Drogen

Vier Menschen erzählen, wie Drogen sie auf die Intensivstation gebracht haben

"Ich erinnere mich nur noch, wie ich mich im Badezimmerspiegel anschaute und merkte, dass ich total drauf ich bin. Danach hatte ich einen Blackout."
Kokain Lines auf einer DVD-Hülle und ein Mensch auf der Intensivstation
Linkes Foto: VICE | Rechtes Foto: Bernd Thissen/DPA/PA Images

Einmal in meinem Leben musste ich in die Notaufnahme. Ich war 17 und bin besoffen und bekifft in einen Busch gesprungen. Dabei habe ich mir ein Loch in meine Schulter gebohrt. Ein paar Freunde, die das alles total witzig fanden, brachten mich ins Krankenhaus. Bis heute prangt an meiner rechten Schulter eine Narbe, die an eine Nacktschnecke erinnert.

Mein Krankenhausbesuch war unspektakulär: Die Verletzung war harmlos und ich musste mir keine großen Sorgen darüber machen, was Pfleger, Ärztinnen und meine Familie von mir denken. Bei Drogen sieht das anders aus. Menschen, die wegen Drogenkonsums im Krankenhaus landen, schweben oft in Lebensgefahr. Obendrein verhält sich das Pflegepersonal diesen Menschen gegenüber nicht immer neutral. Schließlich sei man selber schuld. Deswegen habe ich Menschen gefragt, die aufgrund ihres Drogenkonsums in die Notaufnahme mussten, wie es dazu kam und was sie erlebt haben.

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Clive, 26

Ich hatte mir im Darknet 2C-B zu einem Kumpel nach Hause bestellt. Als das Päckchen bei ihm ankam, ging ich zu ihm und kaufte auf dem Weg noch Ketamin. Bei meinem Kumpel angekommen bot mir jemand Flubromazepam an. Das ist ein Benzodiazepin – und auf Benzos habe ich immer den dümmsten Scheiß gemacht. Ich nahm es trotzdem. Als ich mein Päckchen aufmachte, war darin auch eine Probe 4-FA, ein Designer-Amphetamin. Ich machte ein paar Lines mit 2C-B und Keta und reichte sie rum. Das 4-FA nahm ich auch noch.

Ich hatte offensichtlich einiges intus, aber ich trippte nicht. Enttäuscht legte ich mir noch eine riesige Line 2C-B. Es dürften locker zwischen 0,3 und 0,4 Gramm gewesen sein. Eigentlich ist ein Zehntel davon, als 0,03 Gramm, schon sehr viel. Es war die schlimmste Entscheidung meines Lebens. Ich erinnere mich nur noch, wie ich mich im Badezimmerspiegel anschaute und merkte, dass ich total drauf ich bin. Danach hatte ich einen Blackout. Mir wurde später gesagt, dass ich gewalttätig geworden sei und das ganze Haus auseinandergenommen hätte. Ich konnte nicht mehr kommunizieren. Aus meinem Mund kam nur noch wirres Zeug.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Krankenhausbett. Ich hatte zehn Tage im Koma gelegen. Meine Leber und meine Nieren hatten aufgehört zu arbeiten. Ich stand total neben mir und erkannte noch nicht mal meine Mutter. Nach ein paar Tagen wurde ich in ein anderes Krankenhaus verlegt, wo ich noch ein paar Wochen blieb. Zum Glück erholte sich meine Leber wieder und ich wurde entlassen. Trotzdem musste ich noch regelmäßig zur Dialyse. Wie durch ein Wunder heilten schließlich auch meine Nieren.

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Einen Monat nach meiner Entlassung kehrte ich wieder zu meinem alten Job als Koch zurück. Aufgrund des leichten Hirnschadens, den ich davongetragen habe, habe ich aber immer wieder Bestellungen und Quittungen vergessen. Der Stress bei der Arbeit machte mir große Probleme. Aber ich habe vor Kurzem ein paar neurologische Tests gemacht und es wird besser. Meine ganze Familie und ich waren überwältigt, wie hart die Pflegerinnen für meine Genesung gearbeitet haben. Sie waren so lieb. Als ich ein paar Monate später zu einer Kontrolluntersuchung wieder im Krankenhaus war, fühlte es sich an, als würde ich meine Familie wiedersehen.

Phoebe, 23

Es war 2010, ich war 14 und bei uns zu Hause ging alles in die Brüche. Meine Eltern waren gerade dabei, sich zu trennen. Ich schloss mich ein paar Emos und Außenseiterinnen an, die nach der Schule abhingen und Mephedron nahmen. Ich kaufte mir etwas NRG1, damals ein "Legal High", von einem Typen namens Emo Rob, der bei uns im Stadtpark dealte. Mein Herz begann davon wie verrückt zu rasen, also rief ich meine Mutter an. Die fuhr mich zur Notaufnahme, wo ich einen epileptischen Anfall bekam und bewusstlos wurde. Ich wachte in einem Krankenhausbett auf, meine Arme voll mit diesen weißen Klebedingern. Meine Mutter war neben mir und am Fußende des Bettes stand ein Psychiater. Er sagte, ich sei depressiv, und verschrieb mir ein Antidepressivum.

Sie behielten mich noch zwei Wochen im Krankenhaus. Manchmal frage ich mich, ob sie das gemacht haben, damit ich eine Pause von zu Hause bekomme. Die Schwestern waren supernett und ließen mich sogar Zigaretten rauchen, als es mir wieder besser ging. Ich habe es dort wirklich genossen. Es war viel besser als zu Hause. Damals wäre ich am liebsten für immer in diesem Krankenhausbett geblieben.

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Ein Heroinnutzer in Nordsumatra, Indonesien | Foto: Xinhua/SIPA USA/PA Images

Ben, 27

Zu der Zeit pennte ich in einem alten Eisenbahnwaggon in London. Ich hatte mir drei Tütchen Heroin besorgt. Normalerweise hätte das für einen Tag gereicht, aber aus irgendeinem Grund rauchte ich sie nacheinander weg. Nach zehn Minuten war alles leer. Normalerweise wird man richtig high, wenn man Heroin raucht. Man fühlt sich euphorisch, etwas später beginnt man wegzunicken. Ich nickte fast sofort weg. Es war nicht unangenehm, aber ich dachte mir noch: "Reiß dich zusammen, bleib wach."

Ich wachte kurz auf, als ich merkte, wie ich von Sanitätern bewegt wurde. Als ich im Krankenhaus wieder zu mir kam, wollte ich einfach nur weg. Ich stand auf und ging los. Als ich am Ende des Gangs ankam, standen da verdammte Sicherheitstypen. Sie packten mich und brachten mich zurück in mein Bett, während ich rumschrie und mich generell wie ein Arschloch aufführte. Ich wollte zurück in meinen Waggon.

Ich war damals extrem depressiv und ein Teil von mir wollte einfach nur sterben. Meine Eltern hatten sich getrennt, als ich 13 war. An Heiligabend. Mein Vater hatte herausgefunden, dass meine Mutter eine Affäre mit einem seiner Freunde hatte. Seitdem hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen. Als ich stark sediert auf Methadon im Krankenhausbett vor mich hindämmerte, sah ich, wie sich mein Vater und meine Mutter am Fußende umarmten. Ich glaube, meine Eltern verstanden, wie dreckig es mir ging. Heute bin ich clean. Auch wenn es eine schreckliche Erfahrung war, war sie sehr wichtig für mich. Ich habe Leuten damals gesagt, dass die Überdosis Absicht war. Seitdem habe ich viel darüber nachgedacht und muss sagen: Ich bin mir da gar nicht mehr so sicher.

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Emma, 28

Drei Jahre lang habe ich sehr viel Ketamin genommen – täglich mehrere Gramm. Irgendwann kam ich mit schlimmen Krämpfen ins Krankenhaus. Das waren stechende Schmerzen im Oberbauch, sogenannte Keta-Krämpfe. Die kommen wohl davon, dass die Gallenwege vom Keta-Konsum geschädigt werden.

Die Leute im Krankenhaus hatten überhaupt kein Mitleid mit mir. Ich war aber auch keine große Hilfe, weil ich ihnen nichts von meinem Konsum erzählte. Sie diagnostizierten einen Harnwegsinfekt und gaben mir Antibiotika. Ich hatte später noch viel schlimmere Krämpfe, aber machte mir dann gar nicht mehr die Mühe, ins Krankenhaus zu gehen. Das einzige, was ein bisschen gegen die Schmerzen hilft, ist ein heißes Bad. Ich habe Freunde, die wegen Keta-Krämpfen eine Woche lang im Krankenhaus lagen. Ketamin kann deine Blase schädigen. Am Ende pisst du Glibberblut. Ich kenne eine 16-Jährige, die eine Blasenoperation hatte. Eigentlich bin ich also noch ganz glimpflich weggekommen.

Wenn du oder deine Freunde schon einmal ambulant behandelt werden mussten, nachdem ihr Drogen genommen hattet, und du mit VICE über diese Erfahrung sprechen möchtest, erreichst du unseren Redakteur Thomas Vorreyer per E-Mail oder Twitter-DM.

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