. "Also ich mein', man muss das auch erstmal schaffen, nach so vielen Jahren im Game trotzdem wieder 'nen neuen Style zu schaffen. Also muss ich da definitiv den Pokal an Celo geben."

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Celo bedankt sich väterlich und fügt hinzu: "Abdi war aber schon immer krass, nicht nur jetzt erst. Für mich zählt Abdi zu den besten Rappern in Deutschland. [Anm. d. red.: Die restlichen sind für ihn Haftbefehl, Olexesh und Nimo.] Da ist alles on Point, tack tack tack [klopft mit der Handkante auf das Mosaik der Tischplatte]. Man sagt ja immer, Savas ist der King of Rap, aber eigentlich müsste es King Kool Abdi heißen. Celo & Abdi: zu einander sind sie weich wie Humus.

Foto: Jennifer Krause

Als nächster Termin steht das Punchline-Quiz beim Splash! Mag an. Ich persönlich mag das Format sehr und da Celo und Abdi so sehr wie kaum jemand sonst für legendäre Videointerviews bekannt sind, ist meine Vorfreude entsprechend groß. Die Autofahrt dorthin wird zum Entspannen genutzt, von Aufregung keine Spur. Während Celo in fremden Sprachen telefoniert checkt Abdi seinen Instagram-Feed. Seine Insta-Story-Sucht konnte er vor Kurzem erfolgreich aufgeben, wie er uns erzählt.

Ich frage ihn, wie sie ihren Status als Interview-Lieblinge erreicht haben. Hier geht es ja schließlich um Promo. "Wir verstellen uns nicht. Wir sind einfach immer so, wie wir sind", antwortet er. "Ich kann auch nicht immer witzig und aufgedreht sein bei einem Interview, wenn mir nicht danach ist. Vor allem, wenn Journalisten einem dann Alkohol hinstellen, dann weißt du gleich was los ist", antwortet Abdi.

Foto: Jennifer Krause

Heute ist wohl ein solcher Tag. Es wäre gelogen zu sagen, die beiden seien durchgehend bester Laune und dauerlachende Gebrüder Leichtfuß. Aber das ist auch OK. Manchmal hat man eben auch mal schwere Beine, vor allem wenn man eine Meile gehen muss. Es ist nicht nur OK, es ist menschlich – real. Den Rest der Fahrt verbringen wir eher schweigend. Aber ist es nicht angeblich gerade die Fähigkeit, gemeinsam schweigen zu können, was eine wahre Freundschaft ausmacht?

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Apropos Freundschaft: Celo & Abdi haben nicht nur das Glück, eine sehr liebevolle miteinander zu teilen, sondern auch noch damit Geld verdienen zu können. Wie geht das? "Viele sagen, man soll Arbeit und Freundschaft trennen. Und irgendwie machen wir das auch, während wir arbeiten", meint Celo. "Vielleicht liegt es auch an unserem Altersunterschied", meint Abdi. "Celo ist sehr erwachsen", sagt er lachend. "Ich kenne seine Grenzen und er kennt meine", wirft Celo ein. "Und selbst wenn man mal über die Grenze des anderen geht, wissen wir, dass nicht der dritte Weltkrieg deswegen ausbricht. Über solche Banalitäten sind wir hinaus, wo sich andere Rapper zerstreiten."

Foto: Jennifer Krause

Wir erreichen die Kneipe, in der das Splash! Mag die beiden bereits erwartet. Wir müssen leider wieder draußen bleiben, beziehungsweise im Nebenraum warten und lauschen mit gespitzten Ohren dem Geschehen. Es ist ruhig, es war eigentlich den ganzen Tag relativ ruhig. Viel ruhiger als wir es von einem Promo-Tag mit Celo & Abdi erwartet hätten. Ein Tag auf leisen Sohlen.

Ob man seinen Weg nun polternd oder ruhig bestreitet, ist vielleicht aber auch gar nicht so wichtig, wie uns die Meile in Celo & Abdis Schuhen heute gezeigt hat. Viel wichtiger – oder zumindest angenehmer – ist es, wenn man jemanden hat, der den Weg mit einem zusammen im gleichen Takt läuft.

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' Diaspora' erscheint am 27. Oktober und kann zum Beispiel auf Apple Music oder Amazon gekauft werden.

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