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Rechtspopulisten

Der AfD-Nachwuchs will die "Endlösung für die Musels"

Warum die Junge Alternative für den Untergang der Partei sorgen könnte – und was ein Kampfzwerg damit zu tun hat.
Screenshot aus dem YouTube-Video "[MD] AfD-Wahlparty enttarnt - 13.03.2016" von Hooli Gans

Bei dem, was manche AfD-Mitglieder öffentlich sagen, könnte man meinen, sie hätten davor einen halben Kasten Bier verköstigt. Tausche das Bier gegen Wodka – oder in diesem Fall natürlich Korn aus deutschen Ären – und du bist bei der Jungen Alternativen (JA). Die Nachwuchsorganisation der AfD zeigte nun so deutlich wie selten ihre Nähe zu rechtsradikalen Strömungen.

Einen dieser Typen machte die niedersächsische JA am Samstag zu ihrem Landesvorsitzenden. Lars Steinke gehört zu einer Gruppe des Braunschweiger Bezirksverbandes, die die JA weiter nach rechts treiben will. In einer WhatsApp-Gruppe des Verbandes, der auch Steinke angehört, haben Mitglieder kommentiert: "Wir sollten endlich über eine Endlösung für die Musels in Deutschland nachdenken". Und: "Wir sollten Tierversuche stoppen und Flüchtlinge dafür nehmen".

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Der Inhalt der WhatsApp-Gruppe war nach Informationen des Göttinger Tageblatts in JA-Kreisen schon länger bekannt. Mario Olsson und Sven Larres, die beiden Vorsitzenden der JA-Bezirksverbände Hannover und Lüneburg, erklärten nach der Wahl Steinkes ihren Rücktritt. Olsson begründete diesen unter anderem mit den 20 Ordnungsmaßnahmen, die letztes Jahr gegen Mitglieder des Braunschweiger Bezirksverbandes eingeleitet worden seien, auch wegen der Äußerungen in der WhatsApp-Gruppe. Gegen Steinke laufe außerdem ein Ausschlussverfahren, weil er gemeinsam "mit dem rechtsextremen Freundeskreis Thüringen / Niedersachsen" Demos besucht habe.

Als Reaktion auf Steinkes Wahl sind bis Montag 21 der derzeit etwa 1.600 Mitglieder aus der JA ausgetreten – und das wurde allerhöchste Zeit. Denn für den Austritt hätten auch davor schon ganz andere Typen genügend Gründe geliefert. Liebe Junge Alternative, die ihr euch um das Wohl eures kleinen Rechtspopulistenvereins sorgt: Wir haben da ein paar Austrittsgründe für euch.

Der Identitären-Freund: Thorsten Weiß

Dass die JA nicht gerade auf Kuschelkurs ist, hätte einem auffallen können, als Thorsten Weiß, Vorsitzender der Berliner JA, ganz offen verkündete, man arbeite mit der rechtsextremen "Identitären Bewegung" zusammen. Weiß spricht aus Erfahrung, denn er marschierte bereits bei einer Kundgebung im brandenburgischen Zossen mit, an der auch Mitglieder der IB teilnahmen. Diese Zusammenarbeit sei "überhaupt nicht verwerflich", sagte Weiß. Der JA-Mann hat natürlich völlig Recht: Wenn du kein Problem mit Rechtsextremen hast, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, dann arbeite ruhig mit ihnen zusammen. Zum Beispiel indem du ihnen hilfst, das Bundesjustizministerium zu stürmen.

Der Mann für die Straße: Jannik Brämer

Bei genau dieser versuchten Besetzung des Ministeriums tat sich ein Parteibuddy und Wahlkampfhelfer von Thorsten Weiß besonders hervor: Jannik Brämer. Der damalige JA-Schatzmeister fuhr dabei mit einem Transporter fast einen Zivilpolizisten um und flüchtete nach der missglückten Besetzung. Die Polizei erließ Haftbefehl wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und nahm Brämer sechs Tage später fest. Er musste sein Amt als Schatzmeister niederlegen, die Partei leitete ein – immer noch anhängiges – Ausschlussverfahren gegen ihn ein.

Der Fahnenflüchtige: Hagen Weiß

Im März 2015 verließ der JA-Vizevorsitzende Hagen Weiß die Junge Alternative. Die Umstände seines Ausstiegs sollten JA-Mitgliedern zu denken geben. Nach Informationen der Badischen Zeitung begründete er seinen Schritt intern damit, dass in der Jungen Alternative "extremistische Tendenzen vorsätzlich billigend in Kauf genommen" würden. Die radikalen Strömungen in der JA hätten zum Ziel, die AfD nach ihren Vorstellungen umzuformen. Weiß erhielt laut eigenen Angaben später anonyme Drohbriefe. Die JA dagegen bestritt Weiß' Anschuldigungen.

Der Chefstratege: Markus Frohnmaier

Auch bei der Jungen Alternative stinkt der Fisch vom Kopf her. Markus Frohnmaier trägt nicht nur gerne zu breite Krawaten, er ist nebenbei auch noch Bundesvorsitzender der JA. Schon im Oktober 2015 hätte einem auffallen können, dass Frohnmaier ein bisschen mehr im Sinn hat, als dem deutschen Parteienspektrum eine etwas konservative Nuance zu geben. Damals sagte er in einer Ansprache vor Tausenden AfD-Anhängern: "Wenn wir kommen, wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet". Nicht nur damals klang das ein ganz kleines bisschen nach Umsturzfantasie. Und was macht man als grundbürgerliche und überhaupt ideologisch völlig lumpenreine AfD mit so einem aufstrebenden Hetzer? Genau: Man befördert ihn. Frauke Petry machte Frohnmaier 2016 zu ihrem Sprecher und verpasste ihm den Spitznamen "Kampfzwerg". Dass diese Entscheidung nicht die klügste ihrer politischen Karriere gewesen sein könnte, hätte ihr klar werden müssen, als sich ihr Kampfzwerg im März dieses Jahres mit Martin Sellner traf, einer Schlüsselfigur bei den Identitären. Damit das auch jeder mitbekam, lud Frohnmaier eine Journalistin des Tagesspiegels zu dem Treffen ein. Doch zum Glück musste sich Frauke Petry darüber gar keine Gedanken mehr machen. Denn genau einen Monat nach diesem Treffen machte Alice Weidel Frohnmaier zu ihrem Sprecher.

All das zeigt, wie ratlos die AfD im Umgang mit ihrem Nachwuchs ist. Bis heute hat sich die Partei deshalb nicht eindeutig von der Jungen Alternative distanziert.

Richtigstellung: In einer älteren Fassung dieses Artikels hatten wir geschrieben, dass Thorsten Weiß bereits auf Kundgebungen der IB mitmarschiert sei. Tatsächlich handelte es sich bei der betreffenden Veranstaltung um keine von der IB organisierte Kundgebung. Deshalb wurde der Artikel an entsprechender Stelle geändert.

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