Neben Redakteurin und Moderatorin (zwei Aufgabengebiete, die bei 90 Prozent der Mitarbeiter Hand in Hand gehen) ist Riem außerdem die offizielle „Station Voice"—also die Stimme hinter jedem englischsprachigen FM4-Jingle mit dem Motto „You're at home, baby."Wie ist sie zu dieser Rolle gekommen? „Ich war der einzige Native Speaker. Und ich habe die Stimme eines Engels", scherzt sie. Aufgrund ihrer Herkunftsgeschichte ist Riem Higazi aber nicht nur die perfekte Stimme, sondern auch das ideale Aushängeschild des Senders. Sie hat österreichische, amerikanische und ägyptische Wurzeln, ist einerseits römisch-katholisch, andererseits muslimisch aufgewachsen und sagt von sich selbst: „Ich verstehe einerseits die Bewahrer der Traditionen, der Trachten, der ‚Großer Söhne' in der Bundeshymne—aber andererseits eben auch den Anspruch, inklusiv und multikulturell und offen zu sein."Neben ihrem Pluralismus bringt sie aber auch den Pragmatismus mit, der ihre österreichische Seite verrät: „Ich habe nicht darum gebeten, dass das ägyptische Spermium und das österreichische Ei zusammengefunden haben." FM4 ist für sie „ein Forum zum Austausch. Und es ist nicht mein Forum, sondern das von jedem und jeder."Christian Pausch, seit 7 Jahren eines der jungen Gesichter des Senders, spricht von einer unsichtbaren Blattlinie, die sich in der Besprechung einzelner Beiträge herauskristallisiert: „Es geht nichts raus, ohne dass es sich jemand zweites anschaut. Alleine schon, wenn zwei von uns miteinander reden, bekommt es eine Linie, die zu FM4 passt."Riem Higazi ist seit Beginn die 'Station Voice' des Senders. „Ich war der einzige Native Speaker. Und ich habe die Stimme eines Engels."
Auf jeden Fall aber herrscht ein klares Bewusstsein für die Vorteile, die der öffentlich-rechtliche Rahmen dem Sender gibt. „Für mich ist es keine Frage, dass unser Angebot nur im öffentlich-rechtlichen Rahmen passieren kann", sagt Eigensperger. „Im kommerziellen Bereich ist es immer billiger, weniger Content zu produzieren. Am günstigsten ist überspitzt gesagt gar kein Content, wenn es nicht sein muss."„Im kommerziellen Bereich ist es immer billiger, weniger Content zu produzieren. Am günstigsten ist überspitzt gesagt gar kein Content, wenn es nicht sein muss." sagt Monika Eigensperger.
Aber der öffentlich-rechtliche Auftrag befreit auch auf der Website vom Quotendruck. „Wir hüten uns davor, Content zu streichen, nur weil er vielleicht wenig Response bekommt", sagt Zachbauer. Wenn etwas keine Facebook-Likes hat, heißt das nicht, dass es niemanden interessiert." Unklar bleibt allerdings, welche anderen Indikatoren für den Erfolg einer Story herangezogen werden. Klassische Auswertungsprogramme oder Echtzeit-Analyse kommen jedenfalls nicht zum Einsatz: „Es gibt bei uns kein Monitoring-Tool, das uns sagt, was genau die Leute interessiert", sagt Zachbauer. Man würde aber trotzdem wahrnehmen, was ankommt.Eine gewisse Netz-Randomness hat sich FM4 aus dem Anfangs-Blog-Zeiten bewahrt. „Unsere Website ist sehr unformatiert, selbst für Online-Verhältnisse. FM4 steht auch dafür, dass es nicht immer alles wahrnimmt und manche Dinge bewusst auslässt." Die Lückenhaftigkeit ist aber kein Bug, sondern ein Feature, wie Zachbauer erklärt, und hat bei FM4 durchaus System: „Würde man eine Seite am Reißbrett entwerfen, würde man auf die aktuelle Themenmischung wahrscheinlich nie kommen. Dass wir mit Martin Blumenau inzwischen zum Beispiel eine anerkannte Expertise zum Thema Fußball haben, konnte keiner planen."Wie beim Sender insgesamt wächst also auch der Online-Inhalt eher organisch. Gleichzeitig macht der Mut zur Auslassung den Zugang für Einsteiger schwieriger. „Für manche macht es das auch schwierig, sich bei uns zurecht zu finden, weil man nicht immer genau weiß, was einen erwartet", gibt Zachbauer zu. „Aber wenn man sich mal eingelesen hat und man die Namen kennt—die bei uns sehr wichtig sind—, dann ist das auch ein großer Gewinn."FM4 hat sich eine gewisse Netz-Randomness aus seinen Anfangszeiten bewahrt— die Lückenhaftigkeit ist aber kein Bug, sondern ein Feature.
Auch Monika Eigensperger gesteht ein, dass die breitenwirksamen Sender-Stars heute schwieriger zu etablieren sind. „Innerhalb der Community kennt man auch unsere heutigen jüngeren Themenredakteure. Außerhalb der Community ist es schon schwieriger." Das sei allerdings nicht nur eine Frage des Ausspielungskanals, so Eigensperger weiter: „On-Air-Persönlichkeiten fallen nicht vom Himmel, die müssen sich entwickeln. Das war früher schon genauso. Aber es ist auch nicht unsere Aufgabe, nur Stars zu produzieren oder abzubilden—weder in der Musik noch bei unseren Moderatoren."Um überhaupt eine Chance zu haben, aus dem Pool der zahllosen FM4-Stimmen herauszustechen, die wiederum gleichberechtigt neben zahllosen anderen Stimmen im sozialen Netz stehen, scheinen vor allem zwei Dinge wichtig zu sein: Eine klare, durchaus auch unbequeme Haltung und, wie Markus Zachbauer sagt, „der Rückkanal über das Forum. So sehen wir besser, wer uns hört."Der Aufbau von neuen Hausnamen ist nicht nur eine Frage des Ausspielungskanals—On-Air-Persönlichkeiten fallen nicht einfach vom Himmel.
Trotzdem ist FM4 im Social Web nicht unerfolgreich. Im Radioszene.de-Ranking aller deutschsprachigen Radiostationen nach Facebook-Fans und Twitter-Followern belegt FM4 Platz 14. (Überhaupt ist Österreich dem Like-Verhalten der Fans nach zu urteilen die stärkste deutschsprachige Radionation, mit Kronehit auf dem gesamtdeutschen Platz 1 und Hitradio Ö3 auf Platz 3.)Der Erfolg von FM4 als Brand auf anderen Plattformen verlangt auch nach einer Verjüngung der eigenen. „Online wünschen wir uns schon eine Auffrischung unserer Seite, das wäre dringend notwendig", sagt Monika Eigensperger und denkt kurz nach. „Das werde ich auch zu einem Jahresziel von FM4 erklären. Das hat aber wohlgemerkt nichts mit der Leistung meiner Internetredaktion zu tun, die sehr gut ist."Eine kleine Netzzeitreise mit der Wayback Machine zeigt, dass die Website von FM4 schon 2001 sehr ähnlich wie heute ausgesehen hat (inklusive derselben Farbkomposition aus Goldgelb und Grau). „FM4 verändert sich relativ schleichend", sagt der stellvertretende Internetleiter Zachbauer. „Es gibt keine klare Zäsur, aber doch viele Veränderungen."Die alte Frage, ob es eigentlich Junge braucht, um Programm für Junge zu machen, beantworten beide Altersgruppen mit einer Absage an den reinen Biologismus. „Niemand, den ich kenne, denkt so jung über Musik, wie Fritz Ostermayer, der gleichzeitig einer von dem ältesten FM4-Mitarbeitern ist", so Christian Pausch. Markus Keuschnigg meint: „Kinderfernsehen wird auch nicht von Kindern gemacht."„Online wünschen wir uns schon eine Auffrischung unserer Seite, das wäre dringend notwendig", so Monika Eigensperger.
Eine große Veränderung, die in diesem Bereich 2015 bevorsteht und nicht unbedingt für Begeisterung sorgt, ist der neue ORF-Kollektivvertrag, der am 1. Dezember 2014 vom Zentralbetriebsrat (mit einer Gegenstimme aus dem Radio) beschlossen wurde und der ein niedrigeres Gehaltsschema als bisher aufweist. Dass das nicht allen gefällt, ist klar.Aber auch das Abarbeiten an Intransparenzen und internen Streitpunkten gehört zum natürlich gewachsenen FM4 wie selbstverständlich dazu. In diesem Punkt haben Redaktionen tatsächlich einiges mit uns biologischen Wesen gemeinsam: Während man als Junger unter Wachstumsschmerzen leiden, müssen Erwachsene hauptsächlich Rechnungen zahlen und mit Diplomatie auf Probleme reagieren.Die Entwicklung von FM4 ist tatsächlich wie die eines lebenden Organismus: Als Junger leidet man unter Wachstumsschmerzen, als Erwachsener muss man vor allem Rechnungen bezahlen und mit Diplomatie auf Probleme reagieren.
FM4 ist heute gewissermaßen angekommen—in einer Community, die es vor dem Sender in Österreich so gar nicht gab.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von FM4