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Rechtsextremismus

Neuer Bericht: Es gibt noch mehr Neonazis in der Bundeswehr als gedacht

Der Militärische Abschirmdienst hatte vor Kurzem noch von halb so vielen gesprochen.
Symbolfoto: imago | phototek

Die Bundeswehr leidet seit ihrer Gründung an einem Geburtsfehler: Viele Soldaten, die 1955 ihren Dienst antraten, hatten in der Wehrmacht gekämpft. Seitdem sind mehr als 60 Jahre vergangen, die Soldaten von damals längst nicht mehr im Dienst. Doch es gibt immer noch Rekruten, die Nazi-Devotionalien sammeln und rechtsextremes Gedankengut verbreiten. Wie ein neuer Bericht des Verteidigungsministeriums jetzt zeigt, dienen mehr Neonazis in der deutschen Armee, als bislang bekannt war.

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Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat von 2008 bis heute etwa 200 Rechtsextreme in der Armee enttarnt – mehr als 20 jedes Jahr. Die Zahl stammt aus der Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine kleine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Irene Mihalic.


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Am 5. Oktober berichtete der MAD-Präsident Christof Gramm in einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages noch von jährlich acht rechtsextremen Verdachtsfällen. "Über 20 Rechtsextreme bei der Bundeswehr jährlich – das ist schon eine relevante und bedenkliche Größenordnung", sagte Irene Mihalic dem Kölner Stadt-Anzeiger. Darin, dass der MAD seine Angaben in so kurzer Zeit korrigieren musste, sehe sie "eine hohe analytische Unsicherheit bei dem Thema". Das sei gefährlich, insbesondere weil Rechtsextreme die militärische Ausbildung in der Bundeswehr für ihre politischen Zwecke nutzen können.

Ein weiteres Problem sei, dass Bundeswehr-Reservisten nicht vom MAD, sondern vom Verfassungsschutz kontrolliert würden. Immerhin haben beide Ämter dieses Jahr eine gemeinsame Arbeitsgemeinschaft "Reservisten" gegründet, um das extremistische Gefahrenpotential in der Bundeswehr besser bewerten zu können. Laut Mihalic sei es "wichtig, wenn das Parlament proaktiv und regelmäßig über extremistische Bestrebungen in der Bundeswehr informiert werden würde; über Zahlen, Personen, Strategien und Netzwerke". Besonders der Fall Franco A. habe das deutlich gemacht. Der Oberleutnant flog im April dieses Jahres auf, nachdem er sich als Asylbewerber registriert hatte. Er steht unter Verdacht, einen Terroranschlag geplant zu haben, um Ressentiments gegen Geflüchtete zu schüren.

Nicht immer fliegen Soldaten aus der Bundeswehr, die als rechtsextrem enttarnt wurden. Es gibt Fälle, in denen ein Hitlergruß den Rauswurf bedeutete, ein andermal musste ein Soldat dafür nur eine Strafe zahlen. Das könnte damit zu tun haben, dass in der Truppe oft Vorgesetzte auf der unteren und mittleren Ebene über disziplinarische Maßnahmen entscheiden. Einheitliche Regelungen scheint es nicht zu geben. Auch Franco A. hatte bereits 2014 in seiner Masterarbeit völkische Verschwörungstheorien verbreitet. Doch außer ein paar Vorermittlungen, die schnell wieder eingestellt wurden, passierte nichts.

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