Auf ein Bier mit AR-Profis: Zu Besuch auf der Londoner Pokémon Go-Party
Alex Hegazy spielt schon seit Langem Ingress. Bild: Megan Devlin

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Auf ein Bier mit AR-Profis: Zu Besuch auf der Londoner Pokémon Go-Party

Bei dieser „Lure Party“ in London waren auch überraschend viele Augmented-Reality-Gamer der ersten Stunde dabei.

Pokémon Go unterscheidet sich von anderen Games vor allem durch die Tatsache, dass Spieler runter von der Couch auf die Straße müssen, um erfolgreich auf Monsterjagd zu gehen. Viele wissen aber nicht um den seit Jahren bekannten Vorgänger des Spiels, Ingress. Und auch dieses Augmented-Reality-Spiel profitiert nun vom Erfolg des Neulings, denn seit dem Start von Pokémon stoßen täglich neue Mitglieder zur Ingress-Community dazu.

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Ein paar Tage nach der Veröffentlichung von Pokémon Go in England hat Louise Brooks-Lowe Fans im Rahmen einer sogenannten „Lure Party" bei der Suche nach den 27 rund um die Londoner O2-Arena verteilten Pokéstops geholfen. Bei den von Brooks-Lowe mitorganisierten „Lure Parties" kaufen Pokémon Go-Spieler In-Game-Artikel, um die virtuellen Tierchen an verschiedene reale Orte zu locken, wo sich die Pokéstops befinden.

Für Brooks-Lowe sind weder AR-Games noch Treffen der Spiele-Fans in der realen Welt etwas Neues. Sie spielt bereits seit über einem Jahr das Karten-basierte Augmented-Reality-Spiel Ingress.

Louise Brooks-Lowe hilft Sophia Lum, einem Pokémon-Fan dabei, lalle Pokéstops um die Londoner O2-Arena zu finden. Bild: Megan Devlin

Mit Ingress hat Niantic 2013 seinen ersten Ausflug in die Welt der Augmented Reality-Games gewagt. Es ist ein Sci-Fi-Abenteuerspiel, das auf der gleichen Karten-Infrastruktur aufbaut wie Pokémon Go; und tatsächlich basieren die Pokéstops auf Informationen, die von Ingress-Spielern vorgeschlagen wurden. Pokémon-Spieler erhalten bei den Pokéstops Süßigkeiten und Pokébälle, bei Ingress heißen die Stops hingegen Portale. Spieler zweier miteinander konkurrierender Teams—Team Erleuchtung und Team Widerstand— kämpfen um die Kontrolle dieser Portale, um sie mit anderen Portalen weltweit zu vernetzen.

Was machen also Ingress-Spieler auf einer Pokémon-Veranstaltung und was halten sie davon, dass das neue Spiel weltweit so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht?

Die 17-jährige Jade Knight kam als Folipurba verkleidet. Bild: Megan Devlin

Brooks-Lowes Partnerin Stazey Hokes ist schon seit 20 Jahren großer Pokémon-Fan. Eigentlich hat das Paar auch deswegen vor einem Jahr mit Ingress angefangen—nachdem Hokes gehört hatte, dass auch Pokémon Go entwickelt werden würde. Für sie war Ingress also eine Art Vorbereitung.

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„Wir haben wegen Pokémon Go mit Ingress angefangen", sagte Brooks-Lowe. „Wir wollten von Grund auf lernen, wie das Spiel funktioniert, um dann besser verstehen zu können, wie Pokémon Go funktioniert. So würden wir vielen anderen Spielern voraus sein."

Hokes hoffte im Stillen, dass sie dafür ausgewählt werden könnte, die Beta-Versionen von Pokémon Go zu testen, wenn sie bei Ingress mindestens bis Level 8 kommen würde.

„Ich hab' ursprünglich damit angefangen, weil ich total verrückt nach Pokémon war", erklärte sie.
„Doch ich muss zugeben, dass mich Ingress richtig erwischt hat."

Wie Leuten auf der Lure-Party erzählten, fangen viele Spieler, die vom Pokémon Go-Hype erfasst wurden, auch mit Ingress an, da sie neugierig auf ein anderes Augmented-Reality-Game sind. Seit der Veröffentlichung von Pokémon Go habe es wohl auch für Niantics erstes AR-Spiel deutlich mehr Anmeldungen gegeben, so Hokes.

„Es zieht die Leute auf jeden Fall an und es werden sehr viele neue Rekruten bei Ingress angemeldet", stimmte Lina Falconer, eine weitere Ingress-Spielerin, zu.

Alex Hegazy (links) und Lina Falconer (rechts) spielen beide bereites seit Langem Ingress. Bild: Megan Devlin

Obwohl Niantic bisher noch keine offiziellen Zahlen bekannt gegeben hat, berichtet Quartz, dass das Vorhersagemodell des App-Analyse Unternehmens Sensor Towers für den App Store ein Wachstum der Ingress-Downloads von 2.000-3.000 pro Tag auf 16.000 pro Tag am 6. Juni—also am Tag der ersten Veröffentlichung von Pokémon Go—angezeigt hat.

Falconer kann nachvollziehen, dass die „Lure Parties" ein so reges Interesse ausgelöst haben. Sie ist das von Ingress-Treffen gewöhnt, die auch „Anomalien" genannt werden und auf denen häufig tausende Teilnehmer anzutreffen sind.

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Man trifft [bei den Anomalien] die unterschiedlichsten Leute", sagte Falconer. „Das ist ganz normal, nichts ungewöhnliches."

Brooks-Lowe bei der Lure-Party. Bild: Megan Devlin

Brooks-Lowe findet es komisch, dass Pokémon Go-Spieler, die mit ihren Smartphones in der Stadt unterwegs sind, so viel Aufmerksamkeit erregen—immerhin täten die Ingress-Spieler ja bereits seit Jahren das gleiche.

„[Ingress-Spieler] haben das Gefühl, dass sie dreieinhalb Jahre lang ohne Drama und ohne großer Aufmerksamkeit seitens der Medien dieses Spiel gespielt haben", erklärte Brooks-Lowe.

„Eingefleischte Ingress-Spieler ärgern sich außerdem über die Negativ-Schlagzeilen, die Pokémon Go den AR-Spielen im Allgemeinen bringt", und meint damit z.B. die Fälle, in denen passionierte Pokémon-Spieler von Berghängen stürzen oder nicht mal in KZ-Gedenkstätten kurz von der Monstejagd ablassen können.

Alex Hegazy, ein Ingress-Spieler, der auch zu der Lure Party gekommen ist, sagte, dass ihn die Unwissenheit vieler Leute über Ingress nerve.

„Es nervt mich, weil ich viele Artikel über Pokémon Go lese und direkt merke, dass die Journalisten nicht richtig recherchiert haben", erklärte er. „Sie glauben, das alles sei total neu und das erste Mal, dass diese Technologie für ein Spiel genutzt wird. Dabei wird sie schon seit Jahren bei Ingress genutzt."

Die Lure-Party. Bild: Megan Devlin

Hokes sagte, ein Feature, das Pokémon Go jedoch fehle, sei der Echtzeit-Chat, der es Ingress-Spielern ermöglicht, mit anderen Spielern zu kommunizieren. Sie vermutet jedoch, dass Niantic es bewusst weggelassen hat, um Kinder vor Menschen mit niederen Absichten zu schützen.

Tatsächlich hatten mehrere Pokémon-Fans, die zur Lure Party kamen, zuvor noch nie von Ingress gehört, doch der Reiz, anderen gleichgesinnte Spieler zu treffen, hat sie dennoch angezogen.

„[Ich bin nur gekommen], um Pokémon zu fangen und neue Leute kennen zu lernen, die auch Pokémon spielen", sagte die 17-jährige Jade Knight. „Es ist alles wie eine riesengroße Gemeinschaft. Ich habe heute schon eine Menge neuer Leute kennen gelernt."

Angesichts der gemeinsamen Karten in den Spielen gibt es sowohl für Ingress- als auch für Pokémon Go-Spieler gute Gründe, an die gleichen Orte zu gehen. „Das Tolle daran ist also, dass man eigentlich beide Spiele gleichzeitig spielen kann", sagte Hokes.