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Diese Köchin will, dass du dein Leid isst

Die Köchin Claire Phelan veranstaltet Dinner, bei denen jede Zutat therapeutisch sein, Angst oder krankhafte Sorgen lindern, die Stimmung aufhellen oder Depressionen behandeln soll.
Mehrere Teller mit Lachs-Salat
Foto mit freundlicher Genehmigung von Claire Phelan

Vor Kurzem saß ich mit sieben mir völlig Unbekannten an einem Tisch in einem kleinen Laden in Greenpoint, Brooklyn, und habe ein Fünf-Gänge-Menü gegessen. Privatköchin Claire Phelan hat das Dinner in intimer Atmosphäre organisiert, der Treffpunkt war bis zuletzt geheim. Der Titel des Events: „Eat Your Grief"—„Iss deinen Kummer". Jede der Zutaten in den einzelnen Gängen wurde nach ihrem therapeutischen Nutzen ausgewählt, um Angst oder krankhafte Sorgen zu lindern, die Stimmung aufzuhellen oder Depressionen zu behandeln.

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Ray Edwards, Spezialistin für Pflanzenheilkunde, hat uns erklärt, was die Zutaten für Geist und Seele tun können. Am Ende bekamen wir alle einen Tee, der gegen Stress und Traurigkeit helfen soll.

Eines muss man Claire Phelan lassen: Erst in letzter Minute habe ich ihr gesagt, dass ich Vegetarierin bin, und sie hat es trotzdem geschafft, für die Gerichte mit Fleisch vegetarische Alternativen aufzufahren, sodass auch ich an der Erfahrung teilhaben konnte.

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Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Claire Phelan

Ich habe mich mit Claire in Philadelphia getroffen, wo sie nach ihrem Umzug aus New York weitere außergewöhnliche Dinner plant. Das nächste Eat-Your-Grief-Dinner wird am 9. Juni sein.

MUNCHIES: Hi Claire. Wie bist du eigentlich zum Kochen gekommen?
Claire Phelan: Fast mein ganzes Leben lang habe ich Leute übers Essen zusammengebracht. In meiner Familie haben wir immer gemeinsam abends gegessen. Diese Tradition habe ich dann am College fortgeführt und dort oft große gemeinsame Essen organisiert.

Heute gebe ich Kochkurse und mache Catering. Zum professionellen Kochen bin ich durch Pop-up-Dinner-Events gekommen. Das erste war ein Fünf-Gänge-Menü mit saisonalen Zutaten in einer Galerie in Brooklyn vor einem Jahr — eigentlich habe ich das nur zum Spaß gemacht, da ich aber so positives Feedback bekommen habe und die Leute es so interessant fanden, habe ich mich dann entschieden, Kochen auch zu meinem Beruf zu machen.

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Was gefällt dir so daran, eine Gruppe Wildfremder zum Essen zusammenzubringen?
Die Menschen versammelten sich früher immer an einem großen Tisch, egal ob das zum Feiern oder zum Trauern war. Das ist in unserer modernen Gesellschaft mehr oder weniger verloren gegangen. Mit gemeinsamen Erlebnissen in gemütlicher Atmosphäre, die sich rund ums Essen drehen, möchte ich dieses Gemeinschaftsgefühl wiederbeleben. Es sollen sozusagen neue Ideen auf den Tisch kommen und ein Dialog entstehen.

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Die meisten meiner Gäste sind anfangs wegen des experimentellen Essens und den Mottos gekommen, aber sie waren danach glücklich, so tolle Leute kennengelernt zu haben. Das ist wirklich schön zu sehen.

Welche Herausforderungen gibt es wenn man in kleinen Länden, Wohnungen und immer wieder anderen Locations kocht?
Es ist ungefähr so schwer, wie du es dir vorstellst, aber ich mag die Herausforderungen — und den Adrenalinkick —, die es bei jeder neuen Location gibt.

Wie kamst du auf die Idee zur Eat-Your-Grief-Reihe?
Ich habe irgendwann mal das Buch Food & Life geschenkt bekommen, geschrieben von Koch Joël Robuchoun und Akupunkteurin und Neuropharmakologin Nadia Volf. Dann kam mir der Gedanke, dass man mit Essen die Psyche unterstützen und Angst, Stress, Depressionen und so weiter bekämpfen könnte. Vorher habe ich mir darüber nie wirklich Gedanken gemacht, obwohl ich mich immer für gesundes Kochen, ganzheitliche Gesundheit und psychische Probleme interessiert habe. Ich habe mich von dem Buch inspirieren lassen und selbst ein wenig nachgeforscht und zahlreiche wissenschaftliche Studien und so weiter gelesen. Das Konzept habe ich dann erstmals bei Facebook vorgestellt und die Reaktionen waren überwältigend, also habe ich das Menü für das erste Dinner-Event zusammengestellt. Dann habe ich Ray Edwards getroffen und sie als Expertin für eine Diskussion nach dem Essen mit ins Boot geholt.

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Wie sieht ein Gang beim Eat-Your-Grief-Dinner aus?
Ein Gericht, das es auch beim nächsten Mal geben wird, ist der Salat mit geräuchertem Lachs: Der Fisch verbessert die Gehirnfunktion; Ananas liefert dem Körper Tryptophan, eine Aminosäure, die zur Serotoninproduktion benötigt wird; Paprika erhöht den Dopaminspiegel; Kurkuma regt die Gehirnzellenproduktion an und schwarzer Pfeffer hilft gegen Depression.

Kannst du uns schon verraten, wo das nächste Dinner stattfinden wird?
Nein, aber ich halte immer Ausschau nach Locations mit angenehmer und intimer Atmosphäre. Dann fühlen sich die Leute wohler und auch sicherer.

Welche anderen Motto-Events stehen noch auf deinem Plan?
Ich habe verschiedene Ideen, aber das nächste Projekt wird wohl eine Reihe mit dem Titel „Last Suppers" [„Henkersmahlzeiten"]. Dabei lasse ich mich für das Essen und die Location von berühmt-berüchtigten und mythenumwobenen Mahlzeiten inspirieren, zum Beispiel das Menü der Titanic oder das letzte Bankett der Girondisten vor ihrer Hinrichtung während der Französischen Revolution.

Was hat sich seit deinem Umzug nach Philadelphia verändert?
Am meisten vermisse mein großes Netzwerk in New York und ich freue mich schon darauf, so etwas auch hier aufzubauen, damit es noch mehr Events gibt, die den Leuten Spaß machen und auch zum Nachdenken anregen. Wer Interesse hat — Experten, Locationbesitzer, Künstler und so weiter —, kann mich gern kontaktieren.

Vielen Dank für das Gespräch.