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Legendäre Clubs

Legendäre Clubs: Die Batschkapp hat in Frankfurt die alternative Szene am Leben erhalten

"Die Polizei ist da nicht gerne hingefahren, weil sie wussten: Immer wenn sie ankommen, passiert irgendwas" – Ein Gespräch mit dem Batschkapp-Betreiber über die Club-Geschichte von RAF über Punk bis Robbie Williams.
Während des Konzerts von Tankard 2015. Foto: imago | Hartenfelser

Die Batschkapp in Frankfurt am Main ist eines der ersten alternativen Zentren in Deutschland, besteht seit über 40 Jahren und zählt Farin Urlaub und Ex-Außenminister Joschka Fischer zu seinen Unterstützern. Dass das Gespräch mit Batschkapp-Chef Ralf Scheffler spannend werden würde, war also absehbar. Doch damit, dass ich nach dem Interview erstmal mein Wissen über die Rote Armee Fraktion (RAF) auffrischen muss, habe ich dann doch nicht gerechnet. Doch von vorn.

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Wie das Hamburger Molotow oder das SO36 in Berlin gehört die Batschkapp zu den Clubs, von denen alle, die alternative Rock-Musik mögen, schon einmal gehört haben könnten. Schließlich sind genau das die Orte, in denen seit Jahrzehnten die ganzen guten Bands immerzu spielen. Doch warum eigentlich? Ich habe mich hinter die Kulissen begeben und mit den Betreibern getroffen, um herauszufinden, warum Bands und Publikum ausgerechnet diese Läden lieben. Diesmal rede ich also mit Ralf Scheffler. Schnell wird klar, dass man nicht nur über die Batschkapp, sondern auch über das politische Umfeld, in dem sie entstand, reden muss.

Ralf ist zwar schon 69 Jahre alt, doch auch 41 Jahre Batschkapp haben ihn nicht müde gemacht. In breitem Hessisch erklärt er: "Wir haben 1976 keinen Rockclub aufgemacht. Wir haben aus der Sponti-Bewegung in Frankfurt heraus ein alternatives Zentrum gegründet." Die Spontis entstanden aus den 68ern und machten sich unter anderem durch Hausbesetzungen bemerkbar, aber auch der eine oder andere Stein ist durchaus geflogen. Frankfurt war dabei quasi Sprachführer der Bewegung und bekannte Mitglieder wie Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit wurden später sogar Außenminister beziehungsweise EU-Abgeordneter.

imago | Hartenfelser

Zur gleichen Zeit war auch die linke Terrororganisation RAF aktiv – etwas, das nicht die Republik, sondern auch die linke Szene selbst stark beschäftigte. As diesem internen Diskurs heraus entstanden irgendwann die ersten alternativen Zentren, darunter auch die Batschkapp. Und zwar auf eine ziemlich dramatische Art, wie Ralf berichtet: "Es gab eine ziemlich harte Aktion bei einer Demo anlässlich des Todes von Holger Meins. [ Anm.: Filmemacher und RAF-Mitglied Meins starb 1974 im Gefängnis an den Folgen eines Hungerstreiks.] Eine Woche später sind daraufhin 12 oder 15 Leute von uns eingefahren – unter dem Vorwurf des Mordversuchs und Bildung einer kriminellen Vereinigung." Und auch wenn der Vorwurf haltlos war und alle 24 Stunden später wieder gehen durften, wussten alle Beteiligten, dass sich etwas ändern muss.

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"Es war klar, dass es so nicht weitergeht. Wir waren an einem Punkt angekommen, wo man entweder bei der RAF, einer vergleichbaren Organisation oder gleich im Knast landet. Und ich muss ehrlich sagen, die Mehrzahl von uns wollte das nicht. Das war quasi die Geburtsstunde der Alternativbetriebe. Da wurden Druckereien und Bio-Läden aufgemacht, Buchläden gegründet, und halt alternative Zentren wie die Batschkapp."

Das Ganze war wohl ungefähr genauso gut koordiniert, wie man es von so einer Truppe vermuten würde: "Es war nicht so klar, was das eigentlich werden sollte, aber wir hatten auch nicht so viel Zeit. Die Batschkapp war nämlich unsere Stammkneipe und oben drüber war so eine Vorstadtdisko. Irgendwann kam der Vermieter und fragte, ob wir die übernehmen wollen und da mussten wir uns schnell entscheiden." Wenn Ralf die ursprüngliche Idee der Batschkapp beschreibt, klingt das wie die Blaupause, auf der alternative Zentren bis heute basieren: "Man musste so ein politisch-kulturelles Zentrum schaffen, um die Massen, auf die wir es abgesehen hatten, zu binden."


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Ein Zufall führte dazu, dass sich die Batschkapp vom ursprünglichen AZ entfernte und zum relativ klassischen Club wurde. Im Batschkapp - Frankfurter Kulturzentrum e.V. hatten alle Leute gleichberechtigt eine Stimme und eine eigene Meinung, wo es zukünftig hingehen sollte – wie es sich für ein linkes Kollektiv gehört. Ralf ist sehr glücklich darüber, welche Mehrheit sich damals durchgesetzt hat: "Die Pressure-Group hat mit Punk und New Wave für die richtige Ausrichtung gesorgt. Andere Teile des Kollektivs wollten weiter Jazz/Krautrock und Theater.”

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Gleichzeitig hatte die Batschkapp das Glück, dass die Frankfurter Politik keine so harte Kante wie ihre Kollegen in Berlin zeigte und die Szene nicht von der Polizei schikaniert wurde. Ralf meint, dass das auch noch andere Gründe gehabt haben könnte: "Die sind da nicht gerne hingefahren, weil sie wussten, immer wenn sie ankommen, passiert irgendwas. Ärger hatten wir erst Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger als der Punk in Frankfurt eingezogen ist. Da wurden dann Flaschen geschmissen und Tags an die umliegenden Häuser gemalt. Ich kam eines Winters, da haben sie gerade vor der Tür unsere Gartenmöbel verbrannt, weil es zu kalt war."

Mit den Punks kam auch der Unmut der Nachbarschaft. Der Ortsbeirat nutzte die Situation, um Stimmung gegen die Batschkapp zu machen. Doch die Stadt hat die Lokalpolitiker dabei nicht unterstützt, schließlich hat die Batschkapp die Jugendlichen von der Straße gehalten, ohne dass es Frankfurt Geld gekostet hätte. Ralf hat sogar noch eine Geschichte auf Lager, die für alle Beteiligten sehr merkwürdig gewesen sein dürfte: das eine Mal, als die Polizei dem Club zu Hilfe kam. "1982, beim Spiel Eintracht gegen HSV wollten von Frankfurter Glatzen angestachelte Hamburger Glatzen den Laden stürmen. Die kamen mit Mannschaftsstärke an, aber die Polizei war mit einem Wasserwerfer da. Eine historisch neue Situation für mich, weil ich sonst immer auf der anderen Seite stand."

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Während des Konzerts von Tankard 2015. Foto: imago | Hartenfelser

Punk und New Wave haben ihre großen Zeiten längst hinter sich, doch die Batschkapp ist erfolgreicher denn je. Ralf hat seine eigene Theorie, weshalb sie auch nach über 40 Jahren immer noch relevant bleibt. "Man muss halt dranbleiben. Ich kenne ja die Clubs, die mit uns gestartet sind und die heute keine Relevanz mehr haben. Teils, weil sich Leute einfach zurückgelehnt haben, als es lief, aber es gibt auch einen harten Konkurrenzkampf zwischen Venues. Wir haben ein offenes Ohr für Ratschläge, die wir von Dritten kriegen. Wir haben schnell angefangen, Konzerte außerhalb der Batschkapp zu veranstalten. Für Bands, die bei uns gewachsen sind und dann zu groß wurden, haben wir dann halt eine Halle angemietet."

Eine Strategie, die sich auszahlt, wie man an Beispielen wie Robbie Williams sehen kann. Bevor er zu einem der größten Popstars Europas wurde, spielte der Ex-Take That-Sänger vor wenigen hundert Leuten in der Batschkapp. Zu Hochzeiten im Jahr 2006 verkaufte er an zwei Abenden jeweils 80.000 Karten für den Hockenheimring. Und auch 2017 füllte er noch 40.000 Plätze. Immer als Veranstalter mit dabei: das Batschkapp-Team rund um Ralf Scheffler. Die wahrscheinlich größte Änderung in der Club-Geschichte kam 2013, als der Club nach 37 Jahren sein altes Zuhause verließ und in ein neues Gebäude zog. Ein mehr als nötiger Schritt, wie Ralf betont:

"Erstens war unsere Kapazität beschränkt. Früher war bei einem Toten Hosen-Konzert die Halle proppevoll, aber das hat keinen interessiert. Die Jahre sind ins Land gegangen, die Generationen haben sich gewandelt und die Beschwerden, es wäre zu eng und stickig nahmen zu. Das heißt, wir haben schon freiwillig unsere Kapazität runtergefahren, um da nicht Ärger zu kriegen. Das bedeutete auch, dass bestimmte Konzerte einfach an uns vorbeigegangen sind, die wir nicht veranstalten konnten. Die zweite Sache war, dass die Batschkapp ein ein altes Haus war. Die Renovierungskosten hätten sich nicht gelohnt, weil die Kapazitätsprobleme sich ja nicht geändert hätten."

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Erstes großes Konzert in der neuen Batschkapp 2013. Foto: imago | Michael Schick

Offiziell war in der alten Location eine Zuschauermenge von 400 zugelassen, jetzt sind es 1.500. Neben besserer Lüftung und mehr Platz hat die neue Batschkapp noch einen sehr viel größeren Vorteil: "Wir haben jetzt auch mehr Toiletten. Für die Männer hatten wir damals fünf Pissoirs und für die Damen drei Toiletten. Jetzt haben wir zehnmal so viele. Da gibt es jetzt keinen Engpass mehr." Auch Musiker kommen nicht nur wegen mehr verkauften Tickets lieber in die neue Batschkapp: "Wir haben natürlich auch Bands, die früher nicht gekommen wären. Einerseits wegen der Kapazität, aber auch wegen der Backstage-Situation. Mir hat nach dem Umzug mal ein Tourbegleiter gesagt: 'Ralf, ich muss dir mal was sagen, früher haben wir Bands am Tag, bevor wir bei euch waren, immer gesagt, dass sie nochmal duschen sollen, weil morgen geht’s nach Frankfurt.' Es gab halt nur eine Dusche im Backstage, die sich alle teilen mussten." Und auch wenn einige meiner Freunde in Frankfurt sagen, dass der Club durch den Umzug an Charme verloren hat, ist es fraglich, wie lange die Batschkapp noch existiert hätte. Das war dem Team laut Ralf auch schon lange bewusst: "Wir haben in den 90ern angefangen zu sehen, dass wir in unseren Möglichkeiten recht beschränkt sind. Es gab ja immer wieder Versuche von den Ortsbeiratspolitikern, uns ans Bein zu pinkeln." So begann schon vor 20 Jahren die Suche nach einer neuen Location – mit teils absurden Optionen. So gab es unter anderem die Idee, in das oberste Stockwerk einer Shopping-Mall zu ziehen oder sogar nach Offenbach. Bei diesen Alternativen ist vermutlich jeder Frankfurter dankbar, dass die aktuelle Lösung von innen fast wie die alte Batschkapp ist. Nur größer und mit mehr Sauerstoff. Und nach all der Zeit kann man sicher sagen, dass der Umzug der richtige Schritt für die Batschkapp war. Schließlich ist der Kopf des Teams seit 41 Jahren dabei und statt in Rente zu gehen, kümmert er sich immer noch um den Laden, der damals als Alternative zur RAF-Mitgliedschaft gegründet wurde.

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Ähnlich wie Andi vom Molotow antwortet Ralf auf die Frage, worauf er besonders stolz ist: "Darauf, dass wir bis heute durchgehalten haben, immer noch im Spiel sind und das gar nicht schlecht. Und alles von Gründung bis Umzug ohne der öffentlichen Hand auf der Tasche zu liegen."

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