Niemand will für Donald Trump spielen und das macht ihn fertig

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Niemand will für Donald Trump spielen und das macht ihn fertig

Nur noch wenige Tage bis zu seiner Amtseinführung, aber der designierte Präsident Trump findet niemand Berühmtes, der sich auch nur 500 Meter in seine Nähe traut.

Der Augenblick war von einer so großen Bedeutung, dass selbst Beyoncé weiche Knie bekam. Als Barack Obama 2009 im perfekt sitzenden Maßanzug und weißer Fliege mit seiner Frau Michelle beim Amtseinführungsball den ersten Tanz als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika absolvierte, stand der Megastar nur wenige Meter entfernt und sang für das Paar ein herzzerreißendes Cover des Etta-James-Klassikers „At Last". Eigentlich kennt man Beyoncé vor allem für ihre bombastischen Shows, bei denen sie hemmungslos die ganze Bühne ausnutzt, doch hier, in diesem Moment war Queen Bey ein ehrfurchtsvolles Mädchen mit der Demut einer High-School-Schülerin, die unerwartet zu der Ehre gekommen war, für das Präsidentenpaar singen zu dürfen. In einem späteren Interview beschreibt sie unter Tränen ihren Auftritt für den ersten schwarzen Präsidenten der USA als „den wichtigsten Tag" ihres Lebens. Es war ein Augenblick, wie ihn sich Donald Trump heute sehnlichst herbeiwünscht. Nur wird es nie dazu kommen, denn Trump ist ein armseliger Loser.

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Seine ganze Karriere hat Donald Trump auf seinem Bekanntheitsgrat aufgebaut—einzig und allein auf seinem Bekanntheitsgrad. Immerhin hat er den Geschäftssinn einer reifen Mango, das Aussehen einer vergammelten Mango und den Charme einer Mango, die gegessen, ausgeschissen und sieben Monate in einer Mülltonne aufbewahrt wurde. Das Einzige, was er je erfolgreich gemeistert hat, ist, das Leben eines Reichen und Berühmten zu leben—und das auch nur dank jahrelanger Steuerhinterziehung und eines gigantischen Erbes. Über Jahrzehnte hinweg machte ihn nur seine Nähe zu Promis gesellschaftlich interessant und bestimmte seine öffentliche Persona—die clowneske Karikatur eines comichaft-protzigen Schnösels. Auf Instagram postete er gerne Bilder, wo er sich feist grinsend und mit aufgerichtetem Daumen neben so ziemlich jedem Promi inszenierte, der sich neben ihn traute—von Patriots-Quarterback Tom Brady (Deflategate) bis hin zu Tiger Woods (Tigergate) war eigentlich alles dabei. Er kaufte sich einen Schönheitswettbewerb, nur damit sein Name mit attraktiven Frauen assoziiert wurde. Er moderierte sogar eine Promiversion seiner Serie The Apprentice, bei der sich dann Celebrities um die Gunst von Big Donny kloppen durften—falls man Bret Michaels und Steven Baldwin denn als Promis bezeichnen möchte.

In den letzten Jahren aber hat ihm die Schickeria, die einst gegenüber dem Popkulturphänomen The Donald zumindest ein Lippenbekenntnis abgegeben hatte, nach und nach den Rücken zugekehrt. Im Zuge seines Wechsels in die Politik ist er vom Stammgast auf dem Roten Teppich zum Partyschreck mutiert. Aber warum? Klar, Ruhm ist vergänglich, aber vielleicht hat es eventuell auch etwas damit zu tun—und das ist jetzt nur ins Blaue geraten—, dass er seit Jahren mit der Bewegung rassistischer Abtreibungsgegner kokettiert; vielleicht liegt es auch an seiner Darstellung von Mexikanern als Vergewaltiger und Kriminelle; seinem Vorschlag eines landesweiten Melderegisters für Muslime; seiner Idee, Frauen für Abtreibungen zu bestrafen; daran, dass er sich über Behinderte lustig macht, oder an seiner Prahlerei mit Übergriffigkeiten und seinen ständigen Twitter-Ausrastern gegen alles und jeden, was nicht ganz seiner Meinung ist. Aber, wie gesagt, das sind alles nur vage Vermutungen.

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Als sein extrem demütigender Fall von Hollywoods Gnaden immer öffentlicher wurde—Promis zogen in Interviews über ihn her, auf Social Media oder vor jedem, der ihnen gerade zuhörte—begann Trump sich an einen neuen Freund zu klammern: den Durchschnittsamerikaner. Ganz genau, obwohl er in einem goldenen Turm über den Wolken lebt, auf dem in gigantischen Lettern sein Name prangt, interessierte er sich nicht mehr für Celebrities, sondern für den stinknormalen, KFC-mampfenden Durchschnitts-Joe. Aber weil ihn seine öffentlichen Ergüsse so unfassbar transparent machen, sah man schnell, dass er tief innendrin schwer gekränkt war.

Nachdem Beyoncé und ihr Mann Jay Z kurz vor der Wahl öffentlich ihre Unterstützung für seine Widersacherin Hillary Clinton bekundet hatten, nahm Trump das natürlich prompt zum Anlass, um bei Veranstaltungen darüber zu lästern. In Nevada bezeichnete er die prominente Unterstützung für Clinton sogar als „eine Form des Betrugs." Die Menge gab ihm wie zu erwarten mit tosendem Applaus recht und tröstete so sein zerbrechliches, kleines Ego. In North Carolina behauptete er dann, mehr Menschen bei seinen Wahlkampfveranstaltungen zu haben als Beyoncé bei ihren Konzerten. (Hat er nicht.) „Wisst ihr was? Ich brauche Beyoncé nicht und ich brauche Jay Z nicht", quengelte der Mann mit der Frustrationstoleranz eines Dreijährigen vor seinen versammelten Anhängern in Colorado. Dass er ohne zu zögern jedem einzelnen von ihnen ins Gesicht pissen würde, nur um Billy Bush ein verstohlenes Lächeln auf die Lippen zu zaubern, ignorierten sie. „Ich brauche J. Lo nicht und ich brauche Bon Jovi nicht", fuhr er fort. Aber natürlich mag er sie trotzdem: „Die sind alle nett." Nur für den Fall, dass du es vergessen hast, Trump kennt viele berühmte Menschen.

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Und—das muss man ihm lassen—er hatte recht. Er brauchte sie nicht. Er schaffte es auch so, genug Amerikaner aus den unteren Einkommensklassen einzulullen und auf dem Rücken ihrer Naivität schnurstracks ins Weiße Hause zu reiten. Seinen Prominentenstatus tauschte er erfolgreich gegen sein „Movement", seine Bewegung. So bezeichnet er nämlich seine loyale Armee aus rotmützigen Einfallspinseln, die er unter dem Banner blinder Wut und tiefsitzender Vorurteile vor sich vereinte. Vielleicht hatte er ja gehofft, dass 60 Millionen Niemande einem Jemand entsprechen.

Jetzt hat Donald Trump allerdings ein Problem: Er braucht Celebrities. Und zwar dringend.

Historisch betrachtet ist die Amtseinführungsfeier immer eine Gelegenheit für den angehenden US-Präsidenten gewesen, neben Premiumpromis aufzutreten, die im Gegenzug wiederum die Ehre haben, dem Anführer der freien Welt ein Ständchen singen zu dürfen. Frank Sinatra veranstalte 1961 einen legendären Ball für John F. Kennedy. Michael Jackson, Elton John und Barbara Streisand legten sich 1993 für Bill Clinton mit einer Performance von Fleetwood Mac ins Zeug. Selbst Ricky Martin, Jessica Simpson und Destiny's Child spielten 2001 für George W. Bush, was Beyoncé damals zum Anlass nahm, die Menge mit den Worten „I wanna hear you say Bush!" anzuheizen. [FYI: Im Englischen ist Bush eine gängige Bezeichnung für Schambehaarung.] Aber in Trumps wichtigster Stunde, wenn er sie am meisten braucht, sind seine alten Promifreunde weit und breit nicht zu sehen.

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Es sind nur noch wenige Tage bis zu seiner Amtseinführung und er und sein Team brechen sich gerade regelrecht einen dabei ab, jemanden—egal wen—dazu zu bringen, bei dieser Veranstaltung aufzutreten und damit implizit ihre Unterstützung zu demonstrieren. Als Trumps Chefberaterin Kellyanne Conway in der Sendung Fox & Friends gefragt wurde, ob es stimmt, dass sie versucht, Megastars wie Justin Timberlake und Bruno Mars zu bekommen, zwinkerte sie nur in die Kamera und sagte: „Die können mich anrufen!" Taten sie aber nicht. Überhaupt, so scheint es, blieb das Telefon im Trump-Hauptquartier ziemlich still. Andersherum erteilten diverse Künstler einem Auftreten bei der Veranstaltung eine Absage. Elton John, Garth Brooks, The Chainsmokers, John Legend, Andrea Bocelli, Adam Lambert, Moby und weitere lehnten vehement ab. Einzelne Mitglieder der bereits bestätigten Tanzgruppe Rockettes zeigten sich höchst unzufrieden darüber, dort auftreten zu müssen.

Selbst tote Promis distanzieren sich posthum von Trump. So verkündete Nancy Sinatra über Twitter, dass ihr Vater, würde er heute noch leben, niemals dort auftreten und Trumps Scheinheiligkeit unterstützen würde.

Der Manager der Dixie Chicks fasste es wohl am besten zusammen, als man ihn auf einen möglichen Auftritt ansprach: „Falls das jemand tun sollte, hoffe ich, dass sich die Gage im neunstelligen Bereich bewegt. Das wird nämlich wahrscheinlich die letzte Gage sein, die er oder sie bekommt … Niemand kann normalisieren, was in diesem Land gerade passiert."

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Das Trump-Lager ist anscheinend sogar so verzweifelt, dass es Künstlermanagern Botschafterposten gegen eine erfolgreiche Vermittlung von Musikern anbot. Aber selbst mit diesem unmoralischen Angebot: keine Chance. Kein Backstreet Boy, Hanson-Bruder oder New Kid on the Block war verzweifelt genug, sich darauf einzulassen. Also stürzte sich sein Team Hals über Kopf in die Promi-Restetonne und die einzige Künstlerin, die sie für diese hochkarätige Veranstaltung an Land ziehen konnten, war Jackie Evancho: eine 16-jährige, ehemalige America's Got Talent-Teilnehmerin, die ähnlich wie Trump auch nicht die Mehrzahl der Stimmen für sich gewinnen konnte. Trump behauptete natürlich prompt, dass die Ankündigung über ihren Auftritt die Verkaufszahlen ihres Albums in die Höhe schießen ließ. (Stimmt nicht.) Außerdem für die Great America Alliance Inaugural Gala (heißt wirklich so!) gebucht sind Cowboy Troy [File Not Found] und das Bro-Country-Duo Big & Rich, dessen Auswahl ziemlich absehbar war, da allein der Name Trump ein angenehmes Kitzeln in seiner schrumpeligen Hodengegend verursachen dürfte. Hochkarätige Programmfüller liefern diverse Militärorchester, High School Marching Bands und weitere Americana-Repräsentanten. So will man wohl die Illusion aufrechterhalten, dass Trump bodenständig genug ist, um jemals eine öffentliche Toilette benutzt zu haben.

Trump legte dann bei seiner Mann-des-gemeinen-Volkes-Lüge, die er sich heutzutage selbst erzählt, prompt per Twitter noch einen drauf: „Die sogenannten ‚A'-List-Celebrties wollen alle Karten für die Amtseinführung, aber seht nur, was sie für Hillary getan haben, NICHTS. Ich will BÜRGER!" Hoffentlich fühlen sich diese BÜRGER auch von MITTELMÄSSIGKEIT unterhalten. Es ist das jämmerliche Gewinsel einer gebrochenen Seele—eines kleinen Jungen, bei dem niemand zur Geburtstagsparty gekommen ist und der dann verletzt-trotzig verkündet, dass sowieso niemand eingeladen war.

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Noch demütigender dürfte für Trump sein, dass Barack Obama letzten Freitag eine kleine Abschiedsparty im Weißen Haus feierte. Zu den anwesenden Gästen dieser gediegenen Last-Minute-Sause gehörten u. a. Paul McCartney, Bruce Springsteen, Solange, Chris Rock, George Clooney, Usher, Robert De Niro, Stevie Wonder, Meryl Streep, Tom Hanks, Jerry Seinfeld, Chance the Rapper und George Lucas. Es war ein epischer Abschied für Obama, eine Erinnerung daran, dass er ein beliebter und wahrhafter Star ist—und Trump hingegen der verkörperte Karriereselbstmord.

Wenige Tage später dann wurde Meryl Streep von einem ganzen Saal voll mit den berühmtesten Menschen dieser Welt für ihren Ruf nach Frieden und Anstand mit Applaus überhäuft—und, wie zu erwarten, von dem unfassbar dünnhäutigen Trump mit wütenden Tweets angefeindet.

Bei genauer Betrachtung verbirgt sich in der Trump-Saga eine wunderschöne, Shakespear'eske Tragik. Trump ist ein Mann, der sein ganzes Leben damit verbracht hat, um jeden Preis berühmt zu sein. Schließlich kletterte er die Gesellschaftsleiter so weit nach oben, dass er die Spitze erreichte. Oben auf dem Gipfel angekommen musste er aber feststellen, dass niemand da war, um seinen Erfolg mit ihm zu feiern. Das ist die Ironie eines Citizen Kane—oder zumindest der Real Housewives of New Jersey. Um den einzig kohärenten Ausdruck zu zitieren, den Trump im ganzen letzten Jahr von sich gegeben hat: traurig!

Ganz unabhängig davon, wer letztendlich auftaucht, am 20. Januar wird Präsident Trump den ersten Tanz mit seiner Frau Melania tanzen. Beide werden zum schmierigen Gesang eines viertklassigen Acts dahinschwofen, mit dem er sich in seiner Hochphase nicht im gleichen Raum hätte blicken lassen. Sein Smoking wird um die Hüfte herum zu weit und unter der Taille zu lang sein. Und er wird seinen Körper schlaff und unbeholfen gegen seine Frau wippen.

Dieser Tag wird der offizielle Startschuss für einen langwierigen und tagtäglichen Kampf sein—einen Kampf für eine Krankenversicherung, gegen Diskriminierung und dafür, dass nicht nur die Stimmen der Lautesten gehört werden. In diesem Moment aber können wir alle voller Schadenfreude auf den gedemütigten Kaiser blicken, der sich die Unterstützung Prominenter, die ihm so unfassbar wichtig ist, mit keinem Geld der Welt kaufen kann. Wir werden die persönliche Schmach in seinem Gesicht sehen, während er beschämt durch den Raum tanzt—beraubt der einen Sache, die ihn menschlich einst halbwegs interessant gemacht hat, und die man ihm im Moment seines größten Triumphs versagt. Und dann werden auch wir etwas zu lachen haben.

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