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Heulsuse der Woche

Heulsuse der Woche: Geisterbahn-Schläger vs. Wut-AfDler mit freiem Kinoeintritt

Ein Vater verprügelt wegen seiner erschreckten Tochter einen Geisterbahn-Mitarbeiter und die AfD ist sauer, weil sie für 'Schindlers Liste' keinen Eintritt im Kino zahlen muss.
Im Kino läuft Schindlers Liste und in der Geisterbahn ein Blockflötensolo
Symbolbild Kino: freepik || Schindlers Liste: United Archives | imago || Geisterbahn: McPHOTO | imago || Bearbeitung: VICE

Zum Jahresbeginn müssen wir uns über Menschen wundern, die sich zu Weihnachten lieber ein Anti-Aggressions-Coaching hätten wünschen sollen.

Heulsuse #1: Geisterbahn-Schläger

Der Vorfall: Ein achtjähriges Mädchen besucht nach den Weihnachtsfeiertagen auf der Kirmes in Herne eine Geisterbahn. Statt gruseliger Puppen erschrecken dort Mitarbeiter in Kostümen die Fahrgäste. Ein als Geist verkleideter Mann riss dem Mädchen während der Fahrt die Mütze vom Kopf und machte ihr damit so viel Angst, dass sie ihrem Vater zu Hause weinend von diesem unheimlichen Erlebnis erzählte.

Die angemessene Reaktion: Das Kind beruhigen und ihm erklären, dass der Geist nicht echt war und sie nicht nachts heimsuchen wird. Sich außerdem eingestehen, dass Geisterbahnen nunmal darauf ausgelegt sind, Menschen zu erschrecken und man die Tochter bei der nächsten Gruselfahrt lieber begleiten oder ihr stattdessen eine große Portion Zuckerwatte kaufen sollte – und ein paar Marken fürs Riesenrad.

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Die tatsächliche Reaktion: Der wütende Vater zeigte sich laut Polizei "nicht besonders amüsiert über die Geschehnisse" und stapfte mit einem Verwandten auf die Kirmes. Dort wollte er den "lebendigen Geist" zur Rede stellen. Der Streit eskalierte und der Vater prügelte sich mit dem Mitarbeiter der Geisterbahn. Der Geist, ein 25-jähriger Hannoveraner, wurde dabei so verletzt, dass er in einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Dieser Vater verdient sicher nicht den Preis als bestbeschützender Papa des Jahres. Aber offenbar hat er andere Menschen inspiriert. Ein paar Tage später, am Neujahrsmorgen, kam es zwischen Schaustellern auf der Kirmes erneut zum Faustkampf, bei der sie sich erst untereinander schlugen und dann die Polizei, die dazugestoßen war.


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Heulsuse #2: AfD-Wut über freien Kinoeintritt

Der Vorfall: Das Kino "Cinexx" im rheinland-pfälzischen Hachenburg zeigt zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts Ende Januar den Film Schindlers Liste. Der Eintritt kostet eigentlich sieben Euro. Doch Mitglieder der AfD – und nur die – erhalten laut Kino freien Eintritt für diese Vorstellung und werden nach dem Film auch noch zum Gespräch eingeladen.

Die angemessene Reaktion: Einen Bus mieten und einen Partei-Ausflug in den staatlich anerkannten Erholungsort im Westerwald machen. Dort dann eine Bildungslücke im Fach Geschichte schließen und sich freuen, umsonst ins Kino zu dürfen und genug Kleingeld für die große Portion Nachos übrig zu haben.

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Die tatsächliche Reaktion: Jede Menge Wut! Statt die Einladung des Kinos als freundliche Geste des Entgegenkommens zu betrachten, bezeichnet der Kreisverband der AfD Paderborn die Aktion auf seiner Facebook-Seite als "ein Beispiel für die Diskriminierung und Verleumdung Andersdenkender". Die rechte Community stimmt mit ein. Mittlerweile gibt es laut SWR so viele Droh-Nachrichten gegen das Kino, dass die Polizei bereits aktiv wurde: Auch ein Video gegen das Kino soll aufgetaucht sein, in dem von Sprengsätzen die Rede sei. Der Urheber wird derzeit ermittelt.

Es verwundert nicht, dass die AfD einen Film über die Rettung von Juden während des Zweiten Weltkriegs ablehnt, wenn der Parteivorsitzende Gauland die NS-Diktatur öffentlich als "Vogelschiss" in der tausendjährigen deutschen Geschichte betitelte. Die Partei ist ohnehin Meisterin darin, die Verbrechen der Nazis immer wieder zu verharmlosen. Genau deshalb wollte das "Cinexx" nicht nur Schulklassen in den Kino-Lernort einladen, sondern auch Politiker und Politikerinnen der AfD. Das Parteiprogramm ließe stark auf eine "Verharmlosung der damaligen Ereignisse" schließen und das Kino wolle sich "als Ort des Gesprächs" anbieten, heißt es in einer Stellungnahme der Betreiberin.

Sich durch eine Einladung ausgeschlossen zu fühlen ist schon ziemlich heulsusig.

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