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Das ist das einzige Dessertrestaurant in ganz Deutschland

Ja, sehr richtig. Hier gibt es nur (!) Desserts.

Das hier ist kein gewöhnliches Restaurant, das ist schnell klar. Das Coda von René Frank und Oliver Bischoff in Neukölln serviert zu Beginn Popcorn aus Schweinehaut. René hat die Haut frittiert, dann poppt sie auf, dann etwas Zucker und Gewürz dazu gegeben. Er war sieben Jahre lang Patissier im La Vie in Osnabrück, das drei Sterne hat. Zusammen haben sie die Idee zu dem Laden entwickelt, im letzten August haben sie dann eröffnet. Olivers Job ist es eigentlich, Konzepte für andere Restaurants zu entwerfen. Darin hat er zehn Jahre Erfahrung, jetzt hatte er das Gefühl, dass es an der Zeit für etwas Eigenes ist. Sie führen uns durch ihr Menü, es ist voll von Zutaten, die in Desserts normalerweise nicht vorkommen.

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Das Team des Coda: Oliver, Shinas, Leonhard, Julia, René, Julian. Alle Bilder: Elif Küçük.

René wollte keine Küche machen, die bei den Desserts 50 Prozent Zucker benutzt, wie es in der Branche die Regel ist. Auch die Gerichte sind anders: Hier gibt es keine Muffins, keine Torten, keine Kalte Schnauze, keinen Cheesecake. René ist beruflich viel herumgekommen, ganz besonders hat ihn aber seine Zeit in Japan beeinflusst, wo er in Sterneläden Praktikant war. Dort lernte er sehr viel über umami, was seit Kurzem als fünfter Geschmack gilt, neben süß, salzig, bitter und sauer. Umami lässt sich schwer beschreiben, „herzhaft" trifft es wohl am besten. In der europäischen Küche findet sich der Geschmack oft in Käse (Parmesan), in der asiatischen in den Saucen (Sojasauce). Also immer dann, wenn Zutaten lange gereift werden. René versucht, in jedem Gang viel umami unterzubringen, daher die ungewöhnlichen Zutaten. „Die Zunge merkt sich diesen Geschmack lange", sagt René.

Erster Gang: Koriander

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Dessert: Ananas, Koriander, Cashew. Drink: Pandan, Vogelbeere, Limette

„Viele mögen Koriander nicht, aber dieses Gericht ist noch nie zurückgegangen", sagt René. Der knallgrüne Koriander ist hier die außergewöhnliche Zutat. Sie ist auf den ersten Blick nicht zu sehen, denn der Koriander ist in einem Würfel aus weißem Schokoladenmousse. Dazu gibt es ein Eis aus Sake und einen Drink, der mit Pandan versetzt ist. Pandan ist ein Gewürz, das oft in der südostasiatischen Küche verwendet wird und nach Nuss und Vanille schmeckt. Die Idee ist es, dass in dieser Bar die Getränke immer so auf die Gerichte abgestimmt sind, dass sich der Geschmack gegenseitig verstärkt. Das funktioniert die ganze Zeit hervorragend.

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Zweiter Gang: Anchovis

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Dessert: Milch, Feige, Anchovis. Drink: Port, Sake

Die Anchovis kommen hier als eine Sauce. Dafür wurde der Fisch in Salz eingelegt und anschließend ausgepresst. Beim Servieren wird er dann auf den Teller gegossen. Die Anchovis geben umami, ohne dass es überhaupt fischig schmecken würde. Auch in diesem Gericht wird kein Zucker verwendet, die Süße kommt aus den Feigen und aus ein wenig Ahornsirup. Dazu gibt es aufgepufften Wildreis.

Dritter Gang: Tofu

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Dessert: Rote Bete, Tofu, Cranberry. Drink: Granatapfel, Orange, schwarze Olive

Neben Tofu sind hier noch Rote Bete (als Eis) und Cranberrys zu finden. In der Mitte ist ein Schwan aus Seidentofu, den die Coda Bar selber herstellt. Dazu werden die Sojabohnen mit Magnesiumsalz angerührt, das sind schon alle Zutaten für den Tofu. Ein Teil davon lässt René fermentieren, um ebenjenen herzhaften Geschmack zu erzeugen, der sich durch das Menü zieht.

Vierter Gang: Sauerkraut

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Dessert: Bergkäse, Birne, Sauerkraut. Drink: Cidre, Zirbelkiefer.

„Sauerkraut ist der deutsche Kimchi", sagt René. „Der Kimchi, den man hier zu kaufen bekommt, ist oft mit Glutamat versetzt, es ist schwer, gute Qualität zu bekommen." Das Sauerkraut ist als Eis verarbeitet, es bringt hier den Umami-Geschmack in das Gericht. Dazu gibt es einen gegrillten Bergkäse, nach dem die ganze Bar riecht, und Birne, die im Sommer eingelegt wurde. René wird oft gefragt, warum das denn noch ein Dessert sei: „Es ist nicht süß, aber wir verwenden hier alle Techniken, die wir auch sonst in der Patisserie anwenden. Der Kern im Käse ist flüssig, wie man das von Gebäck kennt." Und man wird mit jedem Gang ein wenig dankbarer. René wurde auch schon „Desserteur" genannt, weil er so viel anders macht. Wortspiel aus der Hölle.

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Fünfter Gang: Schwarzer Knoblauch

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Dessert: Petersilienwurzel, Kokos, Pistazie. Drink: Oatmeal Stout, Moscatel.

Die Coda Bar will sich in den Kiez einfügen, so René, deswegen gibt es draußen kein Schild, die Teller kaufen sie ein paar Straßen weiter, ihren Käse auch. Die ganzen umliegenden Geschäfte würden mit Knoblauch arbeiten, ob im Köfte oder im Döner. Der Knoblauch soll eine Art Ehrerweisung daran sein, auch wenn dieser hier sechs Wochen bei 60 Grad gegart wird, bis er schwarz wird. Dazu gibt es Kokos, Pistazien und ein Eis aus Petersilienwurzel. Das Eis drücken sie mit einem breiten, mit Stickstoff gekühlten Stempel auf den Teller: „Eiskugeln finde ich langweilig."

Sechster und letzter Gang: Holzkohlepulver

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Dessert: Schokolade, Pflaume, Zichorie. Drink: Lambrusco, Single Malt

Der Gang kommt geräuchert. Ansonsten ist er für Coda-Verhältnisse klassisch mit Schokoladenmousse und Pflaumen. Dazu gibt es Zichorienwurzel, eine Form von Chicorée, aus der einst der Kaffeeersatz Muckefuck gemacht wurde. Daran haben René und sein Team ihre wahre Freude, wenn sie die Gäste überraschen können und sich auch selbst nicht langweilen müssen, weil sie nach den alten Mustern arbeiten. Es braucht eine Menge Offenheit, wenn man diese Bar geht, weiß René. Und während er das sagt, sprüht man an der Bar Whiskyaroma auf Lambrusco.