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Royal Arena Festival

Ich wollte mich am Royal Arena reich tauschen und habe alles verloren

Vom Bordstein bis zur Skyline und mit Lichtgeschwindigkeit wieder zurück.
Alle Fotos von der Autorin

Eigentlich liebe ich Festivals. Für ein paar Tage sind alle Sorgen vergessen, du feierst mit Freunden, hörst gute Musik, ballerst dich zu, knutschst rum und kehrst mit diversen Anekdoten und wasted Fotos nach Hause. Doch einige Sachen haben mich schon immer genervt: Gefühlte 10.000 Kilo mitzuschleppen, an alles zu denken, deswegen noch mehr einzupacken, ein Zelt aufzustellen, alles wieder zusammenräumen und mit letzter Kraft nach Hause zu schleppen. Das muss doch auch ohne gehen. Am Royal Arena Festival in Biel will ich dieses Wochenende herausfinden, wie weit ich mit nur einer Zahnbürste komme. Da ich keinen Bock habe, zwei Nächte im Schlamm zu schlafen und zu stinken wie die ToiToi's am Festival, habe ich vorsichtshalber meine 10.000 Kilo Backup-Festivalausrüstung eingepackt.

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Wie genau ich mich von einer Zahnbürste hochtauschen will, weiss ich noch nicht genau. Ich setze einfach auf alkoholisierte Besucher und meinen Charme.

In Biel angekommen holen mich meine Freunde netterweise mit dem Auto am Bahnhof ab. So fahren wir zu siebt im vollgestopften Fünfplätzer zum Festival. Als erstes bauen wir unsere Zelte und Pavillons in der brütenden Hitze auf. Als wir unser Camp für die nächsten zwei Tage eingerichtet haben, frage ich meine Freunden zweifelnd, ob mein Vorhaben schon beim ersten Tausch scheitern wird: "Wer vergisst schon, seine Zahnbürste an ein Festival mitzunehmen?" Als dieser Satz in unserer Campingrunde gefallen ist, ertönt aus einem Zelt: "Ich hab meine Zahnbürste vergessen, du kriegst mein neues Deo dafür." An dieser Stelle danke ich meiner Freundin, dass sie genauso ein Vollzeit-Chaot ist wie ich. Wir waren vorher extra noch im Supermarkt. Sie hat natürlich nur dieses Deo gekauft – zu meinem Vorteil. Der erste und wohl schwerste Tausch ist im Sack. Mit dem im Gepäck und einem Freund im Schlepptau durchstreife ich den Campingplatz.

Die erste Gruppe, mit welcher ich tausche, ist für das Royal doch ziemlich hippiemässig drauf. Als ich mich zum Verhandeln auf ihre Plane setzen will, muss ich vorher die Schuhe ausziehen. Schlussendlich kann ich mit viel Überzeugungskraft eine Flasche Wasser von der einen Gruppe, eine Handseife und einen Damenrasierer von der anderen Gruppe rausschlagen. Das Deo wird am Festival nun geteilt, das ist die neue Art des Socializing. Und gleich mehrere Hippies müssen nicht stinken.

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Eine Flasche Wasser, eine Handseife und einen Rasierer inklusive Gel.

Mit meinen neuen Schätzen gehe ich weiter zum nächsten Camp. Dort kann ich, weil die Gruppe die ganze Aktion geil findet und ein Typ davon Noisey ziemlich abfeiert, die Flasche Wasser gegen zwei kalte Prix-Garantie-Bier und Hasch tauschen. Aber erst nachdem ich versprochen haben, dass ich wirklich für Noisey schreibe und er mir noch mit einem elterlich ungläubigen aber todernsten Blick mit auf den Weg gibt: "Ich werde den Artikel zur Kontrolle lesen." Die Toilettenartikel darf ich behalten, da diese von der reinen Männergruppe nicht benötigt werden.

Zwei Bier, ein Päcken Hasch und die Hygieneartikel.

Mit dem Hasch sollte ich eigentlich leichtes Spiel haben, denke ich mir. An einem HipHop-Openair kifft doch jeder. Also schlängle ich mich zwischen den Zelten durch – über Zeltschnüre fallen ist da inkludiert. Die Gruppen, welche ich anspreche, wähle ich nach folgenden Kriterien aus: Entweder sehen sie wie ich zu broke aus, um etwas zum Tauschen zu besitzen oder sie sind voll ausgerüstet. Die voll Ausgerüsteten sind es meistens, welche ich anspreche. Bei der nächsten Gruppe angekommen, heisst es, wie ich es an diesem Tag noch öfters hören werden: "Sorry, wir haben schon alles." Viele der Besucher wissen auch nicht, was sie tauschen könnten, da sie Angst haben, den Gegenstand später noch zu brauchen.

Bei einer Gruppe angekommen, welche zu früher Stunde schon recht gut unterwegs ist, wird mir Bier und eine Pappfigur ohne Beine – Pamela Anderson war es, glaube ich – angeboten. Mein knallharter Traderinstinkt sagt mir aber, dass sich dieser Deal nicht lohnt. Die demolierte Pappfigur hat mir zu wenig Wert und ich werde auf der sitzen bleiben. Das nächste Angebot, welches mir von der angeheiterten Gruppe gemacht wird, ist einer ihrer Freunde. Ich ziehe das Angebot zwar kurz in Betracht, aber ich will mich erstens nicht dem Menschenhandel verschulden und zweitens ist der Angebotene nicht gerade der Typ Mann, der leicht über den Tresen geht. Obwohl ich hier keinen Handel abschliessen kann, werden mir noch Ballons und Bier geschenkt. Mit Betrunkenen lässt es sich handeln – purer Profit.

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Während den Verhandlungen erspähe ich bei der Nachbargruppe Menschen, die Bier mithilfe eines Trichter in sich hineinschütten. Ich weiss sofort, dass ich den haben muss. Also verabschiede ich mich kurzerhand und steuern auf die Trichtergruppe zu. Leider bekomme ich nur folgende Antwort von dieser Gruppe "Noisey ist ein Drecksblatt und mit denen möchte ich nie etwas zu tun haben." Da ich mit solchen Menschen auch nichts zu tun haben möchte, verabschiede ich mich und gehe.

Bei der nächste Gruppe muss ich mein Pokerface aufsetzen und verhandeln. Doch da das Hasch sehr beliebt zu sein scheint, ist es schlussendlich eher ein leichtes Spiel. Die Gruppe diskutiert fleissig, was man tauschen könnte. Währenddessen zeigt mir einer aus der Gruppe seine Tracks, die er gerade aufgenommen hat. Er gibt mir noch Kleber mit, falls ich Newcomer für Artikel suche. Während des Anhörens wird ihr Angebot fertiggestellt. Schlussendlich kann ich zwei teurere Bier, einen Verband, ein Clipper und ein Set Jasskarten gegen das Billigbier, das Hasch, die Ballons und die Hygieneprodukte eintauschen. Gerade als ich den Tausch abschliessen will, meldet sich ein Typ aus der Gruppe mit einem waghalsigen Angebot: Wenn mein Freund ein Bier schneller ext als er, bekomme ich sein ganzes Zelt mitsamt Inhalt. Falls er gewinnt, bekomme er unseren Einsatz.

Zwei "bessere" Bier, ein Clipper, ein Verband, die Ballons und ein Set Jasskarten.

Risikofreudig wie ich bin, setze ich alles auf eine Karte. Leider verliert mein Freund knapp. Heisst: Wir haben unseren gesamten Einsatz verloren und so ist die Tauschaktion schon zu Ende. Also, ich denke, nächstes Jahr nehme ich nur eine Zahnbürste an ein Festival mit, entweder gewinne ich dann ein Zelt oder ich schlafe bei einem Freund – mit vorbildlicher Mundhygiene.

Links im Bild das Zelt, welches als Wetteinsatz gedient hatte. Unten links in der Russenhocke, der Gewinner.


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